Jahreswechsel 2021/22 in Düsseldorf Neujahrsnacht wirft Debatte auf

Düsseldorf · In der Altstadt feierten in der Silvesternacht tausende Menschen den Jahreswechsel. Die Polizei musste einschreiten. Ein Polizist starb.

 Trotz Ansammlungsverbot: Tausende Menschen befanden sich in der Silvesternacht am Rheinufer auf engstem Raum.

Trotz Ansammlungsverbot: Tausende Menschen befanden sich in der Silvesternacht am Rheinufer auf engstem Raum.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Trotz des Ansammlungsverbots haben tausende Menschen in der Altstadt Silvester gefeiert. Ohne Masken und Abstände wurde am Rheinufer dicht gedrängt bei milden Temperaturen der Jahreswechsel bejubelt. In der Neujahrsnacht waren vor allem jugendliche Besucher in großen Gruppen in der Altstadt unterwegs. Vor den Kiosken bildeten sich Schlangen. Tausende genossen ihr Büdchen-Bier oder den Schluck aus der mitgebrachten Sektflasche. Die Freitreppe am Burgplatz war so voll wie seit Monaten nicht mehr. Gegen Mitternacht wurden aus der johlenden Menge heraus Raketen abgeschossen und Böller in die Menge geworfen. Die Polizei, meist in kleineren Trupps von sechs bis acht Beamten unterwegs, versuchte das zu verhindern, was aber nicht in allen Fällen gelang. Viele Kneipen waren geöffnet, Discos und Clubs blieben geschlossen.

Kritik kommt aus den Fraktionen, die im Rat in der Opposition sind. Martin Volkenrath, ordnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, war von den Bildern der Silvesternacht entsetzt. Was sich auf der Freitreppe abgespielt habe, sei „Rock ‘n‘ Roll mit engstem Kontakt“ gewesen. „Dass solche Bilder aus der Landeshauptstadt in die Welt gehen, finde ich peinlich. Es ist ein Versagen des Oberbürgermeisters und seiner Verwaltung“, sagt Volkenrath. Für den Sozialdemokraten passen Kellers Ansprüche und die Wirklichkeit nicht zusammen, wenn der Oberbürgermeister (OB) eigentlich für eine Null-Toleranz-Strategie stehen möchte, es dann aber trotzdem zu solchen Szenen kommt. „Früher war dann immer der OB Thomas Geisel schuld, heute ist es der Polizeipräsident“, sagt Volkenrath. Bei den Bildern müsse sich aber die Stadt den Vorwurf einer fehlenden Planung gefallen lassen.

Das schätzt Andreas Hartnigk, ordnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, anders ein. „Als Jurist befasse ich mich häufig mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der ist hier mit dem richtigen Augenmaß umgesetzt worden, denn am Ende ist ja nicht wirklich viel passiert. Und darauf kommt es am Ende an“, sagt der Ratsherr. Letztlich sei ein solcher Einsatz immer eine komplexe Abwägung. Einfach mal mit zwei Hundertschaften Polizei anzurücken oder den Ordnungsdienst jede noch so kleine Übertretung eines Ansammlungsverbots ahnen zu lassen, könne kontraproduktiv sein.

So sieht es auch Ordnungsdezernent Christian Zaum (CDU). „Ordnungsdienst und Polizei haben besonnen und erfolgeich reagiert.“ Dass 70 OSD-Käfte im Einsatz waren, hält der Spitzenbeamte für ausreichend. „Wir haben alles auf die Straße gebracht, was an diesem Tag möglich war. Und das Ergebnis gibt uns Recht: Bilder wie aus dem Sommer gab es nicht, ebenso wenig eine Massenböllerei oder größere Schlägereien.“ Kritik übt Zaum am Land: Dass das Ansammlungsverbot erst am 30. Dezember über eine neue Corona-Schutzverordnung nachgeschärft worden sei, „war nicht hilfreich“.

