Stadt-Teilchen Beim Deutschen Nachbarschaftspreis hat die Stadt keine Chance — im Gegensatz zu Köln

Düsseldorf · Unser Nachbar nebenan hat mal wieder die Nase vorn. Köln! Nee, nicht die Pappnase bei der Übertragung des Rosenmontagszuges. Vielmehr sind die Kölner jetzt Bundessieger beim Wettbewerb um den erstmals vergebenen Deutschen Nachbarschaftspreis des Netzwerkes der Stiftung nebenan.de.

Nachdem sie vorher schon Landessieger geworden waren. Die NRW-Metropole kommt dabei so gut wie gar nicht vor.

Prämiert wurden die Kölner für vier tolle Tage im Jahr, in denen sie eines ihrer Viertel für den Autoverkehr sperren — nicht nur für Düsseldorfer. Schon vor dem Event, der eigentlich das Gegenteil eines solchen ist, finden viele Veedelstreffen statt. Organisiert wird der so genannte „Tag des guten Lebens“ von der Kölner Bürgerinitiative Agora, einem unabhängigen Netzwerk von Organisationen und Bürgern.

Mutig. Während wir gerade darüber nachdenken, wie wir zusätzlich zu den Pendlern, Auto-Angebern und Parkplatzsuch-Schleichern wieder Autorennen in die Innenstadt holen (Stichwort Formel E), schaffen die Kölner in ihren Mauern zumindest für einen kurzen Zeitraum neuen, besser gesagt längst vergessenen, Freiraum für angenehmere Formen der Mobilität und des Miteinanders.

Vorbildlich. Ich stelle mir gerade einen autofreien Tag des guten Lebens in meinem Stadt-Teilchen Carlstadt vor. Wahrscheinlich würde ich den halben Tag verschlafen, weil es plötzlich so ruhig vorm Haus ist. Danach gemütlich zum Carlsplatz bummeln, ohne dass ich von einem aus der Tiefgarage geschossenen Wagen bedroht, von einem Amateur-Raser verscheucht oder von der Straße verdrängt werde vom SUV aus Meerbusch, der die Petersilie vergessen hat. Wahrlich, das wäre ein guter Tag.

Überhaupt, die Kölner. Die haben ja im Gegensatz zu Düsseldorf einen schönen Slogan: Köln ist ein Gefühl. Düsseldorf hat ja leider keinen Slogan. Auch kein Gefühl dafür.

Solch ein Wettbewerb zeigt auch, was wissenschaftliche Langzeitstudien längst ergeben haben: dass Freunde genauso wichtig, manchmal noch wichtiger als Familie sein können, gute Beziehungen von Menschen untereinander überhaupt erst die Voraussetzung für Glück und Zufriedenheit sind. Und das Gute liegt so nah, oft gleich nebenan, in der Nachbarschaft.

Mit dem zweiten Bundessieger im Nachbarschaftswettbewerb ist ein Vergleich auf den ersten Blick schwieriger. Zumindest in der Sache, weniger in der Gesinnung: Da haben sich die rund 500 Nachbarn des mecklenburgischen Dorfes Witzin zusammen getan, um was gegen die Abwanderung auf ihrem schwach besiedelten Land zu tun. „Dorfmacher“ nennen sich die Ehrenamtlichen. Sie holten einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb in ihr Dorf.

Das brachte nicht nur frische Eier, sondern auch drei neue Arbeitsplätze und sieben weitere im Dienstleistungsbereich in ortsansässigen Betrieben. Mehrwert: Ein geschlossener Kindergarten konnte wieder geöffnet werden.

Was mir an Witzin so gefällt: Es gibt dort seit einiger Zeit wieder einen Dorfboten, der wie vor 100 Jahren durch den Ort zieht und den Nachbarn Neuigkeiten persönlich überbringt. Viel netter als Internet. Echt smart. Kann man in einer Großstadt so nicht machen, aber im Kleinen, in der Nachbarschaft, siehe die gut gebuchten Altstadt-Rundgänge zu diversen Themen. Wobei der Lokal-Teil im Wortsinne der beliebteste ist: Einkehr in eine Kneipe in der Nachbarschaft.

Das Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de funktioniert in Düsseldorf auch schon ganz gut, hier mal mehr, dort mal weniger. Die Treffs in Unterbilk sind inzwischen so beliebt, dass sie auch von umliegenden Nachbarschaften gern besucht werden. Das steht und fällt natürlich mit engagierten Personen und Persönlichkeiten. Wahrscheinlich brauchen wir noch mehr Düssel-Dorfmacher. Mit Gefühl.

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