Stadt-Teilchen Ein Ticket 2000 löste „Hans“ ab

Die Scheidung von der Limousine fiel gar nicht so schwer.

Ein Karmann Ghia und eine Dame posieren vor der Alpenkulisse — das Werbefoto wurde 1958 aufgenommen.

Ein Karmann Ghia und eine Dame posieren vor der Alpenkulisse — das Werbefoto wurde 1958 aufgenommen.

Foto: DB Karmann-Werk/dpa

Düsseldorf. Scheiden tut weh. Nicht nur von Menschen. Auch von Tieren. Oder Autos. Sieht man ja schon daran, dass Menschen einen Autokauf angehen wie eine Partnerwahl. Passt der Typ zu mir? Sieht er toll aus? Kann ich mich vor Anderen damit sehen lassen? Damit überhaupt über die Kö fahren? Ist er zuverlässig? Wird er mich nicht im Stich lassen? Werde ich ihn in ein paar Jahren noch gut finden? Und: Schluckt der auch nicht zu viel?

Übertrieben? Vielleicht ist ein Auto ja auch eher mit einem Haustier zu vergleichen. Auch das kann Statussymbol sein. Ich wollte nie eine Ente oder einen Panda, auch keinen Mustang, eher einen Jaguar. Man darf ja mal in Blech träumen. Als ich noch jung war, stand ich auf ältere Typen, schwärmte für einen Karman Ghia. Aber es reichte nur für einen billigen Gebrauchtwagen. So, wie man George Clooney anhimmelt und dann doch einen Volkswagen heiratet.

Als ich endlich meinen Karman bekam, war er so alt wie ich, als ich ihn haben wollte. Nach dieser Affäre ging ich verkehrstechnisch nur noch Vernunft-Ehen ein. Als dann die Japaner einen Sportwagen bauten, der mich an meinen Karman erinnerte, wurde das mein erster Neuwagen. Wir hatten lange Jahre Spaß miteinander. Dann verguckte ich mich nicht in einem Anflug von Übergrößenwahn in eine betagte Limousine, die mir eher zufällig vor die Füße fuhr.

Ich nannte ihn „Hans“. Weil: Er war das Traumauto meines Vaters, das er sich nie leisten konnte. Freunde warnten mich vergeblich vor der Unvernunftehe mit dem Dicken. Recht hatten sie. Man sollte sich beim Autokauf nicht von Sentimentalitäten lenken lassen, sondern die Folgen bedenken. Von wegen Freude am Fahren, die wird einem in Düsseldorf unweigerlich vom Kummer beim Parken genommen. Vom Zeitfressen ganz zu schweigen. Wo gibt es in Düsseldorf überhaupt noch gebührenfreie Parkplätze? Gibt’s eigentlich eine App dafür? Wenn nicht, sollte man eine einrichten. Darauf würden sicher viele abfahren. Besonders in Parkproblemzonen wie Unterbilk, Pempelfort, Derendorf, Flingern. Oder Oberkassel. Aber da kann man seinen SUV ja nicht draußen stehen lassen, weil Düsseldorfs Sahne-Stadteilchen bekanntermaßen beliebte SB-Märkte für Autodiebe sind.

Ja, ich weiß, was jetzt kommt: Wenn man sich solch ein Auto leistet, muss ihm auch eine Garage gönnen können. Die kostet aber in der Innenstadt so viel Miete, wie ich zu Karman-Ghia-Zeiten für ein Apartment bezahlt habe. Die Polizei, dein Freund und Helfer, war meist so freundlich, mich morgens um 7 aus dem Bett zu klingeln, wenn gerade mal wieder eine Baustelle eingerichtet oder eine Vorabend-Serie gedreht wurde, wo Hans stand. Passierte ziemlich oft. Einmal war er am Carlsplatz komplett in rot-weißes Flatterband eingewickelt wie ein Geschenk - das mich allerdings teuer zu stehen kam. Es kam, wie es kommen musste: Ich habe mich - siehe oben - von Hans getrennt und bin jetzt verkehrstechnisch wieder Single. Fühlte sich zuerst komisch an, wie mehr und weniger Freiheit zugleich. Alternativen? Car-Sharing? Praktisch, passt aber nicht zu mir. Außerdem bin ich auch als Fußgänger sauer, dass die gestauchten Flitzer immer mehr Innenstadt-Parkplätze blockieren, für die ich Steuern zahle.

Nun trennen sich Frauen vielleicht leichter als Männer. Wer schon mal in einem Stadt-Teilchen, wo das noch möglich ist, jemanden beim Autowaschen beobachtet hat, weiß, was ich meine: Wie Mann zärtlich mit Schwamm und Leder über die Rundungen seines Gefährts streicht, zum Schluss ein paar Schritte zurück geht, um seinen Liebling voller Besitzerstolz zu betrachten - ob er seine Frau zu Hause auch so liebevoll behandelt? Doch von solchen Fragen habe ich mich längst emanzipiert. Aus Liebe zum Auto wurde nüchterne Freundschaft zum Ticket 2000. Eine Beziehung, die bisher so nebenher lief. Jetzt machen wir richtig viel zusammen. Dabei muss ich gestehen, dass ich „Hans“ bisher noch nicht allzu sehr vermisst habe.

Ich hätte nie gedacht, dass ich ohne Auto so gut klarkomme in Düsseldorf. Termin im Mutterhaus in Kaiserswerth? Wie kommt man denn da hin? Ganz einfach! Sogar ohne Umsteigen und mit nur zehn Minuten Fußweg. Aber was ist hinter der Stadtgrenze, wie komme ich ins Museum am Rande von Ratingen? Total easy! Straßenbahn bis Endhaltestelle, der Bus zum „Blauen See“ wartet schon. Noch praktischer und viel schneller als mit dem Auto geht’s mit der S-Bahn zum Herbst-Spaziergang im Neandertal. In Hochdahl holen mich Freunde ab.

Alles in allem ist Düsseldorf die ideale Kein-Auto-Stadt, eine Mini-Metropole der kurzen Wege, sogar zu Fuß die Top-Ten-Minute-City. Das lernt man besonders schätzen, wenn man gerade mal wieder in Berlin war. Nächste Woche will ich mit einer Freundin ins Ausland, nach Venlo mit Zusatzticket.

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