Düsseldorf - mit dem Nachtexpress der Rheinbahn in Düsseldorf unterwegs „Nachts sind die Leute einfach froh, wenn sie nach Hause kommen“

Nils David hasst Frühschichten. Umso lieber übernimmt er Nachtdienste: Nahezu jedes Wochenende fährt der 21-Jährige den Nachtexpress der Rheinbahn.

Düsseldorf. Es ist kurz nach zwei Uhr, als Nils David am Hauptbahnhof vorfährt. Gut zwei Stunden hat der Busfahrer noch vor sich in dieser Nacht: Einmal mit dem NE7 durch die Altstadt, an der Uni vorbei, durch Itter und Urdenbach. Und am Ende wieder zurück zum Bahnhof.

Viel ist nicht los um diese Zeit, fünf Leute steigen in den Bus. Müde Gestalten, ruhig und mit leeren Gesichtern. Die meisten grüßen Nils David beim Einsteigen. „Das gibt es nur in der Nacht“, sagt der Busfahrer. Generell sei der Umgangston nachts freundlicher als am Tag. „Auch wenn jeder denkt, dass es andersrum ist.“ Die Erklärung, die sei einfach. „Nachts sind die Leute einfach nur froh, wenn sie nach Hause kommen, den Bus noch kriegen und auf dem Sitzplatz ein bisschen dösen können.“

Schon drei Minuten nachdem der 21-Jährige mit seinem Gelenkbus am Bahnhof losgefahren ist, meldet sich die Leitstelle über Funk. Eine Frau wird vermisst, vermutlich Afrikanerin, 1,60 Meter groß. „Das kommt öfter vor“, sagt er. Schon ein paar Mal hat er die Vermissten dann auch tatsächlich in seinem Bus gefunden. Einmal sei es eine ältere und offensichtlich demente Dame gewesen, ein anderes Mal ein kleiner Junge, der von Zuhause abgehauen sei. „Wenn nachts um zwei Uhr ein 13-Jähriger einsteigt, dann klingeln bei mir schon alle Alarmglocken.“ An diesem Samstag aber kann er nicht weiterhelfen: „Man hält halt die Augen offen.“

An der Heine-Allee wird es voller im Bus. Junge Leute steigen ein, die eine Hälfte angeheitert und fröhlich, die andere leblos und leise. „Die steigen fast alle an der Uni wieder aus“, sagt David. Der NE7 sei schließlich wie gemacht für Studenten, die von der Altstadt aus ins Studentenwohnheim nach Hause wollen. An der Heine-Allee beginnt aber auch schon die erste Planänderung an diesem Abend: Der Rheinufertunnel ist gesperrt und Nils David muss eine Umleitung fahren. Einmal am Rhein und an der Tonhalle vorbei, zurück in die Altstadt und von dort aus weiter wie gewohnt.

„Das kostet Zeit“, sagt er. Eins sei schon jetzt klar, nach nur fünf Minuten Fahrt: „Die Verspätung kann ich heute nicht mehr einholen.“ Das sei nun einmal so, ärgern würde ihn das nicht. „Ich kann es ja nicht ändern und bin auch nicht dran Schuld.“ Umleitungen, Baustellen und andere Dinge, die im täglichen Verlauf irregulär passieren, passen nicht in den Fahrplan. Schneller fahren oder die Fahrgäste beim Einsteigen zu hetzen, das würde alles nicht viel bringen. Das würde nur Nerven kosten. „Wenn ich das jeden Tag machen würde, dann wäre ich schnell am Ende.“

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durch die Nacht

In der Nacht, da nehmen es die meisten Fahrgäste sowieso nicht so genau mit der Pünktlichkeit, sagt er: „Das Verständnis ist größer. Da sind die meisten einfach nur froh, dass überhaupt noch ein Bus fährt.“ Trotzdem gibt es bei der Rheinbahn Schichten, die beliebter sind als die nächtlichen. „Man muss schon dafür gemacht sein“, sagt Nils David. Er ist noch gar nicht so lange bei der Rheinbahn, kann sich aber schon jetzt nichts Schöneres vorstellen als die Nachtschichten. Die Kollegen, die den Fahrplan erstellen, wissen das. Und teilen ihn grundsätzlich nur für Spät- und Nachtdienste ein. Jedes Wochenende fährt er so einen anderen Nachtexpress. In dieser Nacht von Freitag auf Samstag eben den NE7.

Mittlerweile ist er mit seinem Bus an der Uni angekommen. Die meisten steigen hier aus, nur wenige fahren noch weiter durch Itter, Reisholz und Hassels. An der Südallee im tiefsten Urdenbach ist der Bus schließlich leer, hier ist Endstation. Zumindest vorerst: Zwei Minuten Pause hat Nils David hier laut Fahrplan. Zwölf Minuten zu spät ist er mittlerweile: „Eigentlich müsste ich schon vor zehn Minuten hier losgefahren sein.“

Trotzdem macht er den Motor aus, steigt aus und raucht kurz eine Zigarette. „Ohne die kleinen Pausen geht es einfach nicht, vor allem wenn man acht Stunden am Stück im Bus sitzt.“ Der Nachtexpress ist seine letzte Fahrt für diese Schicht, vorher ist er schon die 730 und 722 gefahren. „Nachts ist alles entspannter“, sagt Nils David. Die Straßen sind leer, der Bus meistens auch. Nur ein paar Falschparker und Taxen würden ab und an nerven. Sein eigenes Leben, das werde durch die Nachtschichten irgendwie entschleunigt. „Gerade als Morgenmuffel tut es gut erst dann zur Arbeit zu gehen, wenn andere gerade nach Hause fahren.“

Freunde und Familie stören sich nicht daran. „Die planen ihren Tagesablauf um mich herum und holen mich sogar um vier Uhr morgens am Betriebshof ab“, sagt er. So ist es auch in dieser Nacht, die schon fast zum Morgen geworden ist, als David den letzten verschlafenen Fahrgast am Hauptbahnhof aus dem Bus lässt. Endstation für den NE7, der mit genau neuneinhalb Minuten sein Ziel erreicht hat. Nils David fährt jetzt durch zum Betriebshof Lierenfeld. Sein Job ist getan für diese Nacht.

Ein kleines Gähnen kann er sich nicht verkneifen, als er aus dem Tor des Betriebshofes auf die Straße tritt. „Zu sagen, ich wäre gar nicht müde, wäre gelogen“, sagt er. Für ihn beginnt jetzt die freie Zeit des Tages. Und auf der anderen Straßenseite wartet schon sein Kumpel Kevin, der ihn abholt. Pünktlich — um halb fünf am frühen Samstagmorgen.

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