Sozialkosten steigen drastisch

Die Stadt muss bei der Grundsicherung für Senioren und Hartz-IV-Bezieher 2010 deutlich draufsatteln.

Düsseldorf. Einige bedrohlich klingende Zahlen stellte Sozialdezernent Burkhard Hintzsche jetzt im Rathaus vor: Danach muss die Stadt 2010 deutlich mehr Geld für die Grundsicherung im Alter sowie für Unterkunft und Heizung von HartzIV-Empfängern ausgeben. Waren 2006 gut 7000 alte Menschen wegen zu geringer Renten auf städtische Zahlungen angewiesen, liegt die Zahl 2009 schon bei über 8300, nächstes Jahr rechnet die Stadt mit 8600 Bedürftigen.

Im Schnitt benötigen die Bezieher in Düsseldorf 488 Euro Grundsicherung monatlich, innerhalb Deutschlands zahlt nur München mehr (517Euro) - Folge des relativ hohen Preis- und Mietniveaus. "Kosten und Empfängerkreis werden wohl weiter wachsen", glaubt Hintzsche und nennt als Gründe: "Demografischer Wandel, sinkendes Rentenniveau durch den wachsenden Niedriglohnbereich und größere Lücken in den Erwerbsbiografien durch Arbeitslosigkeit."

Signifikant zunehmen wird auch die Zahl der Düsseldorfer, die von HartzIV leben. In den aktuell fast 33000 Bedarfsgemeinschaften leben 60330 Personen, für 2010 erwartet das Amt für soziale Sicherung aufgrund wachsender Arbeitslosigkeit einen Anstieg auf rund 68000 Personen. Zudem will der Bund seinen Anteil an den Kosten für Unterkunft und Heizung von derzeit 25,4 auf 23Prozent reduzieren. Die Stadt rechnet mit einem Anstieg ihrer Ausgaben für Bezieher des ArbeitslosengeldesII auf 185Millionen Euro (2009: 162,3 Mio. Euro).

Bedeuten diese Zahlen, dass es in Düsseldorf eine wachsende Armut gibt? Diakonie-Pfarrer Thorsten Nolting ist sicher: "Ja. Die Statistik lügt da nicht." Sie korrespondiere mit einer steigenden Nachfrage caritativer Angebote der Diakonie: "Wir haben angefangen mit einer Essens-Tafel an der Bergerkirche, die stieß schnell mit 250 bis 300 Gästen an ihre Kapazitätsgrenze. Also haben wir weitere Tafeln in Garath und Flingern eingerichtet - auch die sind voll."

Die Diakonie koppele Essensgutscheine und ähnliches an eine Sozialberatung für die Betroffenen. Nolting: "Und gerade da erkennen wir, dass der Bedarf wirklich vorhanden ist, dass mehr Menschen in eine heikle Lage geraten." Das hat auch Seniorenbeirat Horst Grass festgestellt. Er sucht Paten, die für arme Senioren die GEZ-Gebühren übernehmen. 53 Spender hat er schon vermittelt (siehe Text unten).

Roland Buschhausen, der Leiter des Sozialamtes, ist sich weniger sicher: "Es ist schwierig, Armut genau zu messen", sagt er. Wachsende Ausgaben im Sozialetat der Stadt bedeuteten nicht zwingend wachsende Armut der Bürger: "Die Grundsicherung etwa wurde eingeführt als Instrument zur Vermeidung von Armut im Alter. Heute wird sie oft als Indikator für bestehende Armut genutzt", erläutert Buschhausen.

Wenn mehr Menschen bei den diversen Tafeln speisten oder in den mittlerweile sechs "Fairhäusern" der Renatec vergünstigt einkauften, bestätige das auch einen alten ökonomischen Lehrsatz: "Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage." Heißt: Es ist nicht gesagt, dass die Nutzer dieser Angebote immer bedürftiger werden.

Klarheit könnte ein Armutsbericht schaffen, wie es ihn zuletzt 1999 in Düsseldorf gab und wie ihn SPD und Grüne seit Jahren fordern. Doch CDU und FDP lehnten ihn 2008 erneut ab. "Leider", meint Thorsten Nolting: "Ich will den nicht für irgendeine Neiddebatte. Aber wir brauchen ein Gesamtbild für die Stadt. Und da bin ich sicher, dass die Schere zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren aufgegangen ist."

Allerdings arbeiten verschiedene Ämter der Stadt an einer "Integrierten Sozialberichterstattung": "Anfang 2010 erscheint der nächste Bericht", sagt Roland Buschhausen, "er beleuchtet unter anderem die Wohn-, Einkommens- und Familiensituation in den Stadtteilen. Da kann man sehen, wie es den Leuten in Düsseldorf geht."

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