Landgericht Düsseldorf Hier wird über menschliche Abgründe und den ganz einfachen Zwist geurteilt

Düsseldorf · Das Landgericht Düsseldorf wird 200 Jahre alt. Ein Rückblick auf spektakuläre Prozesse.

 Blick in die Eingangshalle des Düsseldorfer Landgerichts (und Amtsgerichts) an der Werdener Straße in Oberbilk.

Blick in die Eingangshalle des Düsseldorfer Landgerichts (und Amtsgerichts) an der Werdener Straße in Oberbilk.

Foto: picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd

Der Jubilar ist schon mehrfach umgezogen: das Landgericht, dem Justizminister Peter Biesenbach am Freitag zum 200. Geburtstag gratulieren wird. Ganz früher mal teilte es sich ein Dach mit der Kunstakademie. Später residierte es dort, wo sich heute das Justizministerium (Martin-Luther-Platz) befindet. Dann sehr lange in der Altstadt. Da, wo jetzt, im Andreasquartier,  fein gewohnt wird. Schließlich vor zehn Jahren der Umzug mit dem Amtsgericht nach Oberbilk. Zur Werdener Straße. In ein Gebäude, das den Besucher schon durch seine Größe einschüchtert.

In dem Labyrinth von Richterzimmern, Sekretariaten und Gerichtssälen werden alle möglichen Arten von Prozessen geführt. Da sind die zivilrechtlichen Streitigkeiten: Bürger gegen Bürger ab einem Streitwert von 5000 Euro. Da sind die Kammern für Handelssachen, die Streitigkeiten aus Geschäften unter Kaufleuten verhandeln. Es gibt Extra-Gerichtskammern für Patentrechtsstreitigkeiten. Und dann sind da die Prozesse, die das Gericht immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit rücken: Die Strafverfahren.

Einer dieser Strafprozesse und die Kritik an seinem Ausgang spielt gerade wieder eine Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Der Prozess um den Bombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn vor 20 Jahren, an den dieser Tage gedacht wird. Ein Gedenken, in das sich erneut Kritik am Freispruch gegen den Angeklagten vor zwei Jahren mischt. Eine Entscheidung, die aber noch nicht endgültig ist. Die  Staatsanwaltschaft hat Revision beantragt.

 1981 verurteilte das Landgericht im Majdanek-Verfahren die damals 61jährige Angeklagte, die frühere SS-Aufseherin Hermine Ryan (M), wegen Mordes.

1981 verurteilte das Landgericht im Majdanek-Verfahren die damals 61jährige Angeklagte, die frühere SS-Aufseherin Hermine Ryan (M), wegen Mordes.

Foto: picture alliance / dpa/Hartmut Reeh

Der Majdanek-Prozess und sein viel kritisiertes Ergebnis

In einem international besonders beachteten Verfahren prasselte einst Kritik auf das Düsseldorfer Landgericht ein. Zeitungsüberschriften wie „Dieses Urteil ist eine Schande“ oder „Die hilflosen Richter“ waren das Echo auf die Entscheidung der Richter im Majdanek-Prozess am 30. Juni 1981. In dem fast sechs Jahre dauernden Verfahren ging es um Mordtaten im Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek zwischen 1941 und 1944. In seinem Urteil ging das Gericht von mindestens 250.000 Toten in dem Lager aus. Mehr als 340 Zeugen wurden vernommen. Die von vielen als zu milde empfundenen Urteilssprüche damals: Sieben Mitglieder des Lagerpersonals wurden wegen Beihilfe zum Mord zu Haftstrafen zwischen drei und zwölf Jahren verurteilt. Eine Angeklagte bekam wegen Mordes in zwei Fällen lebenslang: Hermine Ryan, die dann 1996 mit 77 Jahren wegen ihres schlechten Gesundheitszustands durch Ministerpräsident Johannes Rau begnadigt wurde.

Man kann nicht sagen, dass die Justiz den Fall verdrängt. Schon zwei Mal, 1996 und 2016, gab es im Landgericht Gedenkveranstaltungen mit Blick auf das Urteil. Eine Dauerausstellung zu dem Verfahren findet sich im Eingangsbereich des Gerichts. Auch die aktuelle Festschrift „200 Jahre Landgericht Düsseldorf“ behandelt den Fall ausführlich.

 Der Serienmörder Peter Kürten wurde 1931 zum Tode verurteilt.

Der Serienmörder Peter Kürten wurde 1931 zum Tode verurteilt.

Foto: picture alliance / dpa/Peter Ulbrich

Um einen anderen Typus Mörder ging es in dem Verfahren gegen Peter Kürten. Der Mann, der die Stadt in Angst und Schrecken versetzt hatte, wurde 1931 wegen neunfachen Mordes und siebenfachen Mordversuchs zum Tode verurteilt. Und später hingerichtet.

Wirtschaftskrimi und Vicotoryzeichen

 Das Victory-Zeichen des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann beim Mannesmann-Prozess im Januar 2004.

Das Victory-Zeichen des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann beim Mannesmann-Prozess im Januar 2004.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wiederum ganz anderer Art waren die Vorwürfe im Mannesmann-Verfahren  2004 bis 2006. Im Zuge der Übernahme des Mobilfunkanbieters Mannesmann durch Vodafone wurde den Mitgliedern des Aufsichtsrats und dem Ex-Chef von Mannesmann Untreue vorgeworfen. Es ging um die Genehmigung und Leistung von Sonderzahlungen in zeitlich engem Zusammenhang mit der Übernahme. Das Urteil: Freispruch.

Angeklagt war damals auch Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank. Am ersten Prozesstag entstand ein Foto, das seither für das spektakuläre Wirtschaftsverfahren steht und auch immer an Ackermann hängenbleiben wird. Als er mit den anderen Verfahrensbeteiligten auf den Verhandlungsbeginn wartete, zeigte er mit seinen Fingern das siegesgewisse V für victory. Das Bild ging durch die Medien – als Zeichen von Arroganz der Macht. Ackermann wollte es anders gedeutet wissen. Er habe doch nur Michael Jackson imitiert. Dieser hatte wenige Tage zuvor seinen ersten Gerichtstermin im Prozess wegen Kindesmisshandlung. Und das Gericht mit dem Victory-Zeichen verlassen. Er, Ackermann habe spontan den Superstar mit dessen Geste nachgeahmt. Übrigens: Wann immer das Foto wieder veröffentlicht wird, so auch auf dieser Seite, wird noch ein anderer mit hineingezogen: ein geschätzter Journalistenkollege, der dort im Hintergrund erkennbar ist. Es ist halt ein Dokument der Zeitgeschichte, sorry Frank.

