„Ohne Kirche keine Stadt“: Der Standortfaktor Lambertus

Der Historiker Ulrich Brzosa erklärt, warum ohne Stiftskirche aus dem Dorf wohl keine Stadt geworden wäre.

Düsseldorf. Schlacht bei Worringen und Stadterhebung: 2013 ist ein jubiläumsreiches Jahr für Düsseldorf. Am kommenden Donnerstag kommt noch eines dazu, das auf den ersten Blick von nachrangiger Bedeutung ist:

Vor 725 Jahren, am 5. September 1288 wurde die Lambertus-Kirche von einer Pfarr- in eine Stiftskirche umgewidmet, Papst Nikolaus IV. persönlich verfügte den Akt.

Doch der ist nicht nur ein Aspekt der katholischen Stadtgeschichte, sondern vermutlich eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass aus dem winzigen Dörflein an der Düssel die große Landeshauptstadt werden konnte.

Ohne Kirche keine Stadtentwicklung: So lautet die Kernthese des Düsseldorfer Kirchen- und Stadthistorikers Ulrich Brzosa. „Düsseldorf fehlte es 1288 an allen politischen und ökonomischen Voraussetzungen zur Stadtwerdung, es war ein völlig bedeutungsloser Flecken, den Graf Adolf von Berg da zur Stadt erhob“, sagt er. Brzosa glaubt, dass Düsseldorf wohl das Schicksal von Zons, das nie über eine kleine Zollfeste hinauskam, ereilt hätte — wenn da nicht die Stiftskirche gewesen wäre. Für die setzte sich Graf Adolf in Rom ein, warum, ob als kalkulierte Starthilfe für die Stadt oder zur Förderung seines eigenen Seelenheils, weiß man nicht.

Doch wieso ist die Umwidmung der erstmals 1159 urkundlich erwähnten Lambertus-Kirche so wichtig? Weil die zur Kirche gehörenden Stiftsherren sehr wohlhabend waren. Sie wohnten alle in einem eigenen Haus und wurden im Hochmittelalter vielerorts zum wirtschaftlichen Motor, indem sie Handwerker, Handel und Gewerbe anlockten.

Die Bedeutung von Stiftskirchen hängt eng mit der im Mittelalter weit verbreiteten, großen Angst vor dem Fegefeuer zusammen. Um in dem so kurz wie möglich zu schmoren, bemühte man sich um einen „Ablass“: „Dafür müssen Gläubige ein frommes oder karitatives Werk vollbringen“, erklärt Brzosa, „viele delegierten die Sorge um ihr Seelenheil unter Einsatz von viel Geld an Dritte — so entstanden die Kollegiatsstifte.“

Aus den Erträgen eines Stiftungsvermögens wurde die Stelle eines Stiftsherrn, der übrigens meist recht weltlich lebte, finanziert. Grafen und Herzöge beteiligten sich an der Fundierung der Stiftsstellen. Laut Brzosa gab es an St. Lambertus Ende des 14. Jahrhunderts stattliche 40 Stiftsvikare und Kanoniker — ein echter Wirtschaftsfaktor.

Das hatte weitere Folgen. Die Vermehrung der Stellen erforderte ab 1350 eine Vergrößerung der Lambertus-Kirche und so wurde der romanische Bau durch die dreischiffige gotische Kirche ersetzt (Einweihung: 1394), wie wir sie heute kennen.

Und: Der Stiftsplatz wurde im Mittelalter schnell ein Sammelplatz für Pilger und Wallfahrer, Anziehungspunkt war zunächst ein Fenster mit Reliquien in einem heute nicht mehr vorhandenen Giebel, später lockten über 200 Reliquien — darunter natürlich auch die Gebeine des Stadtpatrons Apollinaris — verstärkt Gläubige aus der Umgebung an.

Brzosa: „Jeder Wallfahrer gab in Düsseldorf Geld aus, für Unterkunft, Verpflegung und Pilgerabzeichen. Ohne das und die Ausgabefreudigkeit der Stiftsherren wären lokaler Handel und Gewerbe nicht so in Gang gekommen.“

Der Historiker ist deshalb überzeugt: „Ohne die Stiftskirche St. Lambertus wäre Düsseldorf wahrscheinlich auf Dauer ein Dorf geblieben, weit unbedeutender als etwa Gerresheim oder Kaiserswerth.“

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