Max-Stern-Debatte: Was Düsseldorf von der Stadt Weinsberg lernen kann

Die schwäbische Kommune hat bekanntgegeben, dass sie ein Werk, das einst der Galerie Max Stern gehörte, restituiert. Dieses Verhalten unterscheidet sich grundlegend vom Umgang der Stadt Düsseldorf mit dem Thema.

Max-Stern-Debatte: Was Düsseldorf von der Stadt Weinsberg lernen kann
Foto: NGCLA

Die Stadt Weinsberg liegt 350 Kilometer südlich von Düsseldorf und hat nur rund 12 000 Einwohner - dennoch könnte sie ein Vorbild für die NRW-Landeshauptstadt sein. Weinsberg hatte in einer städtischen Sammlung ein Werk, das einst dem Düsseldorfer Max Stern gehörte. Der jüdische Galerist musste es im Dritten Reich zwangsversteigern, nun hat es die schwäbische Kommune an die Erben zurückgegeben. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall im Überblick:

Was ist in Weinsberg geschehen? Weinsberg hat am Montag auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben, dass es das Gemälde „Die Weiber von Weinsberg“ von Gerritt Claesz Bleker aus dem Jahr 1624 restituiert. Die Stadt hat damit anerkannt, dass der Sammler Max Stern das Bild bedingt durch die Verfolgung der Nazis verloren hat und dass die Max & Iris Stern Stiftung die rechtmäßigen Eigentümer des Werkes sind. Wegen der Bedeutung des Werkes für die Stadt und dank der finanziellen Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder sowie die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung kann das Gemälde in den Sammlungen des Weinsberger Rathauses bleiben.

Wie war das Gemälde in den Besitz der Stadt gekommen? Max Stern war die Ausübung seines Berufs als Kunst- und Antiquitätenhändler 1935 verboten worden, aus dem Jahr 1937 gibt es ein Foto, das „Die Weiber von Weinsberg“ als Teil seines Lagerbestands ausweist. Wenig später zwangen ihn die Nazis, die Restbestände seiner Galerie zu versteigern. Die Stadt Weinsberg erwarb das Gemälde 1968 aus Privatbesitz, 2015 machte die Stern-Stiftung einen Restitutionsanspruch geltend.

Welche Verbindung gibt es zu Düsseldorf? In den Sammlungen der hiesigen Museen gibt es nach Angaben der Stadt 35 Werke, die einst über den Kunsthändler Julius Stern oder seinen Sohn Max beziehungsweise deren Galerie gehandelt wurden. Fünf der Gemälde hat Düsseldorf nach 1933 erworben. Aktuell liegen laut Stadt zu sechs Werken Auskunftsgesuche vor. Für das Gemälde „Die Kinder des Künstlers“ von Wilhelm von Schadow hat die Stern-Stiftung einen Restitutionsanspruch angemeldet. Die Stadt gibt an, dass zu dem Bild die Eigentumsverhältnisse zwischen 1933 und 1945 nicht aufgeklärt werden konnten. Sie habe angeboten, die „Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“ anzurufen.

Wie bewerten Beteiligte die beiden Fälle? Bei der Pressekonferenz am Montag wurde starke Kritik an der NRW-Landeshauptstadt laut. Die Rückgabe dieses Gemäldes sei ein klarer Weckruf an alle staatlichen und privaten Institutionen, die, anstatt das Richtige zu tun, noch immer ein Auge zudrückten und wegschauten, sagte Ronald S. Lauder, Vorsitzender der Commission for Art Recovery, die sich der Raubkunst und Wiedergutmachung widmet. Und noch deutlicher: „In jüngster Zeit hat das Max Stern Art Restitution Project nicht überall in Deutschland die Unterstützung erhalten, die es hätte erhalten sollen - das gilt insbesondere für die Stadt Düsseldorf, die die Arbeit des Max Stern Art Restitution Project nicht mit dem gebotenen Respekt behandelt hat.“

Etwas diplomatischer formulierte es Clarence Epstein, Chef des Max Stern Art Restitution Project. Er hoffe, dass das Beispiel Weinsberg andere Kommunen dazu bringe, offen auf Fragen der Restitution zu reagieren. Der kanadische Botschafter Stéphane Dion erklärte dies bei der Pressekonferenz am Montag ähnlich: „Ich gratuliere allen, die in diesem Projekt involviert waren, und hoffe sehr, dass das Max Stern Art Restitution Project in Deutschland auch weiterhin alle nur mögliche Unterstützung erfährt.“

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