"Sein Blick war mörderisch" - Wahrsagerin als Zeugin vor Gericht

Ihre Vorahnungen gefielen anscheinend nicht jedem. Vor sieben Monaten wird Wahrsagerin „Esmeralda“ in Düsseldorf überfallen und grausam zugerichtet. Ärzte retten ihr Leben. Am Freitag begann der Prozess gegen ihren mutmaßlichen Peiniger - mit skurrilen Zügen.

Die Düsseldorfer Hellseherin Esmeralda J. sitzt im Landgericht während des Prozessauftakts wegen versuchten Mordes an ihr.

Die Düsseldorfer Hellseherin Esmeralda J. sitzt im Landgericht während des Prozessauftakts wegen versuchten Mordes an ihr.

Foto: Maja Hitij

Düsseldorf (dpa). „Sein Blick war mörderisch. Ich habe gesehen, dass er etwas mit mir vor hatte.“ Zagorka J. (68) ist Wahrsagerin. Unter dem Namen „Esmeralda“ legt sie ihren Kunden in Düsseldorf die Karten. Doch ihre Vorahnungen kosteten sie vor sieben Monaten fast das Leben. Ein 44-jähriger Kölner soll sie an ihrer Wohnungstür überfallen und mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt haben.

In diesem Zimmer des Hauses an der Jahnstraße deutet die Wahrsagerin ihren Kunden die Zukunft.

In diesem Zimmer des Hauses an der Jahnstraße deutet die Wahrsagerin ihren Kunden die Zukunft.

Foto: Melanie Zanin

Nun sitzt sie als Zeugin in Saal E.122 des Düsseldorfer Landgerichts - wenige Meter von ihrem mutmaßlichen Peiniger entfernt - und muss die Wahrheit sagen. Der breitschultrige, muskulöse Mann auf der Anklagebank trägt eine weiße Trainingsjacke mit großen goldenen Buchstaben: „Germany“. Er ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Sein Verteidiger beantragt sogleich, das Verfahren einzustellen. Der öffentliche Druck auf das Gericht lasse kein faires Verfahren erwarten. Die Wahrsagerin habe nach der Tat mit ihren Prophezeiungen die Boulevardpresse zu Vorverurteilungen verleitet.

Messerattacke auf Wahrsagerin: Ihre Vorahnungen kosteten sie fast das Leben
7 Bilder

Messerattacke auf Wahrsagerin: Ihre Vorahnungen kosteten sie fast das Leben

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Doch das Gericht unter Vorsitz von Rainer Drees lehnt den Antrag ab. Davon werde man sich nicht beeindrucken lassen, versichert er. Während der Anwalt von den dunklen Vorahnungen der Wahrsagerin spricht - der Täter werde auf der Flucht erschossen - verfinstert sich prompt der Gerichtssaal. Gemurmel bricht aus, doch Richter Drees glaubt nicht an übersinnliche Kräfte, sondern an bereits bekannte Probleme mit der Lichtanlage. Dann nimmt „Esmeralda“ auf dem Zeugenstuhl Platz.

Ihre Webseite wirbt damit, Partnerschaften „mit Hilfe von weißer Magie“ zusammenzuführen. „Seriöses Kartenlegen und Lebensberatung“ sei ihr Geschäft, sie „liest auch aus dem Kaffeesatz“. Ein Mann sei als Kunde bei ihr erschienen: Seine Freundin hatte ihn wegen eines anderen Mannes - des Angeklagten - verlassen. Zu späteren Terminen habe er die Frau mitgebracht, aber sie habe in den Karten für die Dame weder mit dem alten, noch mit dem neuen Mann eine gemeinsame Zukunft gesehen. „Ich habe etwas Negatives gesehen. Ein Mann würde versuchen, eine Frau umzubringen. Ich wusste ja nicht, dass ich das sein würde.“

Richter Drees muss die Zeugin an ihre Wahrheitspflicht erinnern, als die behauptet, sie habe „natürlich“ schon vorher gewusst, wie die abtrünnige Freundin heißt. Doch „Esmeralda“ kann es nicht lassen: Als der Richter ankündigt, er werde nun eine Leinwand aus der Decke fahren, um Tatortfotos zu zeigen, sagt die 68-Jährige: „Ich weiß schon.“ Die Wahrsagerin soll der Frau empfohlen haben, den neuen Freund ebenfalls zu verlassen, doch „Esmeralda“ bestreitet dies - ihre Prognose sei allerdings negativ gewesen. Eine Weile danach hätten die Drohungen begonnen: Anrufe, SMS. „Hör auf mit der Magie. Ich mach dich fertig. Du hast keine Zukunft mehr“, habe es geheißen.

Sie habe das nicht ernst genommen, sagt „Esmeralda“. Aber Ende Mai vergangenen Jahres habe es geklingelt und leider habe sie keine Gegensprechanlage. Der Mann mit Kapuze und Brille habe sie wegen besagter Vanessa sprechen wollen. Doch sie habe seinen „bösen Blick“ gesehen und ihn abgewiesen: „Da lag ich auch schon auf dem Boden, er hat mich getreten und gestochen. Es ging alles so schnell - und dann lag ich drei Tage im Koma.“

Plötzlich ist es mit „Esmeraldas“ Redefluss vorbei: Als sie auf die Folgen des blutigen Geschehens zu sprechen kommt („Ich bin physisch und psychisch kaputt.“), wird sie von einem Weinkrampf geschüttelt. Der Prozess muss unterbrochen werden.

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