Unterwegs auf der Linie S6 in Düsseldorf S-Bahnhöfe: Das tägliche Ertragen des Drecks

Der Zustand einiger S-Bahnhöfe ist sehr schlecht. Die WZ ist die Linie S 6 abgefahren.

Unterwegs auf der Linie S6 in Düsseldorf: S-Bahnhöfe: Das tägliche Ertragen des Drecks
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. S-Bahnhof Oberbilk um 8 Uhr morgens. Der Zugang zum Gleis, ein übel riechender, über und über mit Graffiti besprühter Tunnel, verbindet die zwei Vorplätze der Station. Plakate säumen den Weg durch den lichtarmen Gang, von denne Wrestler angriffslustig herabblinzeln, dem Sänger Maxim wurde ein Hakenkreuz auf die papierne Stirn gebrannt. Von der Mitte des Tunnels führt eine Treppe zum Bahnsteig hinauf.

Hier wird es ernst für manchen Magen am Morgen. Auf den unteren fünf Stufen liegen die blutigen Kanülen zweier Spritzen und die Plastikkappen, umrandet von Blutflecken. Eine Mutter hat ihren zwei Jahre alten, schreienden Sohn hüfthoch unter den Arm geklemmt, mit der anderen Hand bugsiert sie den Kinderwagen die Treppe hinunter. Sie sieht sieht die Spritzen nicht, läuft durch die Hinterlassenschaften, die nackten Füße ihres Kleinen schweben nicht weit darüber.

So sehen Düsseldorfs Bahnhöfe aus
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Oben am Gleis steht Matthias May und liest ein Buch. Er wartet auf die S 1 nach Solingen, wo er arbeitet. „Manchmal rümpfe ich die Nase, besonders abends“, sagt er. „Dann riecht es da unten wirklich nach Ammoniak.“

Nächste Station: Düsseldorf Volksgarten. Der Bahnsteig ist in die Jahre gekommen, Wetterhäuschen gibt es keine. Heute strahlt die Sonne auf das Arrangement aus Beton, Gleisen und Müll. Die Mülleimer quellen über, zwischen Bahntrassen hat sich eine bunte Schneise aus Weggeworfenem gebildet. Vom Zugwinde verweht. Zwei große Säcke mit der Aufschrift „Aufbausalz“, das für gewöhnlich Tieren zugefüttert wird, stechen heraus aus dem kleinteiligen Stillleben.

Vom Treppenzugang weht ein starker Urin-Geruch zum Bahnsteig hoch. Gleich neben der Treppe, am Ticketautomaten, flucht ein junger Mann im Anzug. Dann schluckt die Maschine seinen Fünf-Euro-Schein doch noch. „Der Ticketentwerter ist in 50 Prozent der Fälle kaputt, die Lücke zwischen Bahnsteig und Bahn ist riesig, alle Anzeigetafeln wurden entfernt und die Hinweise darauf mittlerweile auch“, sagt er im Vorbeigehen, als er zu seiner Bahn hastet. „Und Uhren gibt es auch nicht!“, ruft er noch, kurz bevor er einsteigt.

Nach dem Hauptbahnhof kommt auf der Linie S 6 die Haltestelle Wehrhahn. Dass die zu den bereits erneuerten Stationen gehört, lässt das Gefühl vermuten, zum ersten Mal richtig einatmen zu können. Die Anzeigen funktionieren auch hier nicht. Ansonsten hat der Bahnsteig fast etwas Großzügiges. Sehr offen gelegen in der großen Bahntrasse entlang der Toulouser Allee wirkt er im Vergleich fast freundlich, mit dem hellen Fußboden, den gläsernen Wetterhäuschen. Der Eindruck hält sich jedoch nur während de ersten Blicks und verschwindet spätestens in dem Augenblick, als ein Fahrgast seinen Kopf aus der S 11 Richtung Bergisch Gladbach steckt und auf den Bahnsteig speit. Die Türen piepsen, der Kopf verschwindet, weiter geht die Fahrt. Der Mageninhalt bleibt.

„Ich fürchte ja, Bahnhöfe sind immer unschön“, sagt der Berufspendler Michael Stier. Er wartet auf der Bank in einem der neuen Wetterhäuschen auf seine Bahn und blättert in der Zeitung. Zu seinen Füßen ist der graue Steinboden von Kaugummi und Spucke dunkel verfärbt. „An mir selber merke ich, wie man sich mit der Umgebung abgibt. Die Alternative wäre jetzt, zu stehen. Ich setze mich also hier auf die Bank und ignoriere den Boden.“

Eine Station weiter, am Zoo, hat Fahrgast Peter Dübbert eine Vermutung, wieso es an Bahnhöfen oft so auffallend unappetitlich aussieht. „Das hat wahrscheinlich etwas mit der Broken-Windows-Theorie zu tun. Sobald eine Sache kaputt ist lassen die Leute sich gehen und das Ganze kommt noch mehr herunter.“

Natallia Resch ist gebürtige Weißrussin, sie fährt regelmäßig von der Haltestelle Zoo zum Goetheinstitut um ihr Deutsch zu verbessern. Sie lebt in Düsseldorf mit ihrem Mann und dem sieben Jahre alten Sohn Ignat. „Als Ignat zum ersten Mal hier an der Haltestelle war sagte er: Was, das ist der Zoo? So hässlich?“, erzählt die Mutter lachend. Sie selbst findet die Station aber „völlig in Ordnung.“ Die Anzeigen, Aufzüge und Durchsagen würden funktionieren. Darauf käme es schließlich an.

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