Stadtplanung Neue Passage zum Hauptbahnhof

Düsseldorf · Dem Viertel steht aufgrund zahlreicher Bauvorhaben ein tiefgreifender Wandel bevor. Ein Forscher mahnt jedoch, dass mit der Aufwertung der Verdrängungsdruck steige, der schon heute viele Menschen verunsichere.

Die neue Fußgängerzone führt an den parallel zu den Gleisen gebauten Hotels vorbei zum Uhrenturm.

Die neue Fußgängerzone führt an den parallel zu den Gleisen gebauten Hotels vorbei zum Uhrenturm.

Foto: Greeen Architects

Dem Bahnhofsviertel steht ein weitreichender Wandel bevor. Im Zuge zahlreicher Baustellen für Wohnungen, Hotels, Kulturinstitutionen sowie Straßen und Platzumbauten entsteht auch eine völlig neue Verbindung zum Hauptbahnhof. An der Harkortstraße entwickelt die GBI AG mit dem Düsseldorfer Architekturbüro Greeen Architects auf dem Areal der ehemaligen Autoverlade-Station nicht nur drei Hotels, sondern auch eine neue Fußgängerzone, die den Mintropplatz mit dem Konrad-Adenauer-Platz verbinden wird. Fußgänger und Radfahrer können so auf neuen Wegen zum Hauptbahnhof gelangen und von der Harkortstraße aus kommend künftig eine Abkürzung nehmen. Darüber hinaus soll die 14 Meter breite Passage mit Baumreihe auch Aufenthaltsqualität bieten. Die sollen vor allem die Gastronomien samt Terrassen der Hotels ausstrahlen.

Im Detail heißt das: Am Adina Hotel, direkt neben dem Bahnhof, wird das Restaurant Blockhouse sowie ein öffentlich zugängliches Hotelrestaurant untergebracht sein. Im Premier Inn wird Costa Coffee eine Dependance eröffnen. Im Hampton by Hilton wird es im Loungebereich im Erdgeschoss eine Bar geben und einen Frühstücksraum, an den sich eine Terrasse anschließen könnte.

Greeen Architects erhoffen sich viel von der Passage. „Denn der Wirkungsgrad dieser städtebaulichen Vernetzung an prominenter Stelle erstreckt sich weit über den Fürstenplatz in Friedrichstadt bis zum Worringer Platz in Flingern Süd und wird neue Impulse in der Stadtentwicklung setzten.“

Allerdings überschätzen die Planer an dieser Stelle wohl die Wirkung ihres Projekts ein wenig. Das zumindest sieht Tim Lukas von der Bergischen Universität Wuppertal so. Der Düsseldorfer erforscht zurzeit die Entwicklung der Bahnhofsviertel in Leipzig, München und Düsseldorf im Hinblick auf (auch soziale) Sicherheit und Sicherheitsempfinden. „Sicherheit im Bahnhofsviertel“ heißt das bereits seit einem Jahr laufende und insgesamt auf drei Jahre angelegte Projekt.

Für Lukas wird vor allem die Gesamtheit der Bauvorhaben und nicht nur eine Passage samt Hotels für einen Wandel des Viertels sorgen. Er nennt zudem vor allem das Neubaugebiet Grand Central, wo in den nächsten zwei bis vier Jahren 1000 Wohnungen auf dem ehemaligen Gelände der Paketpost zwischen Erkrather und Kölner Straße entstehen werden. Außerdem entstehe ein kulturell interessanter Spot, wenn das Schauspielhaus weiter hin und wieder im Central spielen werde und Bibliothek und Forum Freies Theater ins Kap 1, also die alte Paketpost, ziehen. Ebenfalls zu nennen ist der Umbau der Plätze hinterm und vor allem vor dem Bahnhof mitsamt dem geplanten Hochhaus auf halbem Weg zum Ufa-Palast. Auch die neue Gestaltung der Achsen wie Immermannstraße und Friedrich-Ebert-Straße zum Hauptbahnhof hin (“Ekiso“) wird Einfluss aufs Viertel haben.

Insbesondere auf die Vorderseite des Bahnhofs, wie Lukas sagt: „Die Aufwertung kann funktionieren.“ Er fürchtet jedoch, dass nun auch der „letzte Ort in der Innenstadt mit günstigen Mieten gentrifiziert wird“. Zuletzt seien bereits bei neuen Mietverträgen für Wohnungen auf der Grupellostraße 11 bis 13 Euro kalt pro Quadratmeter aufgerufen worden. Allein in diesem Jahr seien die Angebotsmieten um neun Prozent im Viertel gestiegen. „Damit steigt der Verdrängungsdruck, der von den Menschen, die dort leben, mit großer Sorge gesehen wird, wie unsere Umfragen ergeben.“

Auch in der Szene der Trinker und Drogensüchtigen sei die Unruhe groß. Wenn die Stadt davon spreche, den Konrad-Adenauer-Platz aufräumen zu wollen, entstehe schnell der Eindruck, dass damit auch die Menschen vor Ort gemeint sein könnten. Lukas warnt davor, das Gebiet rund um den Hauptbahnhof nicht als Raum für alle Menschen zu gestalten, sondern einen Teil von ihnen als soziales Problem zu begreifen. Wie vor dem Carschhaus oder auf dem Lessingplatz müsse auch vor dem Hauptbahnhof in Zukunft für alle Milieus und Schichten Platz sein. Zumal sich die Szene nicht einfach an den Stadtrand verdrängen ließe, da sie seit langer Zeit dort sei und ihre Anlaufstellen wie Methadon-Ambulanzen und Bahnhofsmission habe. „Wenn die Räume für diese Gruppe von Menschen eingeschränkt werden, birgt das enormes Konfliktpotenzial.“ Etwa in Frankfurt zeige sich das aktuell im Zuge der Gentrifizierung am Hauptbahnhof. In Bonn habe sich die Szene rund um die Baustelle für eine Shopping-Mall andere Orte gesucht. Im Vergleich mit Düsseldorf biete die neue Fußgängerzone mit Hotels und Gastronomien sicher ein hohes Maß an sozialer Kontrolle. Dennoch hätten dort eben nur Gruppen Zugang, die es sich leisten könnten.

Wie der Raum konkret gestaltet werden sollte, kann Lukas noch nicht sagen. Im Laufe des Forschungsprojekts in den nächsten zwei Jahren sollen aber der Stadt Anregungen gegeben werden, wie Sicherheit und Sicherheitsempfinden gesteigert werden können.

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