Davon, lieber gleich auf offenbar kaum zu kontrollierende Vorgaben wie ein Ansammlungsverbot zu verzichten, hält Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) nichts. „Wir verzichten auch nicht gleich auf alle Ampeln, nur weil ein paar Verkehrssünder über Rot fahren“, sagt die Ratsfrau. Die Vorgänge in der Neujahrsnacht bereiten ihr Sorgen. „Wenn wir größere Ansammlungen in der erweiterten Altstadt untersagen, muss erkennbar sein, dass wir dieses Verbot auch tatsächlich durchsetzen wollen, sonst nehmen die Regelverletzer uns und den Rechtsstaat am Ende nicht mehr ernst“, sagt die liberale Frontfrau. Neben dem Ordnungsdienst sieht sie dabei auch Polizeipräsident Norbert Wesseler in der Verantwortung. Die Polizisten gingen seit Monaten ans Limit und würden zusätzlich durch die Anti-Corona-Demonstrationen enorm gefordert. „Aber solange an der Spitze der Düsseldorfer Beamten kein anderer das Sagen hat, fehlt es eben auch an einer neuen und durchgreifenderen Strategie für Tage, an denen die Altstadt unter Druck gerät“, sagt Strack-Zimmermann. Dagegen betont Grünen-Fraktionssprecher Norbert Czerwinski: „Wichtig ist das Gesamtziel eines Einsatzes. Es kann im Zweifel nicht darauf ankommen, jeden noch so kleinen Übertritt tatsächlich auch zu ahnden.“

„Die Altstadt ist ein öffentlicher Raum, dessen Besuch nicht grundsätzlich verboten werden kann, und besitzt zu Silvester eine hohe Anziehungskraft“, sagte ein Sprecher der Stadt. Es habe keine erkennbaren Verabredungen zu unzulässigen Ansammlungen gegeben. Diese seien „immer wieder dynamisch durch zufälliges Zusammentreffen von Menschen an beliebten Stellen von Freitreppe und Altstadtufer entstanden“, so die Stadt. Daher sei das Vorgehen der Ordnungskräfte, durch Ansprachen Abstände wieder herstellen zu lassen und nur gegen massivere Störungen einzuschreiten, ein „angemessenes Mittel“.

In drei Fällen wurde wegen des Verstoßes gegen das Ansammlungsverbot Anzeige erstattet. 17 Männer wurde wegen Urinierens in der Öffentlichkeit angezeigt. Vereinzelt wurde der Einsatz von Feuerwerkskörpern beobachtet, ohne einen Verursacher ermitteln zu können. Eine Person wurde am Burgplatz mit sechs Raketen angetroffen.

„Wir hatten viel zu tun und eine intensive Einsatzlage bis in die frühen Morgenstunden“, sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei schritt ein und wies mit Lautsprecherdurchsagen auf die Einhaltung der Sicherheitsabstände und das Böllerverbot hin. Zudem gab es neun Verstöße gegen das erst vor kurzem verhängte Waffenverbot. Die Stimmung sei nicht besonders aggressiv gewesen. Sexualdelikte an Frauen seien keine angezeigt worden, berichtet die Polizei. Allein in der Altstadt wurden 130 Personen kontrolliert. 83 erhielten einen Platzverweis und mussten die Stadt verlassen. 22 landeten im Gewahrsam. Aufgrund von Schlägereien wurden 29 Strafanzeigen wegen Körperverletzung gestellt. Insgesamt 27 Mal wurde ein Taschendiebstahl angezeigt.

Gegen 22.15 Uhr erreichte die Einsatzleitung die Nachricht, dass ein 53-jähriger Polizist auf der Neustraße ohnmächtig zusammengebrochen sei. Der Beamte wurde in ein Krankenhaus eingeliefert. Dort starb er in der Nacht. Die Ermittler gehen von einem internistischen Notfall aus.

(top/mit dpa)
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