Düsseldorf Mehr Polizisten für Verbrecherjagd

Wie kann man der überlasteten Polizei helfen, ihre Kernaufgabe besser wahrzunehmen? Ideen gibt es. Auch in Düsseldorf.

Düsseldorf: Mehr Polizisten für Verbrecherjagd
Foto: Bernd Thissen/dpa

Düsseldorf. Rasant gestiegene Einbruchszahlen, Taschendiebe, „Antänzer“ und sexuelle Übergriffe in der Altstadt, ein Strom von Neu-Düsseldorfern aus aller Herren Länder. Und den vielfältigen neuen Herausforderungen steht eine Polizei gegenüber, die Berge von Überstunden vor sich herschiebt — und der reihenweise Pensionierungen bevorstehen. Das ist nicht nur in Düsseldorf der Fall, und deshalb macht man sich nicht nur hier Gedanken, wie die Polizei entlastet werden kann, um ihre Kernaufgaben bei der Kriminalitätsbekämpfung besser auszufüllen. Der Bundesinnenminister tut es, andere Städte und Bundesländer tun es, das NRW-Innenministerium. Aber natürlich tut es auch der Düsseldorfer Polizeipräsident Norbert Wesseler.

Düsseldorf: Mehr Polizisten für Verbrecherjagd
Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Und wenn er das tut, landet er rasch bei einer Neu-Organisation des Objektschutzes. „Ich war immer dafür — und erst recht seit ich Polizeipräsident in Düsseldorf bin“, sagt Wesseler. Wegen der zahlreichen schutzbedürftigen Gebäude hat die Landeshauptstadt schon einen Bonus von 116 zusätzlichen Stellen — über 140 allerdings werden für den Objektschutz gebraucht. Wesseler: „Das sind Kräfte, die für unsere operative Arbeit nicht zur Verfügung stehen.“ Und nicht nur das: Ein Jahr Dienst bei der sogenannten „O-Wache“ ist für junge Kommissare in der Regel Pflicht — aber unglaublich unbeliebt. „Das geht so weit, dass einige deshalb nach der Ausbildung keinen Versetzungsantrag nach Düsseldorf stellen“, ist der Polizeichef sicher. Sprich: Der Stadt gehen arbeitshungrige Jung-Ermittler durch die Lappen, die nicht vor einer Fassade versauern wollen — pointiert ausgedrückt.

Düsseldorf: Mehr Polizisten für Verbrecherjagd
Foto: Bernd Thissen/dpa

Berlin etwa hat einen Zentralen Objektschutz mit spezialisierter Ausbildung — angedockt an die Polizeibehörde. Die Chancen, dass NRW ein ähnliches Modell — womöglich sogar mit einem privaten Anbieter — bekommt, stehen gut: In der vergangenen Woche hat der Innenausschuss die Vorschläge einer Expertenkommission zur Umgestaltung der Polizeiarbeit bekommen. Und eine Bewertung des Innenministeriums. 377 Stellen im Land könnten laut Kommission durch die Privatisierung des Objektschutzes frei werden für andere Aufgaben — und das Innenministerium hält diesen Weg für „grundsätzlich möglich“. Gleiches gilt für die Begleitung von Schwertransporten.

Wenig Gegenliebe im Ministerium hingegen findet offenbar der Vorschlag, dass die Polizei nicht mehr zu jedem Bagatellunfall ausrücken muss. Ganz anders im Düsseldorfer Präsidium. „Wenn die 110 gerufen wird, muss Hilfe kommen“, erklärt Wesseler. „Aber ob die dann von der Polizei oder anderen Sachverständigen etwa von Tüv oder Dekra kommt, muss man sich fragen.“ Auch weil sich bei der Unfallaufnahme oft Hinweise auf Straftaten wie Drogenverstöße ergeben. Aber: Pro Tag gebe es in Düsseldorf weit über 100 Unfälle. „In der Zeit der Aufnahme stehen die Polizisten nicht für andere Aufgaben zur Verfügung.“ Eine einfache Rechnung.

