Hockey Düsseldorf — die neue Hockey-Stadt

Neue Hallen, neue Plätze, neue Trainer — die Sportart boomt. Das schätzt man auch im Rathaus.

Hockey: Düsseldorf — die neue Hockey-Stadt
Foto: Stadt/Ingo Lammert

Düsseldorf. Ein Nachmittag vergangene Woche in Gerresheim. Man konnte dort durchaus auf die Idee kommen, der Bundestags-Wahlkampf sei verlängert worden, so viele Politiker drängten sich auf die Anlage des DSC 99 an der Diepenstraße. Dabei ging es lediglich darum, ein paar Grußworten zu lauschen und Männern dabei zuzusehen, wie sie symbolisch mit dem Spaten hantieren.

Hockey: Düsseldorf — die neue Hockey-Stadt
Foto: DSD

Doch natürlich ging es um mehr. Erst recht für alle, die ein Herz für den DSC 99 haben. Fast 20 Jahre lang kämpfte der um einen zweiten Kunstrasen für seine Hockeyspieler. Allen voran Udo Wackernagel, der langjährige Vorsitzende. Seit der 100-Jahr-Feier 1999 hatte er dafür gearbeitet, Klinken geputzt, Gespräche geführt, jeden Rückschlag hingenommen und es wieder neu versucht.

Hockey: Düsseldorf — die neue Hockey-Stadt
Foto: Christof Wolff

Vergessen hat das beim DSC niemand. Als Wackernagel nun vor dem Spatenstich über die Anlage ging, konnte er sich vor Schulterklopfern und Umarmungen kaum retten. Zwei Mal gab es gar spontanen Applaus. Während des Empfangs danach wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt.

„Wir brauchen diesen zweiten Platz, teilweise trainieren hier 50, 60 Kinder gleichzeitig. So ist kein vernünftiges Training möglich“, sagte er wenige Minuten zuvor — als müsse er immer noch drum kämpfen. Aber das muss er nicht. Seine Mission, den Hockeysport im DSC nach vorne zu bringen, ist bald abgeschlossen. 2007 hatte er ja bereits entscheidenden Anteil daran, dass die 1,7 Millionen Euro teure Halle für Hockey und Tennis gebaut wurde. Seitdem geht es weiter bergauf, hunderte Spieler sind derzeit in 34 Teams in Gerresheim aktiv — Tendenz steigend.

Der DSC ist kein Einzelfall. Um die 100 Hockey-Mannschaften spielen derzeit in Düsseldorf. Überall steigen die Zahlen, es wird gebaut und investiert. Beim großen DHC vom Seestern in Oberkassel wurde zwischen 2012 und 2014 die komplette Anlage für mehrere Millionen Euro saniert und erweitert. Neues Clubhaus, neue Halle, neuer Kunstrasenplatz.

Und trotzdem hat der Verein einen Aufnahmestopp verhängt: „Wir haben pro Jahrgang 60, 70 Kinder. Das ist sensationell gut, aber wir könnten schon jetzt einen dritten Platz und eine zweite Halle gebrauchen“, sagt Nico Sussenburger, Trainer der beiden Bundesliga-Teams des DHC.

Dass nun auch kleinere Vereine wie der DSC 99 aufrüsten, Plätze bauen und hauptamtliche Trainer einstellen, gefällt ihm. Schließlich werde nicht nur in Düsseldorf investiert, „in der ganzen Region legen die Clubs immer mehr Wert auf eine vernünftige Jugendarbeit. Ein Platz reicht nicht mehr aus“, sagt Sussenburger und verweist auf die Niederlande: „Da gilt man mit zwei Plätzen als kleiner Verein, da haben manche fünf Plätze und mehrere feste Trainer.“

Auch der DSC 99 gönnt sich hauptberufliche Hockeytrainer. So wie Frank Staegemann: „Wir haben erkannt, dass einige Clubs an uns leistungsmäßig vorbeigezogen sind und dass wir etwas tun müssen, um mitzuhalten“, sagt er.

Also entschieden sie sich in Gerresheim vor zwei Jahren dazu, eine hauptamtliche Stelle zu schaffen. Staegemann bekam den Zuschlag. Ein Glücksfall für beide Seiten. Der Verein freut sich über Erfolge wie jüngst den Gewinn der Oberliga-Meisterschaft mit den A-Knaben, der Trainer kann bei seinem Heimatverein arbeiten: „Ich bin in dem Club groß geworden, irgendwann aber gewechselt, weil ich meine Hockey-Leidenschaft zum Beruf machen wollte. Jetzt kann ich das hier tun.“

Frank Staegemann, hauptamtlicher Hockeytrainer beim DSC 99

Dass sich selbst Vereine ohne Erstliga-Team wie der DSC 99 hauptamtliche Trainer gönnen, sei inzwischen normal, sagt Staegemann: „Anders ist das nicht mehr zu bewältigen. Früher haben meistens die Väter die Spieler trainiert, heute sind die Ansprüche größer geworden. Einen Ball in die Mitte zu legen und die Kinder spielen zu lassen, geht nicht mehr.“ Gerade im Hockey, wo sie in Sachen Trainingsinhalte besonders innovativ sind. Nicht umsonst sind in den vergangenen Jahren mehrere Hockeytrainer in den noch reicheren Fußball gewechselt. Nicht umsonst holen die Nationalmannschaften bei großen Turnieren regelmäßig Medaillen.

