Interview Bahnfahrer: „Die Fahrgäste der U 76 sind sehr angenehm“

Düsseldorf · Mümün Bayir fährt seit sechs Jahren die Strecke. Er sagt, warum die Kunden hier vielleicht etwas entspannter sind. Ein Interview.

Rheinbahnfahrer Mümün Bayir fährt seit sechs Jahren die Strecke zwischen Krefeld und Düsseldorf.

Rheinbahnfahrer Mümün Bayir fährt seit sechs Jahren die Strecke zwischen Krefeld und Düsseldorf.

Foto: Lepke, Sergej (SL)

Seit acht Jahren ist Mümün Bayir als Fahrer bei der Rheinbahn beschäftigt, seit sechs Jahren steuert er auch die U 76 von Düsseldorf nach Krefeld und zurück. Wir haben den 44-Jährigen, der in Mühlheim geboren wurde und dort mit seiner Familie und drei Kindern wohnt, auf der Fahrt begleitet.

Herr Bayir, wann hat Ihr Dienst begonnen und wie lief der Tag bis jetzt?

Mümun Bayir: Meine Ausfahrt war um 4.51 Uhr am Betriebshof Heerdt zur Moskauer Straße/Handelszentrum. Hier beginnt in Düsseldorf die Strecke der U 76. Um 5.22 Uhr ging es ab Düsseldorf Hauptbahnhof los. Es lief alles gut.

Jetzt ist es aber 11.36 Uhr, wir fahren nun ab Heinrich-Heine-Allee von Gleis 1 statt Gleis 3 und mit gut zehn Minuten Verspätung nach Krefeld. Es ist Ihre vierte Tour. Was war los?

Bayir: Ja, es gab ein Ereignis. Ich hatte eine hilflose Person im Fahrzeug. Zwei nette junge Männer haben mich auf den Mann aufmerksam gemacht. Er wollte eigentlich nach Lohausen. Ich habe mir den Herrn dann angeschaut, er ist wohl dement.

Wie haben Sie reagiert?

Bayir: Ich habe ihn dann bis zur Endhaltestelle Rheinstraße in Krefeld mitgenommen und die Leitstelle verständigt. In der Zwischenzeit haben wir erfahren, dass der Mann in Düsseldorf vermisst wurde. Die Krefelder Polizei hat sich dann um ihn gekümmert und ihn wieder in die Einrichtung nach Düsseldorf gebracht. Ich bin dann in Krefeld mit einer Verspätung von gut zehn Minuten losgefahren.

Was hatte das für Auswirkungen?

Bayir: Ich musste im U-Bahnhof der Heinrich-Heine-Allee das Kehrgleis für eine Kurzwende nutzen, und deshalb ging es von dort nicht wie gewohnt von Gleis 3, sondern Gleis 1 wieder zurück nach Krefeld.

Sprechen Sie mit den Rheinbahnkunden über diese Störungen?

Bayir: Ja, ich mache Durchsagen, erkläre aber auch den Kunden, die mich beim Einstieg oder Ausstieg ansprechen, was passiert ist. Damit sie sich nicht ärgern. 99 Prozent der Verspätungen haben Umstände, die wir nicht kontrollieren können. Das sind Unfälle, Krankentransporte, Personen, die Hilfe brauchen.

Waren Sie selbst auch schon in Unfälle verwickelt?

Bayir: Ich hatte bislang nur leichte Blechschäden, meist verursacht durch Autofahrer, die verbotenerweise links abgebogen sind. Toi, toi, toi nichts Schlimmes.

Wenn alles gut läuft, wie lange brauchen Sie für die 22,7 Kilometer lange Strecke mit 28 Haltestellen?

Bayir: In der Regel sind das 44 Minuten. Bei den meisten Fahrten schaffen wir das auch.

Läuft alles nach Plan, haben sie an der Krefelder Haltestelle Rheinstraße eine 20-minütige Pause. Was tun Sie dann?

Bayir: Die Bahn hat ja zwei Triebköpfe und ich wechsel dann den Fahrerarbeitsplatz. Ich laufe dabei durch die Bahn, schaue, ob niemand etwas liegen gelassen oder beschädigt hat. Oder auch, ob alle Kunden ausgestiegen sind.

Passiert das schon mal, dass jemand einfach sitzen bleibt?

