Open-Air-Event der Düsseldorfer Theater Sechs Theater auf einer Bühne im Ehrenhof

Düsseldorf · Ein Düsseldorfer Kulturkonsortium der besonderen Art feierte spielte open air. Und das gleich sechs Mal nacheinander.

 Auf Stühlen und Picknickdecken konnten jeweils 200 Zuschauer das Programm bei den insgesamt sechs Aufführungen im Ehrenhof verfolgen.

Auf Stühlen und Picknickdecken konnten jeweils 200 Zuschauer das Programm bei den insgesamt sechs Aufführungen im Ehrenhof verfolgen.

Foto: Zanin/Melanie Zanin

Es war ein bisschen so wie auf einer Party, auf der Fingerfood gereicht wird: Ein Häppchen hiervon. Ach, diese Delikatesse nehme ich gern auch noch. Jede Leckerei, so sehr sich die Speisen auch voneinander unterschieden, schmeckte köstlich. In diesem Fall ging es freilich nicht um Gaumenfreuden, sondern um einen lange vermissten Kulturgenuss: Was sechs Düsseldorfer Bühnen, wegen Corona aus der Not geboren, auf die Beine gestellt haben und mehrfach am Samstag und Sonntag open air im Ehrenhof präsentierten, war nicht nur variantenreiche Unterhaltung. Sondern machte Lust auf mehr.

Ende einer 14-wöchigen „Sinnkrise“ der Theatermacher

Eben das war auch die Absicht dieses Düsseldorfer Kulturkonsortiums. Zu zeigen, dass man nach monatelanger Epidemie-bedingter Abstinenz noch da ist. Und der Appell: Kommt wieder, im  Herbst starten wir wieder mit unseren neuen Programmen. Deutsche Oper, Schauspielhaus, Forum Freies Theater (fft), Kom(m)ödchen, Tanzhaus und Theater an der Kö zeigten in jeweils 15-minütigen Auftritten, was sie drauf haben. Das war nicht nur kurzweilig, sondern führte Zuschauern, die vielleicht auf nur eine Form der Bühnenkunst abonniert sind, vor Augen und Ohren, was da links und rechts ihres Bühnenfavoriten in ihrer Stadt noch geboten wird. Und wohin man auch mal sehr gut gehen könnte. Wer die Bewegungen eines durchtrainierten Tänzers bewundert, kann sich doch auch über zotiges Boulevardtheater schütteln und dann wieder staunend einer Opernsängerin lauschen.

Insgesamt sechs Mal am Samstag und Sonntag in jeweils gut 100-minütigen Vorstellungen moderierten René Heinersdorff vom Theater an der Kö und Stefan Fischer-Fels, künstlerischer Leiter des Jungen Schauspiels, ganz offensichtlich spaßgetrieben das Programm. Vor jeweils 200 Zuschauern, deren Tickets zum Teil zum Sitzen auf Holzstühlen, zum Teil auf Picknickdecken auf dem Rasen des Ehrenhofs berechtigten. Manch einer hatte sich seine  Getränke mitgebracht zu diesem Schönwetter-Event, das, so Heinersdorff, ein „sommerliches Lebenszeichen der Theater“ sein sollte. Beide Veranstaltungstage seien innerhalb von zweieinhalb Stunden ausverkauft gewesen, und so konnten insgesamt 1200 Menschen das bunte Programm genießen.

„Das nährt bei uns die Hoffnung, dass die Menschen nach dem Lockdown im März besondere Lust auf Theater haben und sich freuen, dass es wieder losgeht“, freute sich Heinersdorff.  Für die Theatermacher sei es eine 14-wöchige „tiefe Sinnkrise“ gewesen, ergänzt Fischer-Fels: „Wir haben euch vermisst, ruft er ins Publikum.“ „Und nicht nur euer Geld“, ergänzt später Martin Maier-Bode vom  Kom(m)ödchen.

Von der Opernarie bis zum Schenkelklopfer

Los geht es im Programm mit Paul Davis Newgate, der seinen kraftvollen Tanzstil gewissermaßen passend zur Saison mit wechselnden Masken präsentiert. Das von ihm hier vertretene Tanzhaus will am 27. August wieder seine Türen öffnen.

Fünf Künstler und Künstlerinnen des Jungen Schauspiels, das am 6. September wieder eröffnen will (Fischer-Fels: „Das ist so geil“),  präsentieren danach vor dem mitwippenden Publikum drei Songs aus der Inszenierung „Antigone“. Rap und Spoken-Word-Kunst, wie es neudeutsch für Sprechgesang heißt.

Und dann wird es wunderbar klamaukig. Als Jochen Busse, Hugo Egon Balder und Marianne Rogée für das am 28. August wieder eröffnende Theater an der Kö eine weitgehend sinnfreie Szene zunächst  in ihrer Vor-Coronaversion spielen. Und sie danach in einer hygienepolitisch korrekten Form präsentieren wollen. Theaterchef-Heinersdorff („Wir sind die Spezialisten der Belanglosigikeit“) zeigt auf, wie schwierig das ist. Wie könne etwa ein Liebespaar jetzt noch unter einer Decke liegen? So verfolgen die Zuschauer hoch amüsiert, wie das Stück improvisatorisch an die Corona-Etikette angepasst wird. Wie Liebesschwüre statt in der Bar nur noch bei einem Zoom Meeting möglich sind. Wie für amouröse Treffen wegen der Reisewarnungen nur noch der Graf-Adolf-Platz in Frage kommt. Brachialhumor, aber lustig.

Und dann wird es stimmgewaltig. Heinersdorff kündigt Valerie Eickhoff und Jorge Espino aus dem Opernensemble an mit der Bemerkung: „Wenn die bei den Namen nicht singen können, dann weiß ich es auch nicht.“ Und sie können. Anders als bei der Operngala am Freitag im Autokino müssen sie nicht gegen Windschutzscheiben ansingen. Sie dürfen in leibhaftige und bewundernde Zuschauergesichter blicken, als sie eine Arie und ein Duett aus dem Barbier von Sevilla präsentieren. Man spürt, wie das auch den Opernstars Freude bereitet, die ihre  reguläre Arbeit wieder am 12. September  aufnehmen. Für Zuschauer, die sich keine ganze Oper antun mögen, ist dieser kleine Leckerbissen auch mal was Feines.

Fein ist das Stichwort. Feinen Humor präsentieren Maike Kühl, Heiko Seidel, Martin Maier-Bode und Daniel Graf vom Kom(m)ödchen, das ab 1. September wieder seine Bühne in der Altstadt nutzen will. Wunderbar die Persiflage auf die Fernsehtalkshows, die monatelang das Corona-Thema geschwätzig auspressten. Die Kabarettisten demaskieren das verbale Klingenkreuzen von Politikern und Wissenschaftlern bis zur völligen Sinnfreiheit.

Die Perfomance-Gruppe des fft (Wiedereröffnung am 8. September)  fasziniert mit verblüffenden Tonexperimenten, bevor der musikalische Rauswerfer des Open-Air-Programms folgt. Das Schauspielhaus (vier Premieren innerhalb von 14 Tagen ab 3. September)  spielt an diesem Tag kein Theater, sondern muntert zum Ende des Kulturpotpourris die Zuschauer mit einem stimmungsvollen  Medley auf. Hits zum Mitsingen. Das mit seinem Applaus um Zugabe bettelnde Publikum wird von Heinersdorff enttäuscht. Seine nur formal korrekte Begründung: „Am Theater gibt es keine Zugabe.“

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