Kalkum feiert die schönste Niederlage

Landesligist TV Kalkum-Wittlaer verliert in Oberhausen 0:5 — und trotzdem sind die zahlreichen Fans keineswegs enttäuscht.

Düsseldorf. Sie tanzten und sie feierten, sie lagen sich in den Armen und herzten sich. Glückliche Gesichter und in den Nachthimmel gereckte Fäuste, wohin man auch sah. Irgendwann flogen sogar die ersten Trikots in den jubelnden Fanblock.

Dabei gab es streng genommen gar nichts zu feiern. Die große Sensation im Niederrheinpokal war ausgeblieben. Und das mehr als deutlich. 5:0 hieß es am Ende eines einseitigen Fußballabends im Niederrheinstadion von Oberhausen für die heimischen Rot-Weißen gegen den TV Kalkum-Wittlaer. Nicht mal 20 Minuten hatte der Viertligist gebraucht, um das Viertelfinale gegen die zwei Klassen tiefer spielenden Gäste zu entscheiden. 3:0 stand es da bereits. Und obwohl die Gastgeber danach zwei Gänge zurückschalteten, wurde es auch später nicht mehr spannend.

Wirklich enttäuscht war auf Seiten des TVKW aber niemand. Erst recht nicht Giuseppe Montalto. Müde, aber zufrieden blickte der Trainer nach dem bislang größten Tag seiner Laufbahn drein. „Das war ein unvergesslicher Abend für den ganzen Verein. Die Jungs haben sich super verkauft“, sagte er nach der Rückkehr nach Wittlaer. „Das Ergebnis war von vornherein zweitrangig.“

Knapp fünf Stunden zuvor musste sich der 43 Jahre alte Fußballlehrer schon arg bemühen, um einen ähnlichen Lässigkeitsgrad zu erreichen. Es war kurz nach 18 Uhr, als der Landesligist zum ersten Mal den Rasen des Stadions betrat, in dem bis vor drei Jahren Zweitligafußball zu sehen war. So gut wie jeder Spieler zückte sein Smartphone, um Erinnerungsfotos zu schießen. Seht her, wir spielen in einem richtigen Stadion.

Montalto selbst stand etwas abseits am Spielertunnel und beobachtete das Team, mit dem er erst im Sommer die Bezirksliga verlassen hatte. Und das sich durch Siege über den SV Uedesheim, die TuRU sowie den 1. FC Mönchengladbach sensationell in die Runde der letzten Acht vorgekämpft hatte. „Für die Jungs ist das eine feine Geschichte hier“, sagte er, ohne die Besonderheit für die eigene Laufbahn zu leugnen: „Für jeden Trainer, der etwas erreichen will, ist das natürlich auch sensationell.“ Noch nie habe er ein Stadion mit mehr als 20 000 Plätzen von der Trainerbank aus erlebt. Als Spieler erst recht nicht.

Während der Coach sein Team kurze Zeit später in die Kabine bat, um die taktischen Einzelheiten zu besprechen, stand Dirk Reil draußen an der Imbissbude. In der einen Hand ein Bier, in der anderen eine Zigarette gegen die Nervosität. „Das ist schon genial“, sagte das Vorstandsmitglied mit Blick auf die mächtigen Flutlichter. „Letztes Mal war ich als Fan mit der Fortuna hier. Jetzt mit dem TVK. Für einen Dorfverein geht heute ein Traum in Erfüllung.“

Entsprechend gut hatte sich besagter Dorfverein auf den größten Tag der Clubgeschichte vorbereitet. Obmann Rolf Heider und sein Team waren wochenlang damit beschäftigt gewesen. Neben dem Bus für Mannschaft, Vorstand und spezielle Gäste fuhren gleich drei Fanbusse nach Oberhausen. Dazu dutzende Autos. Laut RWO war letztlich fast die Hälfte der 1342 Zuschauer aus dem Düsseldorfer Norden ins Ruhrgebiet gekommen. Eine ganze Armada an eigenen Kameramännern fotografierte und filmte unaufhörlich. Beim Treffen vor der Abfahrt. In den Bussen. Vor dem Stadion. Beim Warmmachen. Beim Einlauf der Mannschaften. Die Choregraphie und die Gesänge der Fans. Das Spiel. Und die Feierei danach. Nichts sollte für die Nachwelt vergessen werden. Beim Aufwärmen hatte selbst einer der Spieler eine Kamera am Körper.

Vielleicht war das alles dann doch etwas viel für ein Team, das bis vor wenigen Monaten nicht mal in der Landesliga gespielt hatte. In den ersten Minuten zeigte sich der TVKW übernervös. Als er sich an die Begebenheiten gewöhnt hatte, war das Spiel schon entschieden. Gefeiert wurde hinterher trotzdem.

Statistik

Rot-Weiß Oberhausen — TV Kalkum-Wittlaer 5:0 (4:0)

TVKW: Gröger — Jürgen, Böhm, Zimmermann, Brunnen, Fenster, Müller, Sillah, Hechhoff, Hoppe (67. Brockhoff), Grambow (72. Kopatz)

Tore: 1:0 (13.) Schikowski, 2:0 (16.) Weigelt, 3:0 (19.) Fleßers, 4:0 (44.) Fleßers, 5:0 (82.) Scheelen

Zuschauer: 1342

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