Schüler treffen Holocaust-Überlebende und deren Enkel

Bewegende Begegnungen im Landtag mit einer klaren Botschaft: „Wer Zeitzeugen trifft, wird selbst zum Zeugen“.

Gita Koifman weiß, wann es keine Worte, sondern einfach ihre Arme braucht. Als eine Schülerin erzählt, wie andere Jugendliche aus ihrer Klasse Witze über Juden gemacht haben, und viele heftige Tränen weint, eilt die 78-Jährige um den riesigen Konferenztisch und drückt das Mädchen fest an sich, solange, bis Taschentücher wieder helfen.

Diese Szene war der bewegendste Moment in einer Woche der besonderen Begegnungen. Holocaust-Überlebende und ihre Enkel sind aus Israel nach Düsseldorf gereist, haben viele junge Menschen getroffen, waren im Rathaus zu Gast und nun auch im Landtag. Beim Gesprächsforum „Erinnerungskultur und Antisemitismus“ trafen sie Schüler aus dem ganzen Bundesland.

Welchen Stellenwert der Besuch hat, verdeutlichte Landtagspräsident André Kuper. Er unterbrach seinen Urlaub und kehrte nach Düsseldorf zurück, um die Delegation zu treffen. „Es ist für uns hier in Deutschland alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass Überlebende der Shoa aus Israel zurückkommen in das Land der Täter, um mit uns über diese schreckliche Zeit zu sprechen.“ Kuper zitierte den israelischen Schriftsteller und Nobelpreisträger Elli Wiesel und verdeutlichte den jungen Menschen, welche Chance in dem Treffen liegt: „Wer einem Zeitzeugen begegnet ist und zugehört hat, wird selber zum Zeugen.“

Stefan Zahnsinger, bei dem zwei der Gäste aus Israel wohnen, verdeutlichte mit einem persönlichen Erlebnis, was der Landtagspräsident damit meint. Als junger Mann habe er in Israel Urlaub gemacht und in einem Café gesessen, als ihm jemand auf die Schulter tippte. Als er sich umdrehte, sah er einen alten Mann, der seinen Ärmel hochkrempelte und ihm seine Nummer aus dem KZ zeigte. „Der Mann sagte zu mir: Ihr seid zu jung, um Schuld zu haben, aber ihr habt eine Verantwortung: Vergesst uns nicht.“ Er habe den Mann nicht vergessen und für ihn sei wichtig, dass es neben den offiziellen Gedenktagen vor allem die Freundschaften zwischen beiden Ländern gebe, sagte Zahnsinger.

Eben damit traf er den Kern des Ziels, das sich der Verein „Brücke Düsseldorf-Haifa“ gesetzt hat, der die Gäste aus Israel eingeladen hatte. Der Verein organisiert Begegnungsreisen, Seminare, Tagungen und unterstützt Schulpartnerschaften. Eine solche pflegt beispielsweise das Freie Christliche Gymnasium mit einer arabischen und einer jüdischen Schule in Düsseldorfs Partnerstadt Haifa.

Die 13-jährige Michelle Evensteijn, die mit ihrer Großmutter nach Düsseldorf gereist ist, berichtete den anderen Jugendlichen, wie Erinnerungskultur in ihrem Land gelebt wird. In den Klassen 9 und 10 fahren alle Schüler nach Polen und gehen zur Stelle, an der das Ghetto war. Sie treffen Überlebende und schreiben eine Arbeit über ihre Erlebnisse. „Am Holocaust-Gedenktag ertönt bei uns eine Sirene. Für zwei Minuten bleiben dann alle stehen, erheben sich und neigen das Haupt, um an die Shoa zu erinnern.“

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