Plus 65 Prozent: Immer mehr Senioren verunglücken

Statistisch sterben bei Unfällen jedes Jahr 6,4 Ältere. Die Stadt will gegensteuern.

Düsseldorf. Zuerst eine Kampagne gegen Fußgängerunfälle, jetzt folgt eine gegen Radlerunfälle — 250 Plakate hängen in der Stadt bereits, die auf Gefahren für die Radfahrer hinweisen. Martin Vonstein, Leiter der Direktion Verkehr im Polizeipräsidium, brachte es bei einem Forum zum neuen Verkehrsentwicklungsplan jetzt so auf den Punkt: „Man stirbt in Großstädten nicht mehr im Auto, sondern vor dem Auto.“

Dennoch ist der Trend etwa bei den Kinderunfällen über die vergangenen 15 Jahre positiv: Die Unfallzahlen sind seit 1998 um 39 Prozent zurückgegangen. Ganz anders aber sieht es aus bei den Senioren: Die Unfallzahl stieg im gleichen Zeitraum um 65 Prozent. „Da muss man genauer hinschauen“, so Vonstein.

Die Ursache für die starke Zunahme der Unfälle ist laut Verkehrsdezernent Stephan Keller zumindest teilweise einfach zu erklären: Wie das veränderte Mobilitätsverhalten, das Umsteigen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zu einem Anstieg der Zusammenstöße mit Radlern führt, so führt der demografische Wandel und somit die steigende Zahl von älteren Düsseldorfern auch zu mehr Seniorenunfällen.

Dennoch: In den vergangenen zehn Jahren starben pro Jahr im Schnitt 6,4 Senioren auf Düsseldorfs Straßen. Und diese Zahl ist Stadt und Polizei deutlich zu hoch.

Laut Polizeisprecher Jochen Schütt ist ein eigenes Schwerpunktprogramm für die Sicherheit der Senioren nicht geplant. Die Maßnahmen zugunsten von Fußgängern und Radfahrern berücksichtigten die Bedürfnisse älterer Menschen automatisch — etwa flächendeckende Tempo-Kontrollen. Bei der Stadt will man sich jetzt aber auch gezielt der Senioren annehmen. „Man überlegt in diese Richtung“, sagt Volker Paulat vom Amt für Kommunikation, „aber es gibt noch keine konkreten Maßnahmen.“

Laut Roland Hahn vom Amt für Verkehrsmanagement hat die Stadt in den vergangenen Jahren schon viel getan, um die Stadt insbesondere für Fußgänger übersichtlicher zu machen. Wo es möglich ist, seien wie an der Kölner Straße Mittelinseln gebaut worden. An schmaleren Straßen hingegen „vorgezogene Seitenräume“: Der Gehweg wurde etwa an der Lorettostraße, der Volmerswerther und der Schulstraße so verbreitert, dass Fußgänger besser an parkenden Autos vorbei die Fahrbahn einsehen können.

Diese Maßnahmen hält Umweltpsychologe Kai Lenßen für „sehr, sehr sinnvoll“. Denn für Senioren gelte vieles, was man auch bei Kindern beachten müsse: eine schlechtere Wahrnehmung von Gefahren, langsame Reaktionen, verzögerte Verarbeitung von Reizen, schlechteres Einschätzen von Geschwindigkeiten. „Sehr gefährlich sind deshalb auch widersprüchliche Signale“, sagt Lenßen.

Ein typisches und immer wieder diskutiertes Beispiel seien Fußgängerübergänge mit Bahnen in der Mitte: Häufig zeigten dort die Ampeln auf beiden Seiten der Fahrbahn Grün — aber in der Mitte geht plötzlich das Blinklicht an, weil eine Straßenbahn kommt. „Das gibt es an etwa 200 Stellen in Düsseldorf“, so Lenßen — etwa an der Kettwiger Straße und der Kölner Landstraße.

Zu tun gibt es aus Expertensicht demnach noch genug für die Planer. Und manchmal muss man auch eine ganz neue Brille aufsetzen, wenn man den Verkehr seniorentauglich machen will: Laut Kai Lenßen ist der aktuelle Trend, Radler auf der Fahrbahn mitfahren zu lassen, weil das angeblich sicherer ist, mit Blick auf die Älteren sogar gefährlich: „Sie schwenken auf dem Fahrrad mehr aus und brauchen deshalb mehr Platz.“ Deshalb eigne sich das Fahren auf der Straße für Senioren nur, sofern es dort einen eigenen, breiten Radstreifen gebe.

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