Wir Düsseldorfer Kochen für 1000 Kinder: Die Mischung macht‘s

Düsseldorf · In den Ferien ist die Schulkantine an der Heidelberger Straße verwaist. Stephanie Flieg, die sich vor elf Jahren mit der Firma „Die Schulküche“ selbstständig machte und heute auch Grundschulen und eine Kita beliefert, kann den Schulstart kaum erwarten. Sie setzt in ihrer Küche auf Salat und Gemüse zu jeder Mahlzeit, bietet aber auch mal Currywurst und Pommes an. Bevor sie die Küche übernahm, kamen regelmäßig nur acht Schüler zum Essen.

 Stephanie Flieg unterrichtet Hauswirtschaft ab Klasse 5 und führt seit elf Jahren mit ihrem Team die Schulküche.

Stephanie Flieg unterrichtet Hauswirtschaft ab Klasse 5 und führt seit elf Jahren mit ihrem Team die Schulküche.

Foto: Ines Arnold

Schulferien können sich ziehen. Die meisten Schüler teilen diese Auffassung gewiss nicht. Stephanie Flieg aber kann es kaum erwarten, bis sie endlich wieder loslegen kann. Die Hände still halten, das kann die 54-Jährige nicht. „Ich habe es schon genossen, mal ein paar Wochen Ruhe zu haben“, sagt sie und sieht sich in der verwaisten, auf Hochglanz polierten Schulküche um, in der außerhalb der Ferien bis zu 1000 Essen an einem Tag zubereitet werden, für Schüler der  Dieter-Forte-Gesamtschule und umliegender Grundschulen. „Aber jetzt reicht es auch mit der Ruhe.“ Sie wolle endlich wieder die Töpfe klirren und das Essen brutzeln hören.

Die Bio-Stulle kam ins Sortiment, Chips und Limo flogen raus

2000 kam Stephanie Flieg, staatlich geprüfte Wirtschafterin und Köchin, als Lehrerin für Hauswirtschaftslehre an die Dieter-Forte-Gesamtschule, stieg ein halbes Jahr später in das Team der Schulküche ein. Schließlich machte sie sich selbstständig, gründete die Firma „Die Schulküche“ und übernahm den Mensa- und Cafeteria-Betrieb in der Ganztagsschule in Eigenregie. Das Team übernahm sie, strukturierte die Abläufe aber grundsätzlich um. „Damals bekamen wir die Brötchen für die Cafeteria geschmiert geliefert. Das wurde sofort geändert“, nennt sie ein Beispiel.  Hinzu kamen Ciabattas mit Tomate und Mozzarella vom Grill, Bio-Sauerteig-Stullen oder die von den Kindern als „Kieferklemme“ bezeichnete Variation eines besonders üppigen Mehrkornbrotes mit allerlei Belag. Quark und Obst kamen ins Sortiment, dafür wurden Chips und Limo aus den Regalen verbannt. „Zwei Monate lang tat es weh, dann erinnerte sich niemand mehr daran“, erinnert sich Flieg. Sie selbst war auf den Missstand im Kiosk von einem Schüler der fünften Klasse aufmerksam gemacht worden. „Im Hauswirtschaftsunterricht fragte er berechtigterweise, warum Chips laut Ernährungspyramide selten gegessen werden sollten, ich sie aber in meinem Kiosk verkaufe.“ Umgehend wurde das geändert.

Flieg setzt auf Buffetform, um Kinder an Salat heranzuführen

Und auch in der Mensa wehte plötzlich ein frischer Wind. „Als ich anfing, kamen genau acht Kinder regelmäßig zum Essen. Acht von 1200 Kindern“, sagt sie. Heute, nachdem die Speisepläne umgestellt wurden,  auf Geschmacksverstärker verzichtet und das Essen in Buffetform ausgegeben wird, sind es bis zu 250 Schüler, die regelmäßig kommen. „Und sogar Salat und Gemüse werden gegessen“, betont sie. „Eben weil sie es sich freiwillig nehmen können. Mit Zwang funktioniert gar nichts.“

Und so experimentiert die Küche je nach Jahreszeit auch mal mit Gemüsesorten, die Schüler aus ihrem Elternhaus nicht kennen — Steckrüben, Grünkohl oder Kürbis. Damit die Schüler wissen, wie der Ursprung des gekochten Gerichtes aussieht, wird das Gemüse mit auf den Buffetwagen gelegt. „Wir motivieren die Schüler natürlich, Neues auszuprobieren, wir sprechen sie an. Lehrer, die auch in der Mensa essen, haben darüber hinaus eine Vorbildfunktion“, sagt Flieg.

