Millionenpoker um neuen Deich

Bezirksregierung muss Neubau am Himmelgeister Rheinbogen genehmigen. BUND sieht Umwelt-Vorgaben missachtet und droht mit Klage. Und welche Rolle spielt ein alter Vertrag der Stadt mit dem Grundbesitzer?

Millionenpoker um neuen Deich
Foto: grhi

Wenn in Himmelgeist der Deich bricht, stehen Itter und große Teile Holthausens unter Wasser. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird deswegen an einem höheren Deich geplant. Jetzt hat der Stadtentwässerungsbetrieb bei der Bezirksregierung um grünes Licht für den Bau gebeten, der im Jahr 2020 starten soll. Wie wichtig das Thema ist, zeigt sich gerade jetzt wieder, wo der Rheinpegel innerhalb weniger Tage von 300 auf 600 Zentimeter gestiegen ist. Bei einem Termin mit Vertretern der Stadt, Naturschutzverbänden und anderen Beteiligten, bei dem der Entwurf beraten wurde, gab es aber viel Kritik an den Plänen.

Millionenpoker um neuen Deich
Foto: Wilfried Meyer

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) etwa erhebt schwere Vorwürfe: „Es wurde die ökologisch schlechteste Bauvariante gewählt. Es wurde nicht ausreichend geprüft, welche Auswirkungen der Bau auf geschützte Arten hat und wie er sich auf den ökologischen Zustand des Rheins auswirkt“, sagt Michael Süßer, Vorsitzender des BUND in Düsseldorf.

Geplant ist, den bestehenden Deich vollständig abzutragen und an der selben Stelle neu zu errichten, dann entsprechend höher. Im Bereich des Campingplatzes und des Wäldchens soll aus Platzgründen eine Spundwand integriert werden. Verworfen wurde hingegen eine zweite Variante, die eine Rückverlegung des Deiches vorgesehen hatte, hinter die Kleingartenanlage. Der alte Deich wäre größtenteils stehengeblieben und nur an einzelnen Stellen durchbrochen worden. So wäre eine kleine Aue geschaffen worden, in die sich das Wasser aus dem Rhein bei Hochwasser hätte ausbreiten können.

Zurück geht das Verwerfen der Rückverlegung auf eine Weisung des NRW-Umweltministeriums aus dem Jahr 2005, damals noch unter Federführung von Minister Eckhard Uhlenberg (CDU). Dieser schreckte offenbar vor hohen Kosten zurück, weil für eine Rückverlegung Flächen hätten angekauft werden müssen, die einer Gutsverwaltung gehören und zur Zeit landwirtschaftlich genutzt werden. In einem Bericht aus dem Jahr 2006, den Minister Uhlenberg an die damalige Landtagspräsidentin adressiert hat, heißt es dazu: „Die vollkommen überzogenen Grundstückspreise von über 30 Euro pro Quadratmeter können nicht verantwortet werden.“ Deswegen habe man die Stadt angehalten, die Rückverlegung nicht weiter zu verfolgen. 60 Hektar Land hätte diese Variante in Anspruch genommen, folglich hätten mehr als 18 Millionen Euro für die notwendige Fläche gezahlt werden müssen.

Nach WZ-Informationen geht diese Summe auf einen Vertrag zwischen der Stadt Düsseldorf und der besagten Gutsverwaltung zurück, der im Jahr 1975 geschlossen worden ist. Damals soll sich die Stadt mit dem Eigentümer während des Ankaufs der Kleingartenanlage im Rheinbogen auch auf die hohen Kaufpreise für übrige Flächen geeinigt haben, die jetzt fällig würden. Natürlich wusste damals noch niemand, dass die Stadt wirklich einmal an diesen Grundstücken Interesse haben könnte, um eine Deichrückverlegung zu realisieren. Warum damals die hohen Quadratmeter-Preise festgeschrieben worden sind, bleibt offen. Die Stadt möchte sich zu Vertragsinhalten auf WZ-Anfrage nicht äußern, mit der Gutsverwaltung werde derzeit noch verhandelt.

Weitere Rätsel wirft jedoch ein kurzer, auf den ersten Blick anonymer Vermerk unter insgesamt 650 Stellungnahmen von Bürgern sowie Unternehmen zum Landesentwicklungsplan aus dem Jahr 2014 auf. Dort heißt es: „Die Ausweitung von Landschafts- und Naturschutz in Himmelgeist löst aufgrund notarieller Vereinbarung zwischen der Stadt Düsseldorf und uns Entschädigungsansprüche aus. Wir nehmen an, dass sich auch die Stadt selbst für eine Übernahme der aktuellen Abgrenzungen einsetzen wird. Unabhängig davon würde der Landeshauptstadt dadurch auf längere Sicht auch interessanter Entwicklungsraum genommen.“ Das soll wohl heißen, dass bei Verlegung des Deiches und Ausweitung des Naturschutzgebietes, eine Entschädigung fällig werden würde und das Gebiet nicht bebaut werden könnte.

Dabei gäbe es aus Sicht des BUND gewichtige Gründe, um den alten Himmelgeister Deich zu erhalten, wie es im Fall einer Rückverlegung möglich wäre. Denn auf dem Deich wachsen die größten und wertvollsten Trockenrasen im Düsseldorfer Stadtgebiet mit zahlreichen seltenen und gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Darunter mehrere seltene Wildbienenarten, etwa eine Kuckucksbiene, die ähnlich wie ihr gefiederter Namensvetter ihre Brut in die Nester bestimmter Sandbienenarten legt. „Diese Tiere sind hochspezialisiert und brauchen Lebensräume wie den alten Deich“, sagt Michael Süßer. „Wir würden sie für immer verlieren, wenn der Plan so genehmigt wird, wie er derzeit aussieht.“

Speziell untersucht wurde der Deich im Rahmen der Planung nur auf Fledermäuse, Vögel und Reptilien, da Bienen nicht grundsätzlich zu den „planungsrelevanten Arten“ gehören. „Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen sind nicht geeignet, die vorhandenen Populationen seltener Wildbienenarten zu erhalten“, befürchtet Michael Süßer.

Ein weiterer ungeklärter Punkt ist, welchen Einfluss ein Deich-Neubau auf den ökologischen Zustand des Rheins hätte. Der ist zur Zeit schlecht. Süßer kritisiert: „Der Plan verstößt klar gegen EU-Recht, und zwar gegen die Wasserrahmenrichtlinie.“ Die sieht vor, dass alle baulichen Veränderungen an Flüssen deren ökologischen Zustand verbessern müssen. Das aber sei nach aktuellen Planungen nicht der Fall. Diese Feststellung bestätigt die Stadt auf WZ-Anfrage, die Maßnahme habe wohl gar keine Auswirkungen auf den Zustand des Rheins, würden den Zustand also nicht verbessern. Stadtsprecher Michael Buch sagt dazu: „Die Feststellung, ob die Planung mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie konform geht, trifft abschließend die Bezirksregierung im Rahmen der Abwägung.“ Der BUND will nun abwarten, ob die Bezirksregierung grünes Licht für die Baupläne gibt. „Wenn dem so sein sollte, werden wir überlegen, ob wir gegen das Projekt klagen“, sagt Michael Süßer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort