Nierenspende über Kreuz

Medizin: Eine Mutter will in der Uni-Klinik dem Sohn eine Niere spenden, eine Frau ihrem Mann. Weil das nicht klappt, wird getauscht.

Düsseldorf. Vor allem die Nächte waren eine Tortur. Neun Stunden Bauchfelldialyse musste Jürgen Lemmer ein Jahr lang Nacht für Nacht daheim über sich ergehen lassen. "Das schlaucht", sagt der 53-Jährige Gummersbacher. Mittwoch sitzt er gut gelaunt in Zimmer 6.26 der MNR-Klinik der Universität. Vor 14 Tagen bekam er in der Klinik eine neue Niere.

Neben ihm auf dem Bett sitzt seine Frau Carmen (54), gegenüber Torsten Oldenburg (40) und dessen Mutter Brigitte Schmitz (61), beide aus Duisburg. Dahinter 20 Journalisten, die eine ungewöhnliche Geschichte erwartet - von der ersten "Cross-Over-Transplantation" der Uni-Klinik. Eine Niere von Brigitte Schmitz steckt jetzt im Körper von Jürgen Lemmer, Carmen Lemmers Niere wiederum sitzt nun über dem Becken von Torsten Oldenburg.

Erst vor acht Wochen hatten sich die vier Menschen in der Uni kennengelernt. Eigentlich wollte die Mutter dem Sohn und die Ehefrau ihrem Mann eine Niere spenden. Doch daraus wurde nichts. "Herrn Oldenburgs Blutgruppe passte nicht zu der seiner Mutter und er hatte schon Antikörper gegen ihr Blut gebildet", erklärt Professor Lars Christian Rump, Chef der Klinik für Nephrologie. Lemmer bildete nach der Entfernung einer seiner Zysten-Nieren und der Gabe einer Blutkonserve Antikörper. Da schlug Rump den Überkreuz-Tausch vor.

Die Nephrologen prüften zunächst, ob alles passt: Alter, Gewicht, Blutgruppen. "Aber vor allem auch die Chemie zwischen den Beteiligten, sie müssen sich gut verstehen", sagt Rump. "Denn was ist, wenn eine Transplantation klappt und die andere nicht?" Doch die Chemie stimmte und alle vier waren rasch einverstanden. "Ich wusste sofort: Das ist eine neue Chance. Und so viele Chancen haben wir nicht", sagt Oldenburg.

Solche Cross-Over-Transplantationen außerhalb der Familie freilich sind erst seit kurzem in Deutschland erlaubt. Auch das Quartett der Uni-Klinik hatte zunächst ein Gespräch mit der Ethikkommission, um etwa Geldzahlungen auszuschließen.

Am 5. August nehmen OP-Teams unter den Professoren Wilhelm Sandmann, dem Noch-Leiter der Klinik für Gefäßchirurgie und Nierentransplantation, und Klaus Grabitz, seinem Nachfolger, die Skalpelle in die Hand.

"Operiert wurde in vier Sälen. Wenn die Spendernieren draußen sind, kommen sie kurz in Eiswasser und müssen dann so schnell wie möglich den Empfängern eingesetzt werden", sagt Grabitz. Nach 90 Minuten ist alles geschafft. Doch von nun an droht die große Gefahr, dass die Männer ihre neuen Nieren abstoßen. "Sie bekommen Medikamente, die ihre Immunabwehr unterdrücken", sagt Prof. Rump. Die müssen sie nun, nach einem Jahr in verminderter Dosis, ihr Leben lang nehmen. Auch das ist gefährlich, weil sie so natürlich stets anfällig für Infektionen sind.

Die beiden Männer schreckt das nicht. Sie sind froh, dass alles so gut geklappt hat - auch bei ihren Spenderinnen, die schon nach fünf Tagen aus der Klinik konnten. Jürgen Lemmer jagte früher leidenschaftlich gerne, sogar in Afrika erlegte er Tiere. In den letzten jahren machte sein Nierenleiden so etwas unmöglich. Jetzt freut er sich: "Im Mai nächsten Jahres gehe ich mit einem Freund auf Jagdreise nach Kroatien." Torsten Oldenburg ist bescheidener: "Endlich fühle ich mich mal wieder gut. Jetzt will ich einfach nur langsam zurück ins Leben kehren."

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