Schwierig findet Wesseler, dass das Nachdenken über die Umstrukturierung von Polizeiaufgaben in NRW meist mit der Debatte um eine „Polizei light“ verquickt werde. Als solche wurde die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière erneut ins Spiel gebrachte Wachpolizei — die es etwa in Sachsen schon gibt — in der Debatte häufig verschrien. Die Hilfspolizisten mit Crashkurs-Ausbildung sollten nach de Maizières Idee etwa bei der Jagd nach Einbrechern helfen. „Das halte ich nicht für angemessen“, sagt Wesseler aus Düsseldorfer Sicht. Die Aufgaben der modernen Polizei seien zu komplex, drei Jahre Ausbildung schon keinen Tag zu lang. Immerhin: Das Land NRW will in den nächsten Jahren immer je 2000 neue Kommissaranwärter einstellen, „um gar keine demografische Lücke entstehen zu lassen“, wie Wolfgang Beus, Sprecher im Innenministerium, erklärt. Wesseler: „Das halte ich für das richtige Signal.“ Zudem soll älteren Beamten, die vor der Pensionierung stehen, ermöglicht werden, auf freiwilliger Basis länger zu arbeiten — 150 Stellen zusätzlich sind dadurch im ganzen Bundesland vorgesehen.

Trotzdem soll es auch in NRW weitere Entlastung für die Polizei geben — aber statt durch Crashkurs-Cops durch Regierungsbeschäftigte, die Aufgaben etwa in der Verwaltung übernehmen. „Das ist angelaufen“, erklärt Beus gegenüber der WZ. 350 Angestellte könnten die NRW-Polizeibehörden jetzt suchen. Und Wesseler fallen für sie auch viele weitere Aufgaben außerhalb der reinen Verwaltung ein — etwa auf dem Radarwagen. Und weitere Jobs, für die Nicht-Polizisten eingestellt werden könnten. Bei der Bekämpfung der Computerkriminalität zum Beispiel: „Es ist vermutlich einfacher, einen IT-Fachmann hier einzusetzen, als einen Polizeibeamten zum IT-Fachmann zu machen.“ Allerdings: „Da haben wir das Problem, dass wir die Fachkräfte am Markt gar nicht abgreifen können.“ Weil die freie Wirtschaft nun einmal besser zahle. Dennoch: „Man sollte nichts unversucht lassen“, glaubt Wesseler.

Und weil man das nicht sollte — schon gar nicht im Kampf gegen die vielen tausend Einbrüche pro Jahr —, wird in Düsseldorf jetzt auch die Software zur Vorhersage von Straftaten eingeführt. Das Frühwarn-System „Precobs“ gibt es etwa in München schon länger — und gegen den Bundestrend sanken die Einbruchszahlen dort im vergangenen Jahr um 22 Prozent; während sie in Düsseldorf um fast 25 Prozent stiegen. Köln und Duisburg testen die Software, die Muster in den Einbruchsfällen erkennen und bevorstehende Tatorte ermitteln soll. Ende des Jahres ist es auch im Düsseldorfer Präsidium so weit. „Es ist wohl sehr, sehr aufwändig“, erklärt Wesseler. Auch für die Eingabe des Datenwusts werden deshalb zusätzliche Regierungsbeschäftigte eingestellt. Aber der Polizeipräsident hat sich von Anfang an um den Versuch beworben: „Ich finde es richtig, dass man es versucht.“

Und das aus gutem Grund: „Wir verfolgen immer jede Spur, die wir haben. Aber: Wir haben bei der Belastung mit Fällen nicht die Möglichkeit, in jedem Einzelfall ohne Spuren und andere Ansätze bis zum Ende zu ermitteln“, bekennt der Polizeipräsident ganz klar. „Alles andere wäre unehrlich.“ Und selbst wenn die Einbrüche derzeit im zweistelligen Prozentbereich zurückgehen, sagt er: „Wir können mit diesem Ergebnis immer noch nicht zufrieden sein — nicht bei dem Aufwand, den wir in diesem Bereich betreiben.“ Aus der Düsseldorfer Perspektive dürfte die Notwendigkeit neuer Konzepte gegen Kriminalität damit deutlich sein, findet der Polizeichef.

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