Verein Krass sucht eine neue Bleibe Kinder-Atelier in Oberbilk muss schließen

Düsseldorf · Die kreative Anlaufstelle für Kinder muss die Räume an der Linienstraße aufgeben. Vereinsgründerin Claudia Seidensticker arbeitet bereits an neuen Ideen.

 Am Wochenende räumten die ehrenamtlichen Helfer des Vereins das kleine Atelier an der Linienstraße in Oberbilk aus.

Am Wochenende räumten die ehrenamtlichen Helfer des Vereins das kleine Atelier an der Linienstraße in Oberbilk aus.

Foto: Claudia Seidensticker/Krass ev

Claudia Seidensticker klingt niedergeschlagen. Am Wochenende hat sie mit den vielen ehrenamtlichen Helfern ihres Vereins das kleine Kunstatelier an der Linienstraße ausgeräumt. Den Raum, in dem Kinder aus Oberbilk in den vergangenen zwei Jahren viel mehr als nur gemalt, gebastelt und gestaltet haben. „Das Atelier war fester Anlaufpunkt für die Kinder. Sie kamen täglich. Um sich künstlerisch auszuprobieren, aber auch um Ansprechpartner zu finden“, sagt Claudia Seidensticker, die 2009 den Verein Krass gründete, um Kindern und Jugendlichen Zugang zu kultureller Bildung zu ermöglichen. Auch in das Projekt Kinderatelier hat sie Herzblut und Zeit investiert. Beim Verpacken der vielen Kisten entdeckte sie viele Erinnerungsstücke. „Kinderlachen, Kunst, Geborgenheit, Wärme und viel Liebe — das alles steckt in diesen Räumlichkeiten. Zusammen mit den Kindern belebten wir diesen Ort und erschufen eine vertraute Atmosphäre, jeder hatte einfach Spaß“, sagt sie voller Wehmut.

In dem Atelier seien die Künstler und Künstlerinnen über die Kunst an die Kinder und Jugendlichen herangekommen. „Sie haben viel über sie, ihre Lebensumstände und auch Sorgen erfahren“, sagt Seidensticker. Sie setzten sich neben die Kinder, griffen selbst zum Pinsel, mischten die Farben, zeigten die verschiedenen Techniken. „Mit der Zeit kamen die Kinder aus sich heraus und gewannen an Selbstvertrauen“, sagt Seidensticker. „Hinter jedem Kunstwerk verbergen sich Geschichten, unglaublich spannend und berührend.“ Nun stehe der Verein vor der großen Herausforderung, eine neue Bleibe zu finden. „Damit die Geschichte weitergehen kann.“

Zwei Jahre stellte die Europäische Bildungs-Akademie Eubia dem Verein Krass kostenlos den Raum zur Verfügung. „Wir sind dafür sehr dankbar“, betont Seidensticker. Während der Corona-bedingten Einstellung des Projekts Kinderatelier richteten die Krass-Helfer eine Art Schüler-Sprechstunde in dem Raum ein, bei der jeweils ein Pädagoge mit einem Kind über die Schulaufgaben schaute. „Viele Eltern sprechen kein Deutsch, einige Kinder haben Förderbedarf. Da leisten wir wichtige sozialpädagogische Arbeit“, erklärt die Vereinsgründerin.

Der Raum wurde auch genutzt, um dort die Kunst-Care-Pakete zu packen, die in der Corona-Krise von den ehrenamtlichen Helfern zu den Kindern gebracht wurden. Die Idee entstand, als sich die Regelungen rund um Corona verschärften und die Kinder nicht mehr an den Workshops und Projekten teilnehmen konnten. Nicht nur die  knapp 80 Kinder freuten sich über die Care-Kunst-Päckchen randvoll gepackt mit Stiften, Malblocks und Bastelsachen. Auch die größtenteils alleinerziehenden Mütter freuten sich über die Unterstützung, während Kitas und Schulen geschlossen waren.

Jetzt benötigt der Bildungsträger selbst die Räume, um Kurse durchzuführen. „Auch wir kämpfen ums Überleben und sind froh, nun unter strengen Hygieneauflagen wieder Kurse anbieten zu dürfen“, sagt Geschäftsführerin Sabine Hofmann. Diese Auflagen verhindern aber, dass der Verein Krass mit seinen Kindern den Raum weiterhin mitnutzt. „Wir bedauern das, weil wir ja für die gleiche Sache kämpfen — Menschen eine Perspektive zu geben.“ Deshalb sei es auch nicht ausgeschlossen, dass Krass mit seinem Kinderatelier wieder einziehen darf, sobald sich weitere Lockerungen ergeben und sich die „Situation normalisiert“.

Aber das kann noch Monate dauern. So lange möchte Claudia Seidensticker ihre Schützlinge nicht warten lassen. Sie bastelt bereits an Alternativen. „Ich habe sogar schon überlegt, einen Wohnwagen zu kaufen und umzubauen“, sagt sie. Viele Voraussetzungen müsse die neue Bleibe nicht erfüllen: „30 Quadratmeter, fließendes Wasser und eine Toilette“, sagt sie.

Seit elf Jahren engagiert  sich der Verein ehrenamtlich  für Kinder  aus sozialschwachen Familien, um ihnen Kunst, Kultur, Musik und Theater in vielen verschiedenen Projekten zu vermitteln. Rund 8200 Kinder und Jugendliche wurden durch die Projekte erreicht. Das Team von Krass kommt mit dem mobilen Atelier auf Spielplätze, in Förderschulen werden Theater- und Tanzprojekte durchgeführt. „Viele Familien können sich eine Musikschule oder den Ballettunterricht nicht leisten“, erläutert Claudia Seidensticker. Auch dann springt der Verein ein. Um das finanziell stemmen zu können, braucht es neben Fördergeld von Land und Bund Sponsoren.

Auch in den Ferien ist der Verein aktiv. Jeden Tag ist das Kulturmobil auf einem anderen Spielplatz zu finden: Montags am Fürstenplatz, dienstags im Hanielpark, mittwochs am Spielplatz Heerdt, donnerstags in Garath, freitags am Stadtwerke Spielplatz, samstags  Am Schorn und sonntags am Hermannplatz.

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