Prostitution: Brutale Gewalt auf dem Strich

Nach Köln und Dortmund baut jetzt auch Essen Sicherheitsboxen. Düsseldorf ist das Thema zu heiß.

Düsseldorf. Die Diskussion um den Straßenstrich Charlottenstraße ist so alt wie der Strich selbst. Und ergebnislos. Unter OB Joachim Erwin sollte er endlich verdrängt werden - mit massiven Kontrollen. Mittlerweile hat man auch beim Ordnungsamt eingesehen: Es funktioniert nicht, der Strich bleibt - inzwischen unter einem Mantel des Schweigens.

Mit fatalen Folgen: Laut Polizei passieren die schlimmsten Sexualdelikte der Stadt an der Charlottenstraße.

Andere Städte der Region gehen deshalb einen ganz anderen Weg: Nach Köln und Dortmund will jetzt auch Essen einen organisierten Straßenstrich mit Sicherheitsboxen anlegen. Nur Düsseldorf tut sich da schwer.

Joachim Alxnat, Leiter der Drogenhilfe, hat kürzlich die Verhaftung eines Freiers der Charlottenstraße miterlebt, der eine Prostituierte brutal missbraucht hatte. "Ein seltener Glücksfall - die meisten Übergriffe werden nicht bekannt", sagt er.

Die Drogenhilfe steht seit über zehn Jahren mit einem Bus an der Charlottenstraße. Alxnat weiß: Zu diesem Elendsstrich, auf dem vor allem drogensüchtige Frauen anschaffen, kommen gezielt herrschsüchtige, brutale Freier. Solche, die nicht auf Safer-Sex, aber auf perverse Praktiken stehen.

Auch die gesundheitliche Gefahr ist groß, sagt Peter von der Forst, Geschäftsführer der Aids-Hilfe. Und sie habe sich noch verstärkt durch den steigenden Kontrolldruck des OSD. Denn die Frauen verbergen ihr Tun sorgfältiger, sind für die Hilfsorganisationen schwerer zu fassen.

Auch die soziale Kontrolle unter den Prostituierten nehme ab, sagt Alxnat. Die Frauen stünden nicht mehr gemeinsam an der Straße, keine präge sich mehr für die andere ein Kennzeichen ein. Sie nähmen sich auch nicht mehr die Zeit, den Freier vor dem Einsteigen einzuschätzen. Zu groß das Risiko, einer OSD-Streife aufzufallen.

Drogenhilfe und Aids-Hilfe wollen einen betreuten, organisierten Straßenstrich auch in Düsseldorf. "Unter dem Aspekt der Sicherheit für die Frauen ist das auch nur zu befürworten", bestätigt Frauke Silberbach vom zuständigen Kriminalkommissariat. Obwohl die Polizei viele Straftaten gegen Prostituierte aufklären könne, sei die Dunkelziffer enorm. Doch Silberbach ist skeptisch, dass eine Verlegung von den Prostituierten akzeptiert wird.

"Bei uns ist der Umzug gelungen", sagt der Kölner Ordnungsamtsleiter Robert Kilp, der den Strich 2001 aus dem Sperrbezirk verlegt hat. Ähnliches verlautet aus Dortmund, wo der Strich Ravensberger Straße 2006 angelegt wurde: "Das hat sich bewährt", sagt Stadtsprecher Hans-Joachim Skupsch.

Das Erfolgsrezept: Anwohner, die sich über den regen Autoverkehr ärgerten, initiierten die Verlegung. Sie gingen auf die Prostituierten zu, diese suchten den Ort für den neuen Strich aus.

"Auch die Idee, neben Auto- noch Fußgängerboxen zu errichten, kam von den Frauen", erklärt Kirsten Cordes, Psychologin bei der Hilfsorganisation Kober, die den Strich betreut. Der illegale Strich in Dortmund sei eliminiert.

Wichtig ist für die Szene die Zentrumsnähe, die Frauen müssen zum Strich gelangen können. Und ihr Drogendealer muss von dort aus für sie erreichbar sein - schließlich schaffen sie meist nur für die Drogen an. Aber, so Michael Zimmermann vom Düsseldorfer Ordnungsamt, dazu muss man hier eine Bezirksvertretung finden, die den Strich unterstützt.

Überlegungen hat es gegeben. Eine mögliche Verlegung wurde im Sozialausschuss schon vor Jahren diskutiert - ohne Folgen. Von einem "vielschichtigen Problem" und "überhaupt keiner Einigkeit" berichtet der Vorsitzende Wolfgang Janetzki (CDU). Selbst bei den Grünen ist das Thema offenbar ein zu heißes Eisen.

"Ich halte diese Diskussion in Düsseldorf für schwierig", sagt Antonia Frey (Grüne). Drogenhilfe, Aids-Hilfe und andere sind indes bereit, Organisation und Betreuung zu übernehmen. Peter von der Forst: "Wir brauchen nur grünes Licht von der Stadt."

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