Gutes Beispiel In diesem Start-Up schaffen Väter die Balance zwischen Job und Familie

Düsseldorf · Jan Thiel gründete 2015 mit Freunden eine Agentur für VR-Produktionen. Das Motto: Kreativ ist nur, wer privat auf nichts verzichten muss.

 Die Väter Malte Maars, Christoph Bucher und Jan Thiel (v.l.) schaffen es, Familie und Job zu vereinbaren.

Die Väter Malte Maars, Christoph Bucher und Jan Thiel (v.l.) schaffen es, Familie und Job zu vereinbaren.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Wenn Jan Thiel über seine Arbeit spricht, werden die Sätze länger, die Anglizismen häufiger und die Atmung schneller. 2015 gründete er mit weiteren „VR-Evangelists“ das Start-Up „A4VR“ , eine Agentur für Virtual-Reality-Produktionen. Der 44-Jährige und sein Team kreieren Welten, die es nicht gibt, in die Menschen aber dank VR-Brille eintauchen können. Ein Job, der den Machern einiges abverlangt – vor allem Kreativität. „Da gibt es diesen Moment des Flows. Wenn du komplett drin bist in deinem Tunnel“, versucht Thiel zu erklären, „solche Momente schaffst du nicht, wenn du mit deinen Gedanken nicht 100 Prozent bei der Sache bist, sondern zu Hause beim kranken Kind oder deiner Frau, die du eigentlich unterstützen willst.“

Die Unternehmensphilosophie ist deshalb: Nur wenn die Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen, sind sie auch kreativ. Und Spaß an der Arbeit hat nur der, der sich im Privatleben nicht beschnitten fühlt, keine Angst hat, dem Chef zu sagen, dass er sich ums kranke Kind zu Hause kümmern muss oder ein wichtiges Fußballspiel des Juniors besuchen will.

Jan Thiel hat eine dreieinhalb Jahre alte Tochter, seine Frau erwartet im September das zweite Kind. Die meisten der 20 Männer im Unternehmen sind Väter. Für die Gründer, die sich in ihrer beruflichen Vergangenheit alle unabhängig voneinander für die VR-Brille begeistern konnten, war klar: Wenn sie gemeinsam ein Unternehmen starten wollen, muss es klappen. „Und der wichtigste Aspekt dabei ist: eine gutes Arbeitsklima herzustellen“, sagt Thiel. Das schaffen die Gründer, deren Start-up mittlerweile auf 25 Personen angewachsen ist, vor allem mit gegenseitigem Vertrauen. „Jeder kann sich die Arbeit einteilen. Natürlich gibt es gemeinsame Besprechungen, aber wenn deine Arbeit gemacht ist, kannst du nach Hause gehen“, sagt Thiel und hält kurz inne. „Oft ist es aber so, dass einige noch hier bleiben, ein paar Rollenspiele machen oder wir mit den Familien hier grillen.“ Heimarbeit sei aus Gründen der Datensicherheit mittlerweile nur noch selten möglich.

Wenn das Kind mal krank sein sollte, ist das Verständnis der Kollegen da. „Das sollte ja eigentlich nicht der Rede wert sein: Wenn dein Kind krank ist, bleibst du zu Hause, bis es wieder gesund ist. Wir machen hier keine OP am offenen Herzen. Uns stirbt niemand unterm Computer weg, wenn du mal nicht kommen kannst.“ Und auch bei Betreuungsengpässen sei es kein Problem, das Kind mit an den Arbeitsplatz zu nehmen. „Wenn du dann gerade was machen musst, passt halt der Kollege kurz auf. Wir haben zwar keine Hüpfburg oder Kletterwand. Aber was zum Malen und jede Menge Eltern, die sich freuen, kurz übernehmen zu dürfen.“

Unter den fünf Frauen im Unternehmen, ist nur eine Mutter. Die einzige Teilzeitkraft bei A4VR. „Franzi hat einen eineinhalb Jahre alten Sohn und wir wollen ihre Stelle mit dem Kleinen wachsen lassen und sie sukzessive zu einer Vollzeitstelle auszubauen“, sagt Thiel. „Sie bringt ihr ganzes Verantwortungsgefühl auch ins Team mit ein. Es ist einfach nur absolut zu begrüßen, junge Mütter einzustellen.“ Elternzeit hat bisher noch niemand im Unternehmen genommen. Vielleicht weil die Mitarbeiter auch ohne formal beantragte Familienzeit nichts vermissen und Beruf und Familie in Balance halten. „Es macht so viel Spaß, Ideen zu entwickeln und umzusetzen“, schwärmt Thiel. „Darauf eine längere Zeit verzichten, will vielleicht auch niemand so richtig.“

Aktuell arbeitet die „Agency for Virtual Reality“ an einem VR-Erlebnis über Clara und Robert Schumann. Einen Vorgeschmack auf die „Experience“ gibt es noch bis 8. Juni im Rahmen des Schumann-Festes in der Tonhalle – vor oder nach den Konzerten. Besucher können in Sesseln Platz nehmen, die Brille aufsetzen und ins Düsseldorf des 19. Jahrhunderts eintauchen. Im Herbst wird dann eine 20-minütige virtuelle Reise möglich sein. Wann genau und wo steht noch nicht fest.

Jan Thiel brennt für dieses Projekt. Unterm Strich sei es aber auch „nur ein Job“. Einer, der immer viel Spaß mache und auf den er nicht mehr verzichten wolle. „Jeder Vater weiß aber, dass Familie das Allerwichtigste ist.“

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