Medizin Matratze simuliert für Frühchen Herzschlag der Mutter

Düsseldorf · Auf der Kinderintensivstation der Uni-Klinik ist bei Frühgeburten eine neue Erfindung im Einsatz.

 Jessica und ihr Frühchen Lotta. Über eine spezielle Matratze spürt Lotta auf der Kinderintensivstation der Uniklinik den Herzschlag und die Atemfrequenz ihrer Mutter, den sie aus dem Mutterleib kennt.

Jessica und ihr Frühchen Lotta. Über eine spezielle Matratze spürt Lotta auf der Kinderintensivstation der Uniklinik den Herzschlag und die Atemfrequenz ihrer Mutter, den sie aus dem Mutterleib kennt.

Foto: Universitätsklinikum Düsseldorf/ UKD

Eines von zehn Kindern ist eine Frühgeburt und kommt vor Ende der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt – Tendenz weltweit steigend. Alleine am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) werden jedes Jahr mehr als 200 Frühchen geboren. Etwa 30 Prozent aller Frühchen an Düsseldorfs größtem Krankenhaus kommen vor der 32. Schwangerschaftswoche und wiegen weniger als 1500 Gramm. Zum Vergleich: Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO wiegen Babys bei der Geburt in Deutschland durchschnittlich etwa 3500 Gramm.

Dann werden sie auf der UKD-Kinderintensivstation behandelt. Die Experten der UKD-Kinderklinik sind auf die Behandlung von Frühchen spezialisiert und gemeinsam mit der Frauenklinik als Perinatalzentrum Level 1 zertifiziert. Das bedeutet die höchste Qualitätsstufe in der Versorgung. Für die optimale Betreuung hat die Kinderintensivstation nun ein neues Angebot: Die Babybe Gelmatratze. Mit ihr kann der natürliche Atemrhythmus und der Herzschlag der Mutter imitiert werden, während die Frühchen auf der Neugeborenen-Intensivstation in speziellen Inkubatoren schlafen. Initiiert wurde das Projekt gemeinsam von Dr. Nora Schaal vom Institut für Experimentelle Psychologie und Dr. Juliane Tautz von der Kinderintensivstation der Uniklinik.

Es ist früher Nachmittag auf der Neugeborenen-Intensivstation und die kleine Lotta schläft neben ihrer Zwillingsschwester Emma. Mutter Jessica steht neben Lottas Bettchen und streicht ihrer Tochter sanft über den kleinen Kopf. Lotta und Emma sind Anfang Juli im Kreißsaal des UKD zur Welt gekommen – rund drei Monate vor dem ursprünglich errechneten Geburtstermin. Bei ihrer Geburt wogen sie um die 800 Gramm. Seitdem werden sie in der UKD-Kinderklinik betreut. Jessica und ihr Mann sind jeden Tag dabei.

Doch beide Kinder gleichzeitig betreuen ist aufgrund der besonderen Fürsorge bei Frühchen nicht einfach. „Die beiden sind absolute Kämpfermädchen und unser größtes Glück“, strahlt Jessica. „Aber ausgiebig mit beiden kuscheln, das geht noch nicht. Deshalb bin ich sehr froh, dass es hier an der Uniklinik Möglichkeiten gibt, den Kontakt zwischen uns und Lotta und Emma zu unterstützen. Die beiden haben sechs Monate meinen Herzschlag und meine Atmung gehört und sich gegenseitig gehabt. Jetzt müssen sie in den Inkubatoren erst alleine liegen. Gut, dass sie ihre gewohnten Geräusche über die Matratze wahrnehmen können.“

Zu früh geborene Babys mit einem sehr niedrigen Geburtsgewicht können ihre Körpertemperatur nicht selber regulieren und brauchen dabei Unterstützung durch einen Inkubator – im Volksmund auch Brutkästen genannt. „Der Brutkasten ist für die Frühchen am Anfang überlebenswichtig. Am wichtigsten ist aber der körperliche und emotionale Kontakt zu Mutter und Vater – nichts geht über das sogenannte ‚Känguruhen‘. Dabei halten Mutter oder Vater das Baby auf der nackten Brust – eben wie im Beutel eines Kängurus. Die Kinder spüren den vertrauten Herzschlag und die Atembewegung der Mutter“, erklärt Dr. Juliane Tautz, Oberärztin im Bereich Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der UKD-Kinderklinik. „Sehr kleine oder instabile Frühgeborene können dafür aber nicht immer aus den Inkubatoren genommen werden. Gerade bei Zwillingen, oder wenn zum Beispiel die Mutter noch von der Entbindung zu sehr geschwächt ist oder die Eltern aus sonstigen Gründen nicht anwesend sind, sind wir froh, die Gelmatratze einsetzen zu können. Die Technik kann die körperliche Nähe zu den Eltern nicht ersetzen, aber unterstützen und die gleiche Funktion wie das Känguruhen erfüllen.“

Mit einem speziellen Gerät wird dafür im Vorfeld die Atemfrequenz und der Herzschlag der Mutter aufgezeichnet. Die Matratze im Inkubator hebt und senkt sich dann individuell nach dem Rhythmus, den die Kinder schon aus dem Mutterleib kennen und der sie beruhigt. Die Eltern können auch Audios aufnehmen und so ihren Kindern etwas vorsingen oder vorsprechen.

Lotta und Emma gefällt es auf jeden Fall. Die Matratze hilft den beiden sich wohlzufühlen – unterstützt vom Team der UKD-Kinderintensivstation. Mutter Jessica ist glücklich: „Die beiden spüren meinen Herzschlag und unsere Nähe und unsere Stimmen. Ihnen geht es gut, das ist für mich das Allerwichtigste.“

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