Boom der Firmenläufe „Laufen ist das neue Golf“

Düsseldorf · Am Donnerstagabend steigt der große B2Run in der Arena mit knapp 12 000 Teilnehmern. Kein Einzelfall: Firmenläufe boomen im ganzen Land. Klassische Volksläufe haben es dagegen immer schwerer.

 Beim B2run laufen am Donnerstagabend wieder tausende Teilnehmer durch die Arena.

Beim B2run laufen am Donnerstagabend wieder tausende Teilnehmer durch die Arena.

Foto: nn

Selbst der Oberbürgermeister kommt. Um 18.30 Uhr wird Thomas Geisel am Donnerstag in der Arena den Startschuss geben für den B2Run. Das liegt nicht nur daran, dass Geisel selbst regelmäßig seine Joggingschuhe schnürt, der Firmenlauf hat als eins der größten Sportevents des Jahres auch gesellschaftlichen Wert. Immerhin begeben sich mehr als 12 000 Läufer aus rund 600 Unternehmen auf die Strecke in Stockum. Darunter durchaus Menschen, die etwas zu sagen haben in ihren Firmen.

Der größte seiner Art ist der Düsseldorfer Lauf freilich nicht. Der steigt in Frankfurt mit knapp 70 000 Teilnehmern, Europas größte Laufevent, mit dem nicht mal die Marathons in London oder Berlin konkurrieren können. Passenderweise wird es von einer Bank gesponsert, denn Firmenläufe sind längst zu einem Millionenbusiness geworden. Organisiert werden sie von professionellen Eventagenturen, meist steigen sie an besonderen Orten wie großen Stadien, auf den Werbebannern finden sich bekannte Unternehmen, gar mancher Daxkonzern ist dabei.

Business, Sport und Party — das Konzept boomt. Bundesweit gibt es Dutzende dieser Veranstaltungen. Allein der B2Run ist mittlerweile in 17 Städten vertreten, in den vergangenen Jahren hat er immer neue Läufe ins Leben gerufen oder (wie in Düsseldorf) bestehende Veranstaltungen aufgekauft. Dieses Jahr werden sie die Schallmauer von 200 000 Teilnehmern durchbrechen, sie kommen aus knapp 10 000 Unternehmen.

Die Teilnehmer wollen heute ein Rahmenprogramm

Die Popularität der Firmenläufe liegt vor allem an ihrem Eventcharakter, den der klassische Volkslauf von Stadteil- oder Dorfvereinen nicht bieten kann. „Die Leute wollen heute mehr erleben als den sportlichen Wettkampf. Sie wollen Rahmenprogramm vorher und nachher, und sie wollen besondere Locations wie die Arena“, sagt Sonja Oberem, die zu denen gehört, die von der Eventisierung des Laufsports profitieren. Die ehemalige Weltklasse-Läuferin organisiert als Geschäftsführerin und Renndirektorin der Rhein-Marathon Düsseldorf GmbH Veranstaltungen wie den Marathon und den Kö-Lauf.

Auch die beiden entwickeln sich, aber das ist kein Vergleich zu den Firmenläufen. „Business Runs haben ihren Platz im Betriebssport und erreichen dabei Wachstumsraten von sensationellen 30 Prozent pro Jahr“, schrieb das „Manager Magazin“ bereits 2016. Die Organisatoren profitieren dabei vom veränderten Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft: Die Zahl der Raucher und Trinker sinkt, die derer, die sich gesund ernähren und Sport treiben, steigt.

Ganz zur Freude der Unternehmen, fitte Mitarbeiter sind schließlich seltener krank und in der Regel produktiver. Also investieren die Firmen in die Gesundheit ihrer Angestellten, übernehmen meist die Teilnahmegebühr von um die 30 Euro, „die großen Betriebe haben zudem alle Fitnessstudios, in manchen können sich Mitarbeiter über den Sport Punkte verdienen“, weiß Sonja Oberem.

Alle Angestellten werden mit den Angeboten aus dem eigenen Haus dennoch nicht erreicht. Und auf die zielen die Firmenläufe: „Wir wollen die Leute ansprechen, die keinen Sport machen, die seit 15 Jahren im dunklen Flur einer Versicherungsgesellschaft sitzen“, sagt Simon Kohler, der ebenfalls hauptberuflich Laufevents in der Region organisiert, unter anderem den Firmenlauf in Neuss. Der ziehe eben auch Sportmuffel an, weil es sich im Team leichter motivieren lässt und die Distanzen (meist nur wenige Kilometer) so überschaubar sind, dass sie selbst für ungeübte Läufer nach einigen Wochen Training zu packen sind. Das wird zudem meist mit den Kollegen gemeinsam absolviert und hat dadurch eine soziale Komponente. Wieder zur Freude der Unternehmen, die Sportstunden lassen das Teamgefühl sowie die Identifikation mit dem Arbeitgeber steigen.

Netzwerktreffen für die teilnehmenden Firmen

Ausschließlich um Sport geht es bei Firmenläufen keineswegs. Laut Organisator Kohler ist „Laufen das neue Golf“. Für viele Teilnehmer ist der Sport nur der Anlass, nicht der Grund. Wie in den VIP-Bereichen bei der Fortuna oder der DEG kommen auch rund um die Laufevents Menschen zusammen, die Geschäfte machen wollen.

Kohler macht da kein Geheimnis draus, im Gegenteil: Er fördert die Entwicklung sogar. Dabei hatte der leidenschaftliche Läufer und Triathlet „anfangs gar keine kommerziellen Interessen“, sein erster Lauf 2012: „62 Teilnehmer, fast nur Freunde, die gemeinsam gelaufen sind und nachher Silvester gefeiert haben.“

Daraus hat sich nicht nur der Uedesheimer Silvesterlauf entwickelt, sondern ein Büro mit mehreren festen Mitarbeitern, die ein eigenes Magazin herausbringen und jedes Jahr mehrmals tausende Läufer bewegen. Zudem organisieren sie Infoveranstaltungen und Netzwerktreffen für die Unternehmen, die am Firmenlauf teilnehmen. „Es ist ein Ganzjahresprojekt“, sagt Kohler, „wir bieten nicht nur die Laufveranstaltung, unser Konzept hat vier Säulen: Training, Motivation, Regeneration, Ernährung.“ Und natürlich Business. Dass die Firmen miteinander ins Geschäft kommen, ist ausdrücklich erwünscht.

Da können kleine Volksläufe von Sportvereinen natürlich nicht mithalten. Die Ehrenamtler sind froh, wenn sie genügend Helfer und Sponsoren zusammenbekommen, um überhaupt den sportlichen Teil des Tages zu stemmen. Bei den Firmenläufen sind die Unternehmen von Beginn an Teil der Veranstaltung, sie mieten Infostände oder Werbeplätze. „Zu uns kommt keiner von sich aus und will Sponsor werden, man muss denen hinterherlaufen“, sagt Bernd Zahlten, Organisator des Martinslaufs vom SFD 75.

Der führt um den Unterbacher See herum und erfreut sich im Gegensatz zu anderen Volksläufen nach wie vor großer Beliebtheit, knapp 3000 Teilnehmer sind jeden November dabei. „Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen“, sagt Zahlten. Manche Sponsoren seien bereits zu den neuen Großevents abgewandert, weil sie dort mehr Menschen erreichen.

So verschwinden immer wieder Volksläufe. Auch in Düsseldorf: der Garather Marathon, der Grafenberger Waldlauf, der Crosslauf, der Ostparklauf — alle weg. Die letzten beiden wurden vom DSD organisiert, dem fehlte es vor allem an Ehrenamtlern. Beim SFD gehe es noch, sagt Zahlten, „weil wir eine relativ große Jugendabteilung haben, wir ziehen die Jüngeren frühzeitig heran“. Doch auch in Holthausen sei zu beobachten, dass „viele Mitglieder den Verein nur noch als Dienstleister verstehen“. Am Vereinsleben teilnehmen und den Klub aktiv gestalten? Wollten die wenigsten. „Viele sagen: Ich habe bezahlt, dafür erwarte ich jetzt etwas.“

SFD finanziert mit dem Martinslauf seine Saison

Entsprechend karg sieht es bei manchen kleinen Läufen im Zielbereich aus. Für Bühne mit Livemusik, Partyzelt und Hüpfburg fehlen Geld und Helfer. Der wackelige Biertisch mit den selbstgebackenen Kuchen lockt aber immer weniger Menschen an. Die neue Läufer-Generation hat eine andere Erwartungshaltung, also zieht es sie zu den Events. Dort sorgen professionelle Dienstleister für das gewünschte Rahmenprogramm. Wer will, kann im Vorfeld bei kostenlosen Lauftreffs trainieren oder bekommt Infomaterial für ein gesundes Leben. Natürlich kann man beim Veranstalter auch gleich einen Satz Trikots mit Firmenlogo oder einen Tisch für die Party danach bestellen. Alles natürlich Social-Media-gerecht präsentiert und fotografiert. Man will der Welt ja zeigen, was man sportlich erreicht hat.

Auf die Expertise der Profis greifen mittlerweile auch Vereine zurück, erzählt Firmenlauf-Organisator Simon Kohler, auch die, „die uns früher kritisiert haben“. Nachtragend sei er aber keineswegs, sondern viel mehr ein Freund des klassischen Vereinssports und kleiner Volksläufe: „Auch uns ist das Vereinsleben wichtig, das eine geht nicht ohne das andere, am besten zieht man am selben Seil.“

Bernd Zahlten hofft, dass sein Verein auch langfristig eine Hand an das Seil bekommt. Schließlich ist der Martinslauf kein Selbstzweck: „Wir müssen nicht nur unsere Kosten gedeckt bekommen, wir finanzieren mit den Einnahmen unser gesamtes Saisongeschäft, die Trainingslager, die Nachwuchsarbeit.“ Fällt der Lauf irgendwann weg, wäre das alles in Gefahr.

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