Mord ohne Leiche – ohne Ende

1991 verschwand Kö-Millionär Otto Erich Simon. Der Mörder ist offenbar bekannt. Doch der Staatsanwalt sagt: Ein Urteil gibt es niemals.

Düsseldorf. Der "Mord ohne Leiche" ist der wohl spektakulärste Fall in der Reihe ungesühnter Todesfälle. Seit der Kö-Millionär Otto Erich Simon 1991 verschwand, suchen die Ermittler nach seiner Leiche.

Inzwischen sagt Oberstaatsanwalt Stefan Trunk: "Ich glaube nicht, dass ich je erfahren werde, wo Simon liegt." Auch die Hoffnung auf Sühne hat er aufgegeben - dabei ist er sicher, den Fall längst aufgeklärt zu haben.

Otto Erich Simon war eine echte Marke in Düsseldorf. Vor allem wegen seiner Immobilien: Er war Besitzer der Grundstücke Kö 76 bis 78 - und von potenziellen Käufern in einer Zeit explodierender Preise an der Prachtmeile eifrig umworben.

Anfang der 90er hatte sein Besitz wohl einen Wert von weit über 100 Millionen Mark. Auch ein damals 52-jähriger Düsseldorfer Immobilienhändler kämpfte um den Zuschlag - er träumte von einem gigantischen Shopping-Tempel an der Kö. Doch Simon verneinte. Bis er im Juli 1991 verschwand.

Nur sechs Tage später unterzeichnete die Schwiegertochter des besagten Kaufmanns einen notariellen Kaufvertrag für die Häuser - als vollmachtslose Vertreterin für Simon. "So etwas geht", erklärt Trunk, "der Vertrag war danach nur ,schwebend unwirksam’."

Kaufpreis: gerade mal 30 Millionen Mark. Fünf Tage später erschien der Kaufmann in Begleitung eines Herrn, der sich als Otto Erich Simon vorstellte, in einem Züricher Notariat. Der Mann setzte seine Unterschrift unter den Vertrag.

Erst fünf Monate später meldete Simons einziger verbliebener Freund ihn vermisst. Die Polizei überprüfte die Unterschrift unter dem Kaufvertrag: Sie war falsch. "Eine Totalfälschung, ohne jeden Zweifel", sagt Trunk. "Seither ist Simon nie wieder aufgetaucht."

Die Ermittlungen im Fall Simon nahmen über die Jahre viele unerwartete, teils kuriose Wendungen. Entscheidend sind für Oberstaatsanwalt Trunk allerdings einige wenige Punkte: Das Auto des verdächtigen Kaufmanns war komplett mit Buttersäure verätzt worden - angeblich ein Anschlag. Doch die Polizei fand heraus, dass die Scheibe, die laut dem Mann eingeschlagen worden war, noch original war. War mit dem Wagen Simons Leiche transportiert worden?

Eine Quittung führte schließlich zur Mordanklage - Trunk kann sich noch genau an den Tag erinnern, als sie auftauchte: "Es war im Mai 1993." Und endlich schien er den Täter zu haben: Der Immobilienhändler hatte im Juli 1991 in einem Baustoffhandel einen Spaten, eine Axt, Kreuzhacke, Säge, Schubkarre, Handschuhe und zehn Müllsäcke gekauft. Die Gegenstände waren genauso verschwunden wie Simon.

Der Prozess im Jahr 1992 verlief ebenso spektakulär wie die Ermittlungen zuvor. Zeugen sagten aus, sie hätten Simon gesehen oder der Kaufmann habe den Mord im Gefängnis gestanden.

Der wiederum behauptete schließlich, von einer Düsseldorfer Rotlichtgröße zu dem Betrug mit dem falschen Simon gezwungen worden zu sein. Letztlich führten all diese wilden Wendungen ins Leere. 1996 wurde der Händler wegen einer schweren Depression für verhandlungsunfähig erklärt. Das Verfahren wurde abgebrochen und 2001 schließlich eingestellt.

Inzwischen wurden die Häuser tatsächlich verkauft - von Simons Neffen, seinem Erben. "Wir wickeln noch immer Asservate ab", sagt Trunk. Die Familie des Verschwundenen bekommt regelmäßig noch Gegenstände aus den Archiven der Ermittler zurück.

Inzwischen gilt der Verdächtige wieder als verhandlungsfähig - allerdings ist er heute 70 Jahre alt, würde vermutlich bei einer neuen Verhandlung schnell wieder erkranken. "Diesen Prozess jetzt noch einmal zu führen, wäre sinnlos", sagt Trunk. "Ein Urteil wird es nie geben - das muss man so hinnehmen."

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