Stadtteilentwicklung Raus aus der Hochschule, rein ins Viertel

Düsseldorf · Die Studierenden auf dem Campus wollen mehr Spuren im Stadtteil Derendorf hinterlassen. Noch findet ihr Leben eher parallel zu dem der Anwohner statt.

 Sie diskutieren Ideen für einen besseren Austausch zwischen den Studenten der Hochschule Düsseldorf und den Derendorfern: v.l. Dozentin Anne van Rießen, Bezirksbürgermeisterin Marina Spillner sowie die Studentinnen Bianca Buchheister, Antonia Wilhelmus und Laura Petzold.

Sie diskutieren Ideen für einen besseren Austausch zwischen den Studenten der Hochschule Düsseldorf und den Derendorfern: v.l. Dozentin Anne van Rießen, Bezirksbürgermeisterin Marina Spillner sowie die Studentinnen Bianca Buchheister, Antonia Wilhelmus und Laura Petzold.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Eigentlich sollte am 26. Mai eine große Stadtteil-Konferenz für alle interessierten Derendorfer stattfinden. Veranstalter wäre die Bezirksvertretung 1 gewesen. Die ist zuständig für Derendorf und seine gut 20 500 ständigen Bewohner. Doch Derendorf ist gefühlt größer, seitdem eine der größten Fachhochschulen Nordrhein-Westfalens ihren neuen Campus an der Münsterstraße bezogen hat. Die ersten Studierenden der Fachhochschule, die vor Jahren in Hochschule Düsseldorf (HSD) unbenannt wurde, kamen bereits im Frühjahr 2016 nach Derendorf. Inzwischen ist der Campus komplett, die ehemaligen Gebäude in Golzheim und Bilk sind aufgegeben. Im laufenden Semester sind gut 11 000 Studierende an der HSD eingeschrieben. Doch welchen Austausch gibt es zwischen ihnen und den Derendorfern? Wie kann sich der Stadtteil durch den Zuzug der Hochschule auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes und der Brauerei Schlösser verändern?

Veränderungen in Derendorf
als Seminarthema

Diese Frage stellte sich die Teilnehmer eines interdisziplinären Seminars des Fachbereichs Sozial- und Kulturwissenschaften sowie des Fachbereichs Architektur im vergangenen Wintersemester. Dazu luden die Studierenden von Professor Dr. Anne van Rießen (Sozial- und Kulturwissenschaften) und Professor Robert Niess als Expertin auch Bezirksbürgermeisterin Marina Spillner ein. „Die Studierenden haben ihr Projekt vorgestellt, in dem sie Ideen überlegen, mehr Studierendenleben in den Stadtteil zu bringen.“ Die SPD-Politikerin hat nicht nur durch das Seminar erfahren: „Mit dem Umzug der Hochschule nach Derendorf gab es Hoffnungen, die sich auf die Prosperität der Münsterstraße bezogen.“ Diese, so Spillner, haben sich bisher nicht realisiert. Auch die Studierenden hätten sich kritisch zur Aufenthaltsqualität rund um die Hochschule geäußert. Deshalb wollte Spillner mit der Bezirksvertretung 1 die Stadtteilpolitiker, Studierenden und Anwohner auf der erwähnten Stadtteilkonferenz miteinander ins Gespräch bringen. Doch so eine Versammlung musste in Corona-Zeiten abgesagt werden.

Befragung ergibt: Lust auf
ein jüngeres Derendorf

Die WZ hatte die Gelegenheit, mit Dozentin Anne van Rießen und drei Seminar-Teilnehmerinnen sowie Marina Spillner zu sprechen. Treffpunkt war der aktuell fast menschenleere Campus, denn auch an der HSD findet der Lehr- und Vorlesungsbetrieb seit Beginn der Sommersemesters am 20. April digital statt. Van Rießen nennt Kernpunkte, die im Seminar benannt wurden. „Die Studierenden kommen nach Derendorf, sie haben sich mit der Geschichte des Stadtteils beschäftigt. Jetzt wollen sie selbst hier Spuren hinterlassen. Denn Studieren ist mehr als ein Ankommen an der Hochschule und ein Wegkommen.“ Aber man brauche Plätze und Räume, wo die jungen Menschen und die Derendorfer sich gemeinsam aufhalten, treffen, essen, zusammenarbeiten. „Raus aus der Hochschule, rein ins Viertel“, lautet für van Rießen die Aufforderung an die Studierenden. Dafür erhofft sie sich aus dem Stadtteil Unterstützung für die jungen Menschen, „die Derendorf neues Flair geben.“

Die Studentinnen Bianca Buchheister und Laura Petzold erzählen von rund 50 Interviews, die man im Rahmen des Seminars mit Anwohnern geführt habe. „Wir hatten den Eindruck, dass alle Lust auf ein jüngeres Derendorf haben“, berichtet Buchheister. Doch sie hörte auch die Ängste. Dass der Wohnraum knapper werde und die Mieten steigen würden. Die älteren vermissen den ehemaligen Schlösser-Festsaal, viele beklagen das Kneipen-Sterben oder die Schließung des Eiscafés. Alles niederschwellige Orte, die weg sind. Und hier, so betont Dozentin van Rießen, sei es wichtig, „Räume der Gemeinschaft zu finden, gemeinsame Schnittstellen.“ Die Hochschule bietet dazu (zu normalen Zeiten) beispielsweise ein Kino an, für alle offen. Eine Schnittstelle könnte auch der Campus selbst sein, mit seinem großzügigen Außenbereich. Doch obwohl der für alle offen ist, gebe es Berührungsängste. Erst jetzt, wo die Studierenden daheim lernen müssen, beobachtet Laura Petzold, kommen mehr Anwohner, um sich hier mal an die frische Luft zu setzen.

Ein Trödel vom Campus bis zu „Le Flair“ in Erinnerung an Les Halles

Doch wie kann die Nachbarschaft zwischen Campus und Derendorfern belebt werden? Studentin Antonia Wilhelmus nennt Orte wie den Alten Schlachthof, der als „Ort der Subkultur“ geschützt werden müsse. Aber auch ein öffentliches Café mit „ordentlichen Preisen“ könnte alle zusammenführen. Die Studierenden haben zudem die Belebung der Rather Straße im Sinn, die Organisation eines Straßenfest ist hier die Idee. Und oft hat sie gehört, dass viele dem früherem Flohmarkt „Les Halles“ am Derendorfer Güterbahnhof noch nachtrauern. „Wir könnten uns als Erinnerung einen großen Trödel zwischen dem Campus und dem le Flair vorstellen.“

Bezirksbürgermeisterin Spillner hat die Ideen notiert. Finanziell unterstützen könnte die Bezirksvertretung einen gemeinsamen Stadtteil-Flyer von Hochschule und Derendorfer Geschäftsleuten und Einrichtungen für das nächste Präsenzsemester. Sie sagt: „Wir brauchen nun Derendorfer, die Lust haben, die Ideen mit umzusetzen, wenn es die Zeit wieder erlaubt.“

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