Neben Nudeln, Kartoffeln, Gemüse und Salat im Buffetwagen werden Desserts und Fleisch an der Theke ausgegeben. Fleisch gibt es jedoch selten, auf Schweinefleisch wird seit Jahren komplett verzichtet. „Aus ernährungsphysiologischen Gründen. Schweinefleisch ist nun mal nicht besonders gesund“, sagt Flieg. Sie schließt aber auch nicht aus, Schweinefleisch hin und wieder in den Speiseplan zu integrieren. Wenn das denn der Wunsch sei.

Wenn der Nachtisch an die Wand fliegt, gibt es keinen mehr

In der Leitung der Schulküche  sieht die 54-Jährige auch einen Erziehungsauftrag, nicht nur was das Ausprobieren neuer Gerichte angeht. Tischmanieren ließen anfangs zu Wünschen übrig. Und in ganzen Sätzen erreichte die Mitarbeiter hinter der Theke der Cafeteria selten eine Bestellung. Ganz zu schweigen von „bitte“ und „danke“. „Es war ein langer Weg und hat echt Nerven gekostet, aber mittlerweile sind 80 Prozent der Schüler höflich und zuvorkommend beim Mittagessen. Sie sitzen aufrecht und befolgen die Regeln, die einfach notwendig sind für einen reibungslosen Ablauf.“ Sicherlich fliege auch mal ein Joghurt gegen die Wand oder eine Banane werde herumgeschossen. „Nach solchen Vorfällen gibt es dann erst mal kein Dessert“, sagt sie. Stichwort: Erziehungsauftrag.

An einigen Dingen rüttelt aber auch sie nicht. Zum Beispiel am Bezahlsystem. Die Schüler kaufen Wertmarken — eine Marke kostet drei Euro — und stempeln sie bis spätestens elf Uhr ab, wenn sie am Mittagessen teilnehmen möchten.  Erst dann beginnt das Küchenteam damit, das Essen vorzubereiten. Um 13.15 Uhr kann dann gegessen werden. „Wir können so gut kalkulieren, wie viel Essen wir kochen und es bleibt wenig übrig“, sagt sie. Sollte doch mal der Brokkoli auf dem Buffet verschmäht worden sein, füllt die Küchencrew an diesem Tag ihr Vitaminkonto auf: „Dann essen wir den halt“, sagt Flieg. Was danach noch übrig bleibt, wird abgeholt und zu Tierfutter verarbeitet.

Mittlerweile beliefert „Die Schulküche“ einige Düsseldorfer Grundschulen und einen Kindergarten. Oft sind die Schüler der Dieter-Forte-Gesamtschule die Testesser, nach deren Urteil entschieden wird, ob ein Gericht auch in den Speiseplan der schulexternen Kunden aufgenommen wird. „Die Kinder sind sehr ehrlich“, sagt sie  und lacht. „In den meisten Fällen bekomme ich am Ausgang ein gutes Feedback“, sagt sie.

Die Schüler bringen aber auch ihre Ideen ein, die Stephanie Flieg in den Speiseplänen berücksichtigt. Und so landen alle sechs Wochen Currywurst mit Pommes oder auch mal türkische Pizza zum selbst belegen darauf. „Ich bin dagegen, auf so etwas komplett zu verzichten. Es geht vielmehr darum, in Maßen zu genießen. Das bringe ich den Schülern auch im Unterricht bei.“ Und damit hält sie auch die älteren Schüler bei Laune, die sie sonst an die Imbissbude verlieren würde.

Am Montag nach den Ferien wird Stephanie Flieg erst einmal ein Versprechen einlösen, das sie einer Schülerin gegeben hat: Die Sechsklässlerin hat sich Tortellini mit Tomatensoße gewünscht. Und die soll sie bekommen.

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