Schule: Jahrelang Unterricht geschwänzt

3000 Jugendliche boykottieren regelmäßig und häufig die Schule. Sie brauchen mehr als Mathe und Deutsch.

Düsseldorf. Manchmal genügt ein Streit mit Freunden, um eine Lawine an Verweigerung auszulösen. Lena und Susanne (alle Namen von Jugendlichen geändert) sind in einen solchen Strudel geraten. Private Probleme, Scheidung der Eltern, Heimaufenthalte, da wird einem der Alltag leicht zu viel. Drei Jahre ist Susanne (heute 15) nicht mehr zur Schule gegangen, Lena (16) ein Jahr.

Unter den Schulschwänzern hat sich längst eine Kategorie etabliert, deren Unterrichtsboykott mit gewöhnlichem Blaumachen nichts zu tun hat. Ende der 90er Jahre hat ein Düsseldorfer Schulrat bei einer Untersuchung festgestellt: 3000 Jugendliche bleiben allein in Düsseldorf häufig beziehungsweise regelmäßig dem Unterricht fern.

"Das gleicht man nicht mal eben so aus", sagt Michael Fischer. "Das Schwänzen hat das Leben der Jugendlichen geprägt." Fischer kennt sich aus. Er leitet die Martin-Luther-King-Schule und ist Vorsitzender des Vereins "Rather Modell - Hilfen für Schulverweigerer". Der Verein, der bereits seit 13 Jahren existiert, hat sich zum Ziel gesetzt, Jugendlichen wie Lena und Susanne wieder ins geregelte Leben zurück zu helfen - 70 Prozent schaffen es sogar.

An vier Standorten ist das Rather Modell in der Stadt vertreten. Nach einem Umzug wurde gestern eine neue Örtlichkeit an der Bogenstraße in Oberbilk eingeweiht. Träger ist hier die Awo, deren Mitarbeiter nun mit maximal 20 Teilnehmern mehr Jugendliche als am alten Standort betreuen können. Insgesamt bietet das Rather Modell 120 Plätze, auf der Warteliste stehen 15 bis 20 Anwärter.

Der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück. Dann geht es in den Unterricht, später in die Werkstatt. Alle müssen täglich und möglichst pünktlich erscheinen. Für regelentwöhnte Jugendliche wie Susanne, die seit Winter 2007 dabei ist, ist das erstaunlicherweise kein Problem. "Es ist hier anders, ich fühl’ mich hier nicht wie in der Schule, sondern wie unter Freunden."

Auch Mario (15), der schon in der sechsten Klasse monatelang dem Unterricht fern blieb, lässt sich auf das neue Leben ein. "Die Lehrer helfen einem auch bei privaten Problemen. Wenn man den Kopf mal voll hat, dann muss man nicht Deutsch machen, sondern kann handwerklich arbeiten. Das bringt mehr."

Solche Worte gehen Regierungsschuldirektor Karl-Heinz Saueressig runter wie Öl. Er hat das Rather Modell in zwei Garagen in Rath gegründet und stets betont: "Schule ist nicht nur Mathe und Deutsch, sie muss Kindern Verlässlichkeit bieten."

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