Fachkräftemangel in Kitas Erziehermangel in Düsseldorf: Träger vermittelt Wohnungen und hilft beim Studium

Düsseldorf · Karina Szymanski steht kurz vor dem Abschluss ihrer Erzieher-Ausbildung. Jetzt will sie studieren und hätte sich aus Kostengründen einen neuen Job suchen müssen. Um sie zu halten, hat ihr Arbeitgeber SKFM jedoch einiges getan.

 Karina Szymanski mit ihren Kindern aus der „grünen Gruppe“ in der Kita St. Bruno in Unterrath. Die 22-Jährige wird auch nach ihrer Ausbildung in der Einrichtung bleiben.

Karina Szymanski mit ihren Kindern aus der „grünen Gruppe“ in der Kita St. Bruno in Unterrath. Die 22-Jährige wird auch nach ihrer Ausbildung in der Einrichtung bleiben.

Foto: Ines Arnold

Heute ist wieder einer dieser Tage. Das Personal ist knapp, einige Erzieherinnen haben sich krank gemeldet. Ein Virus geht rum. Wie so oft halten die übrigen Erzieherinnen in der Kita St. Bruno in Unterrath die Stellung – auch Karina Szymanski. Die 22-Jährige steht kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung, in der kommenden Woche steht noch die mündliche Prüfung an. Wie es danach weitergeht, weiß sie auch schon – und der Gedanke daran lässt sie aufatmen. „Ich bin froh, dass ich auch nach meiner Ausbildung in dieser Kita bleiben werde“, sagt sie. Das stand zunächst auf der Kippe. Und zwar nicht, weil der Arbeitgeber sie nicht übernehmen wollte - im Gegenteil. In Zeiten unbesetzter Stellen und fehlender Fachkräfte ringt auch der Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM) um jeden Erzieher.

Karina Szymanski möchte ab Oktober berufsbegleitend studieren. „Das hätte ich mir aber zuzüglich der Spritkosten nicht leisten können, wenn ich in Düsseldorf weiter gearbeitet hätte“, sagt die Duisburgerin. Sie wollte auf ein wohnortnahes Jobangebot im Ruhrgebiet zurückgreifen, um das Studium realisieren zu können. Ihr Arbeitgeber aber lenkte ein: Er wird der jungen Erzieherin das Studium zur Hälfte finanzieren, wenn sie dem Träger in Düsseldorf die Treue hält.

Mehr als zwei Jahre dauert das Studium „Sozialpädagogik und Management“ in Köln. Monatlich fallen knapp 400 Euro Studiengebühren an, die der SKFM zur Hälfte übernimmt. Um Karina Szymanski auch über die Studiendauer hinaus zu halten, gibt es eine klare Regelung zur Rückerstattung: Nach zwei weiteren Jahren Anstellung beim Träger – nach Abschluss des Studiums – sind alle Rückzahlungsverpflichtungen getilgt. Steigt Szymanski vorher aus, muss sie den Betrag anteilig zurückzahlen.

Es ist das erste Mal, dass der SKFM ein solches Angebot macht. Der Fachkräftemangel erfordere ein Umdenken der Arbeitgeber. „Wir müssen überlegen: Was können wir als Träger tun, um Fachkräfte zu gewinnen oder eben auch zu halten“, sagt Vorstandsvorsitzender Heinz-Werner Schnittker. Und auch, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Der SKFM hat deshalb aktuell fünf bezahlbare, innenstadtnahe Wohnungen angemietet, die er seinen angehenden oder ausgebildeten Erziehern vermitteln kann. Der Gedanke, der dahintersteckt: „Günstigen Wohnraum in Düsseldorf zu bekommen, ist enorm schwierig. Die meisten Wohnungen sind teuer, mit einem Erziehergehalt kaum zu bezahlen“, sagt Schnittker. Für viele sei allein das ein Grund, von einer Stelle in Düsseldorf Abstand zu nehmen. „Jetzt haben wir eine Handvoll Wohnungen reserviert, die bezahlbar sind.“ In seinen Stellenausschreibungen wirbt der SKFM neben der Aussicht auf einen Kita-Platz fürs eigene Kind, der finanziellen und zeitlichen Unterstützung bei einem weiterführenden Studium und der Unterstützung bei Umzugskosten nun also auch mit dem Bonus, bezahlbaren Wohnraum vermitteln zu können. „Es ist einen Versuch wert“, sagt Schnittker.

Mittlerweile werben Headhunter auch Erzieher ab

Aktuell fehlen in den acht Kitas des SKFM ganze sieben Erzieher. Auch andere Träger spüren den Fachkräftemangel, der sich immer weiter zuspitzt. Zuletzt sorgte die Nachricht, dass nun sogar schon Headhunter mitmischen und Erzieher abwerben, bei den Trägern in Düsseldorf für Wirbel (die WZ berichtete). Eine Zeitarbeitsfirma stellte einem jungen Mann die Finanzierung eines berufsbegleitenden Studiums und einen Dienstwagen in Aussicht. „Vielen jungen Erziehern fehlt die Weiterbildungsperspektive“, glaubt Schnittker.

Dabei spiele auch der finanzielle Aspekt eine Rolle, wenn auch nicht mehr die zentrale. Das Erziehergehalt ist in den vergangenen Jahren angehoben worden. Eine Erzieherin mit zwei Jahren Berufserfahrung verdient rund 40 000 Euro im Jahr. „Die hohe gesellschaftliche Bedeutung, die der Frühförderung heutzutage zukommt, drückt sich in diesem Gehalt aber immer noch nicht aus“, meint Schnittker. Als Einrichtungsleitung mit zwei Jahren Erfahrung erhöht sich das Gehalt auf bis zu 65 000 Euro. „In den kommenden Jahren gibt es auch auf dieser Position einen Generationenwechsel. Wir brauchen also auch da Nachwuchs“, sagt der SKFM-Vorstand. Nach ihrem Studium und weiteren Jahren Berufserfahrung sei Karina Szymanski die perfekte Kandidatin für solch eine Stelle.

Insgesamt haben sich laut Schnittker die Anforderungen an den Erzieherberuf und die Rahmenbedingungen in den Kitas stark verändert. Der Personalmangel führe zur körperlichen und psychischen Belastung der verbliebenen Erzieher. „Es werden zwar immer weitere Kitas gebaut, aber das Personal fehlt“, sagt Schnittker. Die Gruppen seien größer geworden, die Altersstruktur der Kinder habe sich geändert. Die vielen jungen Kinder müssten gewickelt, die Arbeit umfangreich dokumentiert werden. „Politisch müsste das Thema viel intensiver angegangen werden.“

Zumindest in Sachen Wahrnehmung habe sich gesellschaftlich einiges getan. Das Bild von Erziehern, die Kaffee trinken und nebenbei Kinder bespaßen, sei geradegerückt worden. Durch die zunehmende Diskussion über den Erziehermangel, sei der Blick auf deren Arbeit geschärft und korrigiert worden.

„Das Wichtigste ist und bleibt aber, dass sich die Kinder wohlfühlen“, sagt Karina Szymanski. Und das auch, wenn die Gruppe personell unterbesetzt und die Woche für die übrigen Erzieher mal wieder besonders anstrengend war. Die Zuneigung der Kinder sei die größte Wertschätzung in diesem Job.

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