Corona-Krise Pfleger aus Düsseldorf: „Ihr seid wie Kinder, die ihre Grenzen testen“

Düsseldorf · „Wir bleiben hier, bleibt ihr für uns zu Hause.“ Dieser Appell von Pflegepersonal ging um die Welt. Auch Felix (Name geändert) ist einer dieser Helfer. Er arbeitet in einem Düsseldorfer Krankenhaus und fühlt sich zurzeit nicht ernst genommen.

 Auch das Team der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik in Essen appelliert mit dem Spruchband „Wir bleiben für euch da! Und ihr bitte zu Hause!“ an die Bevölkerung.

Auch das Team der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik in Essen appelliert mit dem Spruchband „Wir bleiben für euch da! Und ihr bitte zu Hause!“ an die Bevölkerung.

Foto: dpa/-

Wenn Felix (Name geändert) Dienstschluss hat, geht er auf direktem Weg nach Hause. Ein bisschen verschnaufen, die Anspannung sacken lassen, auf andere Gedanken kommen. Einen Umweg macht er dennoch nicht. Er weiß, dass er aktuell als Pflegekraft unentbehrlich ist und reduziert deshalb das Risiko, draußen mit Menschen in Kontakt zu kommen auf ein Minimum. „Einkaufen muss ich aber trotzdem. Und wenn man dann vor leeren Regalen steht, weil egoistische Menschen Hamsterkäufe gemacht haben, ärgert man sich dann doch sehr“, sagt er.

Bei seiner täglichen Arbeit mit immungeschwächten Menschen spürt er die Unsicherheit der Angehörigen. „Die Menschen haben Angst, das ist ja auch verständlich. Aber jeder sollte sich darauf besinnen, das Richtige zu tun und nicht panisch zu werden“, sagt er. Auch in seinem Krankenhaus seien Desinfektionsspender gestohlen worden, Mund- und Nasen-Schutzmasken mussten schließlich ebenfalls weggeschlossen werden. „Die Menschen klauen wie die Raben, das ist wirklich unglaublich“, sagt er. „Und dabei verstehen sie anscheinend nicht, was es bedeuten würde, wenn das Krankenhauspersonal weder Schutzmasken noch Desinfektionsmittel mehr hätte und die Hygieneauflagen nicht einhalten könnte.“

Pfleger hofft, dass es nicht wie in Italien kommt

Aktuell sei es in seinem Krankenhaus noch ruhig. „Die Anspannung der Kollegen spürt man aber auf jeden Fall. Keiner weiß, was kommt“, sagt er. Während viele andere Düsseldorfer auf Homeoffice umgestiegen sind, stehen Pfleger und Mediziner täglich im Krankenhaus. Bereit für den Ernstfall. Auch Felix guckt besorgt nach Italien. „Es ist kaum vorstellbar, entscheiden zu müssen, wer beatmet werden darf und für wen kein Beatmungsgerät mehr da ist. So weit darf es einfach nicht kommen.“ Der „Peak“ (Gipfel) müsse unter allen Umständen verhindert werden.

„Flatten the curve heißt es jetzt“, bekräftigt der junge Pfleger den Appell von Wissenschaftlern und Politikern, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. „Wenn 30 oder mehr intensivpflichtige Patienten auf einen Schlag kämen, könnten wir das aktuell gar nicht stemmen“, sagt er. „Wenn sie aber nacheinander erkranken und behandelt werden, dann schon.“

Um die Ausbreitung zu verlangsamen, müssten die Menschen sich aber daran halten, zu Hause zu bleiben und soziale Kontakte zu meiden. „Aber leider haben das immer noch nicht alle kapiert“, ärgert sich Felix. „Wenn ich sehe, wie die Leute in Parks zusammensitzen oder durch den Supermarkt schlendern ohne Abstand zu halten, dann fühle ich mich richtig verarscht“, sagt er. „Sie müssen doch endlich verstehen, dass die Lage ernst ist. Dass sie, ohne selbst Symptome zu haben, den Virus übertragen könnten.“ Und auch wenn Felix entschieden gegen eine Ausgangssperre ist, legen es solch uneinsichtige Menschen in seinen Augen drauf an. „Sie verhalten sich wie Kinder, die nicht hören und ihre Grenzen testen wollen – bis die Mutti ihnen Hausarrest erteilt.“

In der Notaufnahme des Krankenhauses habe sich die Situation mittlerweile beruhigt. „Anfangs sind Leute gekommen, aus Angst, sie könnten Corona haben“, sagt der Pfleger. Heute wüssten die Düsseldorfer zumindest das besser und überlegen es sich eher zweimal, bevor sie die Notaufnahme überhaupt aufsuchen.

Das komplette Personal aller Stationen ist für den Ernstfall geschult worden. Wie die Schutzrüstung angelegt, wie Patienten isoliert, wie Rachen-Abstriche durchgeführt werden. Auch Felix musste bereits vier, fünf Mal den Schutzanzug anziehen, mit Kittel, Maske, Plastikvisier, Haube und dicken Handschuhen. Weil ein Patient Symptome aufwies und aus einem sogenannten Risikogebiet kam. „Wir brauchen die Schutzausrüstung, um den Abstrich durchzuführen. Denn man kommt dem möglicherweise Erkrankten dabei sehr nah, das Stäbchen wird sehr tief in den Rachen und später in die Nase eingeführt. Dabei husten oder niesen die Patienten oft“, erklärt er. Bislang sei aber keiner seiner Patienten positiv getestet worden.

Trotz seiner Anspannung in solchen Momenten, bewahrt er sich seinen Humor. „Als ich mich das erste Mal mit dem Arzt umzog und wir uns ansahen, mussten wir beide lachen. Auch für uns ist das alles surreal. Wie in einem Krisenfilm“, sagt er. Damit der nicht Realität wird, müssten die Menschen aber endlich zur Vernunft kommen. „Bleibt zu Hause. Wir sind für euch da draußen.“

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