Bayir: Ja, manche Kunden bekommen die Endhaltestellen nicht mit, weil sie Kopfhörer tragen. Andere haben zu viel getrunken, sind eingeschlafen. Denen nähere ich mich dann vorsichtig von hinten, wahre einen Sicherheitsabstand und wecke sie.

Wie gefällt Ihnen eigentlich die Endhaltestelle mit dem gläsernen Dach an der Rheinstraße, die ja in diesem Jahr saniert werden musste?

Bayir: Das ist ein sehr schönes Design, sie ist sehr angenehm anzufahren, lichtdurchflutet.

Doch schon wenige Meter weiter auf dem Ostwall, kommt die Fahrt in Richtung Düsseldorf ins Stocken, weil zu viele Autofahrer hier die Gleise blockieren.

Bayir: Ja, eine eigene Fahrspur für den ÖPNV wäre schon ein Traum.

Wie schnell können Sie auf der gesamten Strecke überhaupt fahren?

Bayir: Das kommt auf die Situation an. Zwischen 20 und 30 Kilometern in der Stunde etwa an der Baustelle des Hochbahnsteiges am Luegplatz und 80 km/h auf der freien Strecke hinter Haus Meer.

Fahren Sie eigentlich nur auf der U 76?

Bayir: Nein, jeden Tag auf der selben Linie, das wäre langweilig. Der Dienstplan entscheidet, der soll gerecht sein. Ich fahre auch auf der U 75 und der U 74.

Doch gibt es etwas Besonderes auf der U 76?

Bayir: Früher war es der Bistrowagen. Das hatte schon eine besondere Atmosphäre. Da gab es auch mal einen Kaffee für den Fahrer. Ich weiß, dass viele der mehr als 28 000 Pendler am Tag das Angebot vermissen.

Was ist sonst noch für die Strecke charakteristisch?

Bayir: Ich empfinde die Fahrgäste auf dieser Linie als sehr angenehm. Das ist ein Gefühl, aber man merkt es auch. Ich glaube, auch die Überlandfahrt macht alles entspannter.

Was schätzen Sie daran?

Bayir: Ich mag es, im Winter hier auch verschneite Felder zu sehen oder den Sonnenaufgang außerhalb der Stadt zu erleben.

Sie haben vor acht Jahren bei der Rheinbahn angefangen, warum?

Bayir: Ich hatte von Bekannten gehört, dass Fahrer gesucht wurden. Ich war damals selbständig, wollte einen sicheren Beruf.

Und, sind Sie zufrieden mit Ihrer Entscheidung?

Bayir: Ja, sehr. Wir haben zwar den Schichtbetrieb, aber wir sind flexibel, man kann Überstunden machen, wenn man möchte. Wir haben einen sozialen Arbeitgeber, der einen aber auch fördert. Es ist wie in einer großen Familie.

Wie sehen Ihre Schichten aus?

Bayir: Ich mache alle, Früh-, Mittel-, Spät- und Nachschicht. Wir arbeiten 160 Stunden im Monat, mal sieben Tage hintereinander und dann drei Tage frei. Der Dienstplan steht zehn Tage vorher fest. Wir bekommen aber ebenfalls ein Jahr zuvor ein Zeitfenster für unsere Arbeitszeit und können gut planen.

Es fällt auf, dass sich die Rheinbahnfahrer, wenn Sie sich auf einer Strecke begegnen, immer grüßen. Warum?

Bayir: Ja, der Kollegengruß gehört zum guten Ton dazu. Auf den U-Bahnlinien kenne ich auch fast alle Düsseldorfer Kollegen. Die SWK-Kollegen in Krefeld grüßen wir natürlich auch.

Haben Sie private Bezüge zu Düsseldorf und Krefeld?

Bayir: In Düsseldorf lebt meine Schwägerin, da gehe ich nach der Arbeit schon mal raus oder gerne einkaufen. In Krefeld haben frühere Kollegen auf dem Ostwall ein kleines Restaurant eröffnet, da schaue ich auch schon mal vorbei.

Welche Verkehrsmittel nutzen Sie privat?

Bayir: Zur Frühschicht muss ich mit dem Auto fahren, zu späteren Schichten fahre ich ebenso mit der Bahn. Und zum Ausgleich komme ich im Sommer dann mal mit meinem E-Bike zur Arbeit.

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