Sommerliche Roman-Tipps von den Experten der Stadtbüchereien

Krimi, Liebe, Erwachsenwerden — das sind großen Themen in den Lesevorschlägen für den Sommer. Auch ein Düsseldorfer Autor hat es in die Tipps geschafft.

Sommerliche Roman-Tipps von den Experten der Stadtbüchereien
Foto: dpa

Joachim Meyerhoff: „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“ Das ist der vierte und letzte Teil des Romanzyklus „ Alle Toten fliegen hoch“: Für den Ich-Erzähler ist die Zeit der ersten Bühnenerfolge und der Beziehungen zu den Frauen angebrochen. Die Städte Bielefeld und Dortmund sind seine ersten beruflichen Stationen, Hanna Franka und Ilse seine ersten Frauen. Während er seine Engagements aber nacheinander lebt, führt er seine Beziehungen parallel. Hanna aus Bielefeld ist eine blitzgescheite, kapriziöse, Studentin, die geheimnisvolle Franka aus Dortmund ist eine Tänzerin am Theater und Ilse, die Bäckerin verwöhnt mit wunderbaren Teilchen aus der eigenen Backstube. Den Leser erwartet ein Feuerwerk von Geschichten, voller Komik und herrlich wortreich geschrieben.

Diese selbstgewählte Rolle des „Don Juan“ überfordert den jungen Schauspieler und manchmal auch den Leser. Was für ein Chaos und welche Organisation, welche Lügen und welche Jonglage. Im Grunde aber ist Meyerhoff ein Einzelgänger und in stillen Zeiten gibt es tiefe Gefühle, Erinnerungen an seine Kindheit und seine Eltern. Auch die Toten vergisst er nie. Das Spiel des Onkels „Alle Toten fliegen hoch“ eine etwas schräge Abwandlung des Spiels „alle Vögel fliegen hoch“ braucht er nicht, um sich an all die zu erinnern, die er geliebt hat und die gestorben sind. Wie in den ersten drei Bänden: der sympathische Meyerhoff schreibt sich mit seinem autobiografischen Roman über 400 Seiten in die Herzen seiner Leser.

Ein Tipp von Marion Esser, Leiterin der Stadtteilbücherei Gerresheim

Thorsten Nagelschmidt: „Der Abfall der Herzen“ Zwei Jugendfreunde, inzwischen um die 40, treffen sich in einer Bar und reden über alte Zeiten. „Wann hast du eigentlich aufgehört mich zu hassen?“ fragt Nagel. „Als du mir den Brief geschrieben hast“ antwortet Sascha. Welchen Brief? Nagel hat keine Ahnung was gemeint sein könnte, doch die Sache geht ihm nicht aus dem Kopf. Und so versucht er eine Rekonstruktion dieses Sommers im Jahr 1999 in der münsterländischen Provinz. Dabei entsteht eine stimmungsvolle Coming-of-Age-Geschichte, die das Lebensgefühl der 1990er sehr authentisch transportiert. Eine Zeit, in der alles irgendwie im Aufbruch war, nicht nur diese jungen Leute in der kleinen Stadt Rheine. Und wer konnte schon wissen, wohin die Reise geht? Ein schönes Buch, das man definitiv im Sommer lesen sollte.

Ein Tipp von Jochen Prestel, Netzwerkadministration der Zentralbibliothek

Stephanie Linnhe: „Immer wieder Schottland“ Eine klassische Liebesgeschichte ist das Buch sicher nicht. Die Liebe spielt zwar eine große Rolle, biegt aber sehr langsam um die Ecke und gipfelt in der großen Faszination zu Schottland und seinen Inseln. Für Liska beginnt die Reise auf die Orkney-Inseln, die sie ihrer Großmutter zuliebe unternimmt, sehr widerwillig und mit einer Menge emotionaler Mauern im Herzen. Sie soll dort den Reiseführer für einen Fotografen spielen. Marius unternimmt die Reise hingegen vollkommen unvoreingenommen und als Auftrag seiner Romane schreibenden Tante. Er wurde von ihr mit einer äußerst skurrilen Liste für Fotomotive ausgestattet, die zur Inspiration für ihr neuestes Buch dienen sollen. Die Gruppe zur Reise über die Orkney-Inseln wird vervollständigt von dem Ortsansässigen Pärchen Fiona und William, die Liska aus ihrer Kindheit kennt. Während der Reise entdeckt besonders Liska ihre Liebe zu den Inseln wieder. Der Roman handelt davon wie wichtig es ist, eine vernünftige Kommunikationsebene zu finden, aber auch von Selbstfindung, vom Hinter-sich-lassen und dem Verarbeiten von Gefühlen. Das Besondere an dem Roman ist der sehr bildhafte, detailgetreue und langsame Schreibstil der Autorin. Auf jeden Fall eignet sich dieser lebensbejahende „Liebesroman“ für entspannte Lesestunden auf dem Balkon ganz besonders gut.

