Archäologie in Düsseldorf Überraschender Fund in Gerresheimer Baugrube

Gerresheim · Experten haben bei Bodenuntersuchungen für ein Bauprojekt am Alter Markt alte Fässer eines Gerbers freigelegt, die bis in das Jahr 1833 zurückreichen. Über den Umgang mit den Relikten entscheiden nun Bodendenkmalpfleger.

 In der Mitte sind die kreisrunden Umrisse der Holzfässer im Boden der Grabungsfläche erkennbar.

In der Mitte sind die kreisrunden Umrisse der Holzfässer im Boden der Grabungsfläche erkennbar.

Foto: Planum1 GmbH

Bei der Vorbereitung eines geplanten Bauvorhabens am Alter Markt in Gerresheim sind Archäologen auf mehrere riesige Holzfässer gestoßen, die senkrecht in den Boden eingelassen waren. Bereits unmittelbar nach der Entdeckung stand die Vermutung im Raum, dass es sich bei den Fässern um Relikte einer Gerberei handeln könnte. Trotz der vorab durchgeführten Recherchearbeiten im Altkartenmaterial war der Fund dennoch eine echte Überraschung.

Jedoch ließ die Lage im direkten Umfeld zur Basilika St. Margareta und dem Quadenhof die Archäologen und die Bodendenkmalpflegerinnen des Instituts für Denkmalschutz und Denkmalpflege im Bauaufsichtsamt zunächst an der Interpretation zweifeln. Gerber produzieren Leder aus rohen Tierhäuten.

Gerbereien erzeugten durch die Verarbeitung von Fleisch eine intensive Geruchsbelästigung, die nach heutigem Verständnis im Umfeld einer Kirche kaum vorstellbar ist. Allerdings wurden die Archäologen eines Besseren belehrt.

Pillebach versorgte die Gerberei mit notwendigem Wasser

Aus einem Umriss von 1830 konnte der Name des einstigen Grundstückeigentümers ermittelt werden. Der Gerresheimer Historiker Peter Stegt fand heraus, dass es sich bei dem Eigentümer um Caspar Körfgen von Gerresheim handelte. Im offiziellen Adressbuch für Rheinland-Westphalen aus dem Jahre 1833 wird Körfgen als sogenannter Rotgerber geführt.

Zu Beginn erfolgte die Produktion von Leder in Eigenbedarf, so Stegt. Erst in einer späteren Phase entwickelten sich spezialisierte Handwerker, die als Rot-, Weiß- oder Sämischgerber, je nach Gerbstoff, bezeichnet wurden. Die Grundvoraussetzung für die Inbetriebnahme einer Gerberei war das Vorhandensein eines Fließgewässers, in dem die Häute in mehreren Schritten gespült und für den Prozess vorbereitet wurden.

Der Bedarf an großen Wassermengen konnte durch den Verlauf des Pillebachs erfüllt werden. Die Produktion des Leders erfolgte in mehreren Arbeitsschritten. Zunächst wurden die Tierhäute von Fleisch und Fettresten befreit. Danach erfolgte die Lockerung der Haare mithilfe von Pottasche oder Kalkmilch in speziellen Äschergruben, in die sie mehrere Tage eingelegt wurden.

Nach der Entfernung der Haare erfolgte der eigentliche Gerbungsprozess in Lohgruben. Dabei handelt es sich um in den Erdboden eingetiefte Behältnisse, in denen die Häute in einem Extrakt aus Hölzern, Blättern, Rinde und spezifischen Baumfrüchten, verbleiben konnten.

Eben diese Lohgruben werden in Form der großen Fässer am Alter Markt in Gerresheim archäologisch fassbar. Auch wenn die Baumaßnahme es nicht erlaubt, die Relikte im Boden zu erhalten, eröffnen die archäologische Dokumentation und ihre spätere wissenschaftliche Auswertung neue Erkenntnisse und spannende Einblicke in die Wirtschaftsgeschichte Gerresheims zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Auf der Fläche soll
Wohnraum entstehen

Wie der stellvertretende Bezirksbürgermeister Ingolf Rayermann (CDU) zu berichten weiß, handelt es sich bei dem Bauvorhaben um eine Hinterhofbebauung, bei der der Eigentümer des Gebäudes weiteren Wohnraum für seine Familie errichten will. „Dass man in diesem historisch bedeutsamen Denkmalbereich etwas im Boden finden würde überrascht mich nicht. Ich war da von Anfang an skeptisch und hätte besser die Finger davon gelassen“, sagt er.

Der weitere Umgang mit den Funden und die wissenschaftlichen Methoden zu ihrer Untersuchung sollen im weiteren Verlauf der Grabung gemeinsam mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland festgelegt werden.

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