„Scheiße bauen: Sehr gut“ — Ein Plädoyer für Inklusion

Tobias Steinfeld lässt seinen ersten Roman in einer Förderschule spielen. Mit gutem Grund.

„Scheiße bauen: Sehr gut“ — Ein Plädoyer für Inklusion
Foto: Melanie Zanin

Paul ist 14 Jahre alt und besucht ein Gymnasium. Obwohl er faul ist, kommt er hier irgendwie zurecht. Doch plötzlich macht ihm seine Faulheit einen Strich durch die Rechnung. Als er versäumt, sich einen Platz für ein Praktikum zu suchen, muss er dieses an einer Förderschule absolvieren. In dem Romandebüt „Scheiße bauen: Sehr gut“ begleitet der Leser Paul nicht nur bei seinem plötzlichen Rollenwechsel, er bekommt auch Einblick in eine Welt, die den meisten Menschen fremd ist: die Förderschule. Autor Tobias Steinfeld, der mit dem Roman debütiert, schöpft bei seiner Geschichte über den Alltag an der Förderschule aus eigener Erfahrung. Der 34-Jährige arbeitete als Inklusionshelfer an Förderschulen und lernte eine Welt kennen, die vielleicht weniger einbezogen wird, als ihr Name vermuten lässt.

An seinem ersten Tag an der Förderschule hält man Steinfelds Hauptfigur Paul jedoch für Per, den neuen Schüler. Paul beschließt, die Rolle anzunehmen, immerhin hat er wenig Lust darauf, Sabber abzuwischen oder Windeln zu wechseln. Schnell merkt Paul, dass er mit seinen Vorurteilen gegenüber der Förderschule und ihren Schülern hier nicht weit kommen wird.

„Das Thema Förderschule wird zwar oft diskutiert, aber die wenigsten haben je eine gesehen“, sagt Steinfeld. Der Charakter Paul kommt aus einer Welt, in der ein Förderschüler ein Außenseiter ist. Deshalb dreht Tobias Steinfeld den Spieß um. Pauls Welt wird auf den Kopf gestellt und plötzlich ist er der Außenseiter. Entgegen seinen Erwartungen entpuppt sich die Förderschule für Paul schnell als interessanter Ort. Der Schulalltag, den er bisher kannte, ist hier ganz anders. Er schließt neue Freundschaften, erlebt Abenteuer und, wie es der Titel vermuten lässt, baut Scheiße.

Steinfeld erzählt humorvoll von einer Parallelwelt, die grundlegende Fragen aufwirft, wenn man wie Paul plötzlich mittendrin ist. Was ist eigentlich normal und was nicht? „Die Strukturen der Schulwelt werden aufgebrochen, um zu zeigen, dass die Trennung von Schülern nicht unbedingt der Idee der Inklusion dient.“ Trotzdem ist ihm wichtig, dass sein Roman in erster Linie unterhaltsam ist: „Ich möchte meine Leser in eine ganz neue Welt werfen und sie zum Staunen bringen. Die Leser sollen sich unterhalten fühlen.“

Der in Osnabrück geborene Autor, der jetzt in Düsseldorf lebt, weiß aus eigener Erfahrung, dass das Schulsystem mit seinen verschiedenen Schulformen vor allem Grenzen setzt. In den Schreibworkshops, die Tobias Steinfeld für Jugendliche anbietet, erfährt er aus erster Hand, dass Schüler sich nicht selten eingeschränkt fühlen. „Schüler von allen Schulformen können wunderbar zusammenarbeiten und tun dies auch instinktiv. Aber sobald die Schule, die besucht wird, dich definiert, sinkt die Kreativität und die Unvoreingenommenheit“, sagt Steinfeld. Nicht selten schämten sich Förderschüler für ihre Schule. Dabei ist Steinfeld überzeugt, dass Schüler aus allen Schulformen voneinander profitieren können.

„Förderschulen haben zwar ihre Berechtigung, doch sie trennen die Schüler auch von der restlichen Welt und erschweren ihnen so, später als Erwachsene Teil von ihr zu werden“, so Steinfeld. Die Inklusionsdebatte ist mit der Schule meist abgeschlossen, doch was ist danach? Man müsse ihnen das Gefühl geben, dabei zu sein, findet der Schriftsteller. Er könnte sich vorstellten, dass eine andere Herangehensweise auch ganz andere Möglichkeiten böte: „Man müsste Orte schaffen, an denen zumindest die räumliche Trennung aufgehoben wird.“ Wenn er an Schulen aus seinem Buch liest, trifft er auf großes Interesse von den Schülern, die oft gar nicht wissen, dass diese andere Welt existiert. Mit seinem Roman will er das ändern. Empfohlen für Leser ab zwölf Jahren.

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