Besuche Pflegeverbände in Düsseldorf: Minister Laumann hat uns überrumpelt

Es gibt Kritik an den vermeintlich unvorbereiteten Öffnungen der Einrichtungen zu Muttertag. Nicht jeder Besuch hinter Plexiglas sei ein Gewinn.

 Weniger gewollt, als von der Politik suggeriert? Das sagen die freien Wohlfahrtsverbände in Düsseldorf über Pflegeheimbesuche hinter Plexiglas.

Weniger gewollt, als von der Politik suggeriert? Das sagen die freien Wohlfahrtsverbände in Düsseldorf über Pflegeheimbesuche hinter Plexiglas.

Foto: David Young

Am Mittwochmorgen um 10 Uhr besucht Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ein Caritas-Heim in Heerdt. Der Minister wolle, so heißt aus der Presseabteilung seines Ministeriums, ein Bild davon gewinnen, wie die ersten Besuche in den wieder geöffneten Pflegeheimen abgelaufen sind. Womöglich wird der Termin in Heerdt für den Minister nicht nur gemütlich. Denn zum Tag der Pflege am Dienstag hat die „Liga Wohlfahrt Düsseldorf“ als Arbeitsgemeinschaft mit Arbeiterwohlfahrt, Caritasverband, Paritätischem Wohlfahrtsverband, Deutschem Roten Kreuz, Diakonie und Jüdischer Gemeinde sehr deutlich gemacht, dass man sich von der Politik mit der schnellen Öffnung zum Muttertag unter Hochsicherheitsvorkehrungen schlicht überrumpelt gefühlt hat.

„Was das für die Träger und Pflegekräfte bedeutet hat, steht in keinem Verhältnis“, kritisierte DRK-Einrichtungsleiterin Sandra Palm. „Das hätte alles weitsichtiger passieren müssen. Man geht ja nicht zum Autokauf, hier müssen Menschen begleitet und vorbereitet werden.“ Bert Römgens von der Jüdischen Gemeinde, Leiter des Nelly-Sachs-Hauses, sah auf diese Weise „das Engagement der Pfleger zur Seite geschoben“, die zuvor über digitale Mittel wie Smartphone, Tablets und Skype Kontakt zu Angehörigen ermöglicht hätten. „Die schnelle Öffnung war politisch gewollt und gesteuert.“ Gut angekommen ist sie bei jenen, die sie umsetzen müssen, offenbar nicht.

Zumal das in der Praxis offenbar weniger enthusiastisch aufgenommen wurde, als politisch suggeriert. Vielfach sei die Bereitschaft, Verwandte hinter Plexiglas als „Besuch mit Handicap“ zu treffen, nicht sonderlich hoch bei den Bewohnern – und digitale Mittel die bessere Wahl. Zudem sei die vom Ministerium vorgegebene Besuchs-Maximaldauer von zwei Stunden „illusorisch“, wie Palm sagt. Die Besuche müssten annähernd „eins zu eins“ begleitet werden, maximal 40 Minuten seien möglich. Am Muttertag habe das Seniorenzentrum in Wersten 21 Besuche koordinieren müssen – mit Hygiene-Vorschriften, telefonischen Absprachen und akuter Durchführung. Dazu kämen Besuche von Bettlägerigen mit Vollschutz. Palm meint: „Es ist doch klar, dass dafür andere Angebote für Bewohner liegen bleiben. Alles geht nicht.“

Wann kommt der Corona-Bonus
in Nordrhein-Westfalen?

Denn auf eines legen alle Verbände der Liga wert: Nicht allein der Verwandtenbesuch mache das Leben in den Einrichtungen lebenswert, dieses Bild sei fälschlich in der jüngsten Debatte entstanden. „Auch in den noch geschlossenen Einrichtungen gab es Freude und ein großes Miteinander“, sagt Eike Eisenwiener, Interimspflegedienstleitung der Arbeiterwohlfahrt. Dass Pflege inzwischen als „systemrelevant“ betrachtet wird, entlockt den Beteiligten nur noch ein Lächeln. Umso drängender sei es, sagt Römgens, dass jetzt der Corona-Bonus komme und die NRW-Landesregierung ihr Drittel zu dieser Erklärung des Bundes und „nicht zu Lasten der Träger“  beitrage: „Dass es da noch immer in NRW keinen Vorschlag gibt, dafür fehlt mir jedes Verständnis.“ Eine Sonderzahlung für Pflegekräfte von bis zu 1000 Euro in 2020 hatte der Bund in Aussicht gestellt. 

Dass auch darüber hinaus Pflegekräfte mehr Geld verdienen müssten, glauben alle. Dann allerdings müsste der Gesellschaft Pflege aber „mehr wert“ sein, findet Henric Peeters, Vorsitzender der Caritas in Düsseldorf – sei es über mehr Beiträge zur Pflegeversicherung oder Steuern. „Wer A sagt, muss auch B sagen. Ich bin dafür, irgendwann sind wir alle auf Pflege angewiesen“, sagt Peeters, der als Sprecher der Liga nicht nur für den Pflegeberuf warb, sondern auch deutlich machte, dass in Düsseldorf Platz für den Ausbau von weiteren notwendigen Angeboten fehle. Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hatte dazu einen Pflegegipfel angekündigt, die Verbände warten aber noch darauf. „Die Stadt soll auf uns zukommen und uns Grundstücke zeigen. Dann machen wir das“, kündigte Peeters an.

Dadurch, dass neue Einrichtungen nur maximal 80 Plätze und einzig Einzelzimmer haben dürfen, wie von der damaligen Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) festgelegt wurde, sei es nicht einfacher geworden. Unter Steffens-Nachfolger Laumann kann diese Zahl inzwischen zwar erhöht werden – Bedingung aber dafür ist, dass die Betreiber in gleicher Zahl Kurzzeitpflegeplätze schaffen. Klar ist: In Düsseldorf führen die Einrichtungen längere Wartelisten, selbst wenn die Interessenten in Corona-Zeiten ob vermeintlicher Infektionsgefahr vorsichtiger zu sein scheinen. Peeters sagt: „Es ist vor allem schwierig, von jetzt auf gleich in Düsseldorf einen Pflegeplatz zu finden.“

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