Ein Tipp von Sonja Meier, Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, Zentralbibliothek

Horst Eckert: „Der Preis des Todes“ Für alle Düsseldorfer Krimifreunde ein Muss! Zwei Morde prägen das Geschehen in diesem Düsseldorf-Krimi: der Tod des Bundestagsabgeordneten Christian Wagner und der einer 28-jährigen Düsseldorferin, die sich beruflich und privat für die Menschenrechte einsetzt. Die Journalistin Sahra Wolf, seit einigen Wochen liiert mit Staatssekretär Wagner, macht sich selbst an die Aufklärung der Morde und stößt auf Verstrickungen mit dem Krankenhausbetreiber Saxam AG. Ihre Recherchen führen den Leser auch nach Berlin und ein Flüchtlingslager in Kenia. Mit der Protagonistin Wolf schafft der Autor eine Romanfigur, die im Laufe des Geschehens viele berufliche und private Herausforderungen zu bewältigen hat. Dabei gelingt es Horst Eckert stets, die einzelnen Handlungsstränge und Verstrickungen für seine Leser klar zu strukturieren. Auch wer einmal eine Lesepause einlegen muss, ist sofort wieder drin im spannenden Geschehen. Eine unbedingt zu empfehlende Urlaubslektüre.

Ein Tipp von Norbert Kamp, Direktor der Stadtbüchereien Düsseldorf

Sara Novic: „Das Echo der Bäume“ Die zehnjährige Ana lebt mit Eltern und Schwester in Zagreb, als Kroatien 1991 im Krieg versinkt. Aus der Sicht des Kindes schildert Sara Novic wie sich Anas kindliche Freude über Sandsäcke auf der Straße, die sich wunderbar zum Spielen eignen, wandelt in einen Alltag aus Hunger und Angst. Als die einjährige Schwester sehr krank wird, bleibt nur eine Chance, ihr Überleben zu sichern: Die Familie macht sich auf den Weg ins serbische Kriegsgebiet, wo ein Hilfsdienst Kinder zur medizinischen Versorgung in die USA schickt.

Auf dem Rückweg gerät die tief traurige restliche Familie in eine Kontrolle, die zum Erschießungskommando im Wald wird. Ana überlebt durch einen Trick des Vaters, der aber mit ihrer Mutter erschossen wird. In Rückblenden berichtet die 20-jährige Ana aus den USA, wo sie inzwischen mit der kleinen Schwester lebt, wie sie die Zeit danach erlebt hat und wie das Kriegstrauma, Familien- und Heimatverlust ihr Leben für immer bestimmen. Ein Vortrag bei der UNO reißt alte Erinnerungen wieder auf, und Ana macht sich auf den Weg zurück in das inzwischen friedliche Kroatien. Die Suche nach ihren Wurzeln und das Treffen mit ihrem engsten Kindheitsfreund Luka setzen einen schmerzhaften, aber hoffnungsvollen Heilungsprozess in Gang.

Ein Roman, der einfühlsam und eindrucksvoll anhand eines persönlichen Schicksals die Folgen von Krieg, Flucht, Identitätsverlust und Trauma schildert. Ein poetisches Plädoyer für Menschlichkeit, Empathie und Willkommenskultur ganz ohne pädagogischen Zeigefinger.

Ein Tipp von Annette Krohn, Veranstaltungsarbeit der Zentralbibliothek

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