Wellentäler eines Tennisprofis

Philipp Kohlschreiber bringt Deutschland gegen Serbien in Führung — und hofft, in Düsseldorf aus der Krise zu gelangen.

Düsseldorf. Er zauderte, er zögerte, er gab Punkte ab, die er schon gewonnen glaubte, und gewann jene, die verloren schienen. Am Ende hatte er genug gesammelt: Philipp Kohlschreiber hat das deutsche Team am Sonntag zum Auftakt des World Team Cups im Düsseldorfer Rochusclub gegen Serbien mit 1:0 in Führung gebracht.

Kohlschreiber gewann gegen die serbische Nummer zwei, Janko Tipsarevic, mit 6:4, 7:6 (7:5) und wies dabei nach, nichts von seiner merkwürdigen Ambivalenz verloren zu haben, die ihn seit Jahren als deutsche Nummer eins gekennzeichnet — und bisweilen zur Verzweiflung getrieben hat. Mit besten Voraussetzungen ausgestattet, hat sich der Augsburger seine Fallen oft selbst gestellt. Nur geht er heute, im elften Jahr seiner Profikarriere, anders damit um. Sympathischer. Es gab Zeiten, in denen redete der 27-Jährige nach einem verlorenen Match kein Wort.

„Ich erlebe in diesem Jahr nicht gerade die leichteste Phase meiner Karriere“, sagte Kohlschreiber nach dem Auftaktsieg, den er mit einer Mischung aus Erleichterung und Freude zur Kenntnis nahm. Im vergangenen Jahr hatte „Kohli“ in Düsseldorf zum Auftakt noch verloren. Und das sei nie schön „und im Mannschaftswettbewerb doppelt bitter“. Der Sieg überdeckt die Wunden, die auch dieses Spiel gegen Tipsarevic aufgerissen hat. „Ich spiele gut, kämpfe gut, aber am Ende macht der Gegner die Punkte. Irgendwie ist mein Spiel nicht da.“

Das nervt, das zehrt, aber für Siege gibt es keinen Ersatz. Kohlschreiber, lange Jahre als Nummer eins der Deutschen in Düsseldorf angetreten, hat diesen Status aufgeben müssen. Das Team wird von Florian Mayer angeführt, der aus einer Krise gestärkt hervorgegangen ist. Es gab Zeiten, in denen hätte Kohlschreiber mit einer solchen Situation gehadert. Jetzt sagt er: „Ich bin die Nummer zwei, mein Gott, das ist ja furchtbar“ und unterstreicht die Ironie mit einem Grinsen.

„Der Flo hat dieses Jahr wirklich einen guten Lauf“, sagt Kohlschreiber. „Er ist definitiv zurzeit der sportlich bessere Mann. Für ihn läuft es super, für mich nicht.“ Auch der FC Bayern gewinne nicht in jedem Jahr die Meisterschaft. Das klingt locker. Kohlschreiber hat gelernt, sich nicht mehr selbst zu zerfleischen, nach Diktion des Fußball-Trainers Christoph Daum im „Denkgefängnis“ gefangen zu sein. Ein Blick auf die ungeheure Dichte und Qualität im Spitzentennis wird ihm helfen. Nur wer fit und im Kopf frei ist, kann mithalten. Und das immerhin gelingt Kohlschreiber schon erstaunlich lange.

23 Matches hat er in diesem Jahr gespielt, die Bilanz lautet 13:10. Viertelfinal-Teilnahmen in Auckland und München sind die besten Resultate, das stellt ihn nicht zufrieden. Unter die ersten 20 wollte er, zwischen Position 40 und 45 pendelt er.

Mayer übernimmt am Montag, spielt das Spitzenduell gegen die serbische Nummer eins Viktor Troicki. „Vielleicht heißt es ja nach Flos Match schon 2:0 für uns“, sagte Kohlschreiber. Dann bliebe ihm Zeit. Zu trainieren. Und nicht zu sehr nachzudenken.

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