Borussia Düsseldorf Das Ende der Dominanz

Düsseldorf · Zwei Jahre in Folge kein Titel für den Tischtennisklub. Doch weit weg von der Spitze ist das Team um Superstar Timo Boll nicht.

 Timo Boll gewann in der Saison 2019/20 wettbewerbsübergreifend 27 von 30 Matches für die Borussia.

Timo Boll gewann in der Saison 2019/20 wettbewerbsübergreifend 27 von 30 Matches für die Borussia.

Foto: Horstmüller

In der Bundesliga und dem Pokalwettbewerb kam das „Aus“ im Halbfinale gegen Ochsenhausen, die Champions League wurde vor der Runde der letzten Vier abgebrochen. So endete für Tischtennis-Rekordmeister Borussia Düsseldorf nach 2018/19 auch die Saison 2019/20 ohne Titel. „Die Enttäuschung ist noch nicht richtig verdaut, sie wird eher nur durch andere Dinge überlagert. Bei mir persönlich wird das sicherlich noch über Wochen nachwirken“, gibt Andreas Preuß zu.

Der Manager bezeichnet das Gefühl nach der zweiten Saison in Folge ohne Titelgewinn als „brutal schmerzhaft“, sagt aber auch: „Wir durchschreiten bei der Borussia nicht zum ersten Mal ein Tal. Das habe ich alles schon erlebt. Auch nach der Ära von Jörg Roßkopf oder dem Abgang von Vladimir Samsonov war es nicht immer einfach.“

17 Titel haben sie bei Borussia Düsseldorf zwischen 2011 und 2018 gesammelt, 71 sind es insgesamt in der von Erfolgen geprägten Geschichte des Vorzeigevereins. Wo liegen die Ursachen für die momentane Durststrecke? Weit weg von der Spitze oder gar chancenlos ist die Borussia keineswegs, falsch zusammengestellt ist die Mannschaft auch nicht. Im Gegenteil, das Team von Trainer Danny Heister ist hochtalentiert. Kristian Karlsson und Anton Källberg haben ihre Klasse in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt, auch in wichtigen Matches. Trotzdem fehlt Karlsson noch ein Quäntchen, um sich in die absolute Weltspitze zu katapultieren. Und Källberg muss endlich den entscheidenden Entwicklungsschritt gehen, um in die Top 30 vorzustoßen. Zuletzt zeigte der Jüngste im Team, dass er auf dem richtigen Weg ist. Ricardo Walther, der 2020 erstmals Deutscher Einzelmeister wurde, hatte einige Startschwierigkeiten, dann fand er zu starker Form und verlor seit November nur noch ein Einzel. Einzig Omar Assar fiel im Vergleich etwas ab.

Mit Verletzungen, Krankheiten und der einen oder anderen kleinen Formschwankung haben alle mal zu tun — auch Timo Boll, der mit seinen 39 Jahren trotzdem eine unfassbare Gesamtbilanz von 27 Siegen und nur drei Niederlagen in allen drei Wettbewerben aufweist und damit immer noch aus einer anderen Welt zu kommen scheint. Doch auch Boll war vor einigen Wehwehchen nicht gefeit. Beim 2:3 im Play-off-Halbfinale gegen Ochsenhausen war der Europameister physisch nicht bei 100 Prozent, konnte nicht wie gewünscht seine Rückhand umlaufen.

Und obwohl die Borussia Platz zwei nach der Bundesliga-Hauptrunde belegte, im Pokal bis ins Halbfinale kam und starke Auftritte in der Gruppenphase sowie dem Viertelfinale der Champions League zeigte, hat Preuß bei allen Verbesserungsbedarf ausgemacht: „Kristian muss im spieltechnischen Bereich eine Schippe drauflegen. Ebenso im Training. Anton muss in seiner Spielausrichtung sicherer werden und Ricardo muss seine Fitness auf ein anderes Level bringen“, fordert der Manager. „Auch Timo muss weiter an seiner Fitness arbeiten, um auf hohem Niveau bleiben zu können. Ihm würde es guttun, nicht mehr die ganz hohen Intensitäten zu fahren.“

Ochsenhausen und Saarbrücken sind derzeit stabiler

Abgesehen von Boll scheint es den anderen drei Spielern in entscheidenden Matches ab und zu an Abgezocktheit und der nötigen Ruhe zu fehlen. Doch dann trumpfen sie auch groß auf. Im Bundesliga-Halbfinale gegen Ochsenhausen entzauberte Karlsson beispielsweise Top-Ten-Spieler Hugo Calderano. Alle können jederzeit jeden Kontrahenten besiegen, daher fehlt der Borussia insgesamt nicht viel, um wieder Titel zu gewinnen. Vielleicht müssen am Ende alle nur fünf oder zehn Prozent zulegen.

Längst aber ist klar: Die Konkurrenten, allen voran Ochsenhausen und der neue Deutsche Meister Saarbrücken, haben aufgeschlossen. Die Düsseldorfer Dominanz ist (vorerst) vorbei. Doch sind insbesondere diese beiden Klubs langfristig gesehen bereits besser? „Das nicht. Sie sind derzeit aber stabiler“, so Preuß. „Wir bewegen uns in einer Übergangszeit. Dennoch sehe ich uns immer noch als Marktführer. Daran lassen wir uns messen.“

Zur neuen Saison wird sich der Kader nur geringfügig verändern. Omar Assar geht, Kamal Achanta kehrt als „Stand-by“-Profi zurück und soll die Anderen entlasten. Preuß hat Vertrauen in das Team, das in der kommenden Saison wieder angreifen wird und Titel gewinnen soll, sagt aber: „Perspektivisch mache ich mir Gedanken. Es kann sein, dass die Mannschaft nach der Saison 2020/21 anders aussehen wird. Uns fehlt einfach der Komplementär-Spieler zu Timo.“ Sich immer darauf zu verlassen, dass Boll zwei der drei benötigten Punkte für einen Sieg einfährt, kann und darf für die Borussia nicht (mehr) die Lösung sein.

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