Skurrile Szenen von Tänzern und Geigern

Spannungsvolle Uraufführung des Tanzstücks „We need fiction“ im Weltkunstzimmer.

Symbolbild

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Foto: Sergej Lepke

Gefühle, Stellungnahmen, Situationen und Begegnungen ergeben eine Kettenreaktion impulsiver Momente in dem neuen Tanzstück der Choreografin Chikako Kaido. „We need fiction“ heißt das Werk, das jetzt im Weltkunstzimmer an der Ronsdorfer Straße uraufgeführt wurde.

Eine klare Handlung gibt es nicht, obwohl sich aus der Choreografie Szenen herauskristallisieren. Im Zentrum steht ein Solotänzer, Milos Sofrenovic, der nicht nur tanzt, sondern auch im reinsten Bühnen-Englisch philosophisch angehauchte Texte um Erduldung und Zufügung von Leid, dem Erleben von Liebe und dem Ende der Welt als dem Ende aller Bedürfnisse rezitiert.

Freilich wird mehr getanzt als gesprochen, und der verbal angerissene Themenkomplex findet sich bildhaft in der Choreografie wieder. Jeder Gestus wirkt bedeutungsvoll, auch wenn die Aussage nicht immer ganz deutlich wird. Gelegentlich mag man sich als Zuschauer fühlen wie in einem Labyrinth der Bedeutungen, die mitunter Rätsel aufgeben.

Realismus will Chikako Kaido auch gar nicht zeigen. „In einer Welt, die so viel über Information läuft, brauchen wir mehr Fiktion“, heißt es im Programmheft. Die ganze Performance wirkt hoch emotional. Dazu trägt auch die Musik bei. Geiger Naoki Kita hat für das Tanzstück die Musik komponiert — für Violine solo. Tänzer und Geiger sind meist gleichzeitig auf der Bühne zu erleben und beflügeln sich gegenseitig.

Tanz und Musik verzahnen sich zu einem gemeinsamen Ausdruck wie im klassischen Ballett. Während der Tänzer den Raum abschreitet und mit dem Finger aufs Publikum zeigt, streicht der Geiger auf der Violine Passagen, die so etwas wie Panik ausdrücken. Es kommt aber auch zu kuriosen Konstellationen: Tänzer und Geiger sitzen an einem runden Tischchen, und der Tänzer versucht dem kurzhaarigen Musiker Stäbe auf dem Kopf zu befestigen, was nicht gelingt. Er selber, ein Langhaariger, steckt sich die Stäbchen dann als Haarnadeln in seine Mähne.

Das Stück ist für Überraschungen gut — bis zuletzt. Die rund 80 Minuten (ohne Pause) ziehen sich allerdings steckenweise, da es der Choreografin nicht gelingt, einen tragfähigen Spannungsbogen aufzubauen — trotz der formidablen Leistungen von Tänzer und Geiger. Andererseits gibt es mehrere starke Szenen, durch die der Betrachter immer wieder in Bann gezogen wird.

„We need fiction“ ist noch einmal zu erleben: am heutigen Samstag, 20 Uhr, im Weltkunstzimmer, Ronsdorfer Straße 77a. Weitere Informationen unter Telefon 7331518

weltkunstzimmer.de

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