Einen Anteil daran hat auch Düsseldorf. Ganz zur Freude des Rathauses, das in den Sport investiert. Mit Zuschüssen für Baumaßnahmen, Turniere, Teams oder einzelne Sportler. Peter Kluth, Vertrauter von OB Thomas Geisel und eine der wichtigsten Personen im Düsseldorfer Sport, sagt: „Die Hockey-Mannschaften und -Spielerinnen sind Aushängeschilder des Düsseldorfer Sports. Nach Fußball, Eishockey und Tischtennis steht Hockey für uns an Nummer vier, von den Erfolgen her nach dem Tischtennis an Nummer zwei.“

Das liegt bei den Erwachsenen vor allem am DHC, der mit beiden Teams in der Bundesliga spielt — die Damen gewannen in der Halle 2016 den Europokal. Wenige Monate später schickten sie drei Spielerinnen zu Olympia nach Rio, die mit Bronzemedaillen heimkamen. Inzwischen staunt in der Szene niemand mehr, wenn der DHC von Branchengrößen wie Uhlenhorst Mülheim Nationalspielerinnen abwirbt.

Bei den Jugendlichen ist selbst ein so kleiner Verein wie der DSD aus Grafenberg erfolgreich. Jüngst sind die A-Knaben (Jahrgänge 2003/2004) Westdeutscher Meister geworden. Am Wochenende steht die Zwischenrunde zur Deutschen Meisterschaft an der Altenbergstraße an. Dafür hat der Verein extra eine Zusatztribüne für 300 Zuschauer aufgestellt. Er kennt das: Vor großen Turnieren wie Olympia veranstaltet er in Grafenberg gern mal ein Vier-Nationen-Turnier mit den Topstars des internationalen Hockeys.

Nun ist er selbst dabei, künftige Stars auszubilden. Trainer Holger Muth hat ein sensationelles Team beisammen, selbst Clubs wie der DHC, Rot-Weiss Köln oder Mülheim können da nicht mithalten. Muth sagt: „Wir haben vier bis fünf absolute Topspieler und dahinter zwölf bis 15 richtig gute Jungs, die alle mit dem Hockeystock umgehen können.“

Geht es nach DHC-Trainer Sussenburger, werden die kleineren Vereine ohnehin unterschätzt. Talente würden diese meist viel zu früh verlassen. „Dabei gibt es gar keinen Grund dafür, wenn man bei seinem Verein ein vernünftiges System vorfindet“, sagt er und ärgert sich über den „falschen Ehrgeiz der Eltern“.

Der entsteht häufig, weil die sich das Hobby ihrer Kinder einiges kosten lassen. Bis heute ist das größte Problem des Hockeysports, dass er so teuer ist. Nicht zwingend die Ausrüstung, sondern die Mitgliedschaft. Beim DSC kostet die pro Jahr für Jugendliche 388 Euro, für Erwachsene gar 550 Euro.

Hinzu kommen die vielen Reisen. Weil es nicht so viele Vereine gibt, geht es schon für die Kleinsten oft hunderte Kilometer zu Auswärtsspielen oder Turnieren. „Hockey ist teuer“, weiß Peter Kluth, „das schreckt viele ab. Aber die Vereine sind trotzdem voll.“ Logisch, möchte man ergänzen, in Düsseldorf wohnt schließlich das passende Klientel.

Auch Sussenburger macht sich nichts vor: „Natürlich ist Hockey in gewissem Maße ein elitärer Sport. Aber wenn ich sehe, was man dafür alles bekommt — topausgebildete Trainer, neue Freunde, viel Sport — bekommt man viel zurück.“

Vor allem Kontakte, die einem später helfen. Manch ein Verein wirkt fast wie eine Studentenverbindung. Ärzte, Juristen, Wirtschaftsbosse — hier findet sich alles. Man kennt sich, man hilft sich. Mit Praktika, Jobs oder Aufträgen. Da ist es vielleicht doch nicht überraschend, dass sich die Politiker auf die Anlage drängen, wenn ein neuer Kunstrasenplatz eingeweiht wird. Es wird nicht der letzte in der Hockey-Stadt Düsseldorf gewesen sein.

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