Nicht viel Leben in der Bude

Die langen Öffnungszeiten der Supermärkte machen den Kiosken und Trinkhallen schwer zu schaffen.

Düsseldorf. "Ein Büdchen ist nicht nur ein Geschäft", sagt Thomas Bernhardt von der Geschichtswerkstatt. "Es ist ein Stück Alltagskultur. Hier trinkt der kleine Mann morgens seinen Kaffee, liest seine Zeitung." Beinahe jeder war wohl schon mal beim Kiosk an der Ecke. Sei es, um nur kurz Zigaretten zu holen oder nach Feierabend noch mit dem Nachbarn ein Bier zu trinken. "Man kann mal eben im Bademantel hinschlurfen, um Brötchen zu holen", sagt Bernhardt. "So geht man nicht zum Lidl."

Was für die meisten Teil des täglichen Lebens ist, hat lange Tradition. So entstanden die ersten Trinkhallen bereits Ende des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Industrialisierung, wo sie vor den Toren der Fabriken Mineralwasser und andere Getränke anboten. Besonders im Ruhrgebiet und im Rheinland verbreiteten sich die als "Bude" oder "Büdchen" bekannten Kleinläden sehr schnell. Heute sind sie fester Bestandteil des Stadtbildes. Noch, denn der Umsatz lässt für die meisten Kioskbesitzer zu wünschen übrig.

"Früher war der Samstag einer meiner besten Tage", sagt Helena Ropkas aus dem Quick Shop an der Luisenstraße. "Da hat der Supermarkt um die Ecke auch noch samstags um 14 Uhr zu gemacht." Wie viele Büdchen in Düsseldorf leidet ihr kleiner Laden stark unter der Konkurrenz durch die großen Märkte.

Bis vor wenigen Jahren machten die Kioske den meisten Umsatz am Wochenende und abends, wenn die anderen Geschäfte bereits geschlossen hatten. Heute aber drängen die großen Supermarktketten immer mehr in die zeitliche Nische der Trinkhallen. So haben viele Filialen von montags bis samstags bis 22 Uhr geöffnet. An einigen Standorten läuft der Verkauf sogar bis 24 Uhr.

"Deswegen haben wir mittlerweile auch bis 23 oder 24 Uhr geöffnet", sagt Feray Ipek, Inhaberin der Trinkhalle "Die Ecke" an der Scheurenstraße. "Das Problem ist, dass die im Supermarkt ja die gleichen Sachen haben wie wir, nur eben günstiger. Aber meine Stammkundschaft kommt noch."

Auch Ali Gürcali, Inhaber der Trinkhalle 27 an der Hüttenstraße, kann mit den Discounterpreisen nicht konkurrieren. "Unser Umsatz ist merklich eingebrochen", klagt er. "Die Leute müssen sparen und die kleinen Geschäfte können mit den Billigpreisen der Supermärkte nicht mithalten. Die nehmen ja viel größere Mengen ab als ich. Manchmal kaufe ich sogar selber im Supermarkt ein, weil es da günstiger ist als im Großhandel."

In Bilk machen vor allem der große Real-Markt und die Bilker Arcaden den Büdchen-Besitzern das Leben schwer. Für den Kiosk an der Brunnenstraße bedeutet die Konkurrenz vielleicht sogar das Aus. "Früher konnte ich um 20 Uhr zu machen", sagt Inhaber Johngir Roknabadi. "Heute habe ich jeden Tag von 6 bis 24 Uhr geöffnet. Aber es läuft sehr schlecht. Vor allem seit die Lotto-Annahmestelle von meinem Laden in die Arcaden verlegt wurde. Jetzt denke ich daran, mein Geschäft zu schließen."

Der Einzelhandelsverband beobachtet den Rückgang bei den Kiosken schon seit der Einführung des Ladenöffnungsgesetzes. Dieses gestattet seit 2006 den Verkauf rund um die Uhr, von montags bis samstags. "Aber es hat auch etwas mit dem Zeitgeist zu tun", sagt Waltraud Loose, Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbandes. "Es gibt nicht mehr den Fachgeschäftkäufer und den Supermarktkäufer. Die Leute kaufen gemischt, wie es sich gerade anbietet." Und die meisten mögen es eben möglichst günstig.

Düsseldorfs berühmtester Kioskbesitzer, Ex-Schlagersänger Ricky Shane, sieht die ganze Sache gelassen. "Bei mir ist das Ziel nicht der Umsatz", sagt er. "Reich werde ich damit sowieso nicht. Mein Kiosk dient eher als Pilgerstätte für meine Fans und als Übergang, bis ich wieder auf der Bühne stehe."

Laut den Gelben Seiten existieren in Düsseldorf zurzeit rund 100 Kioske. "Ich fände es schön, wenn uns die Büdchen erhalten blieben", sagt Thomas Bernhardt. "Es hat etwas mit Lebensgefühl zu tun, mit gemütlicher Atmosphäre. Es wäre schade, wenn das verloren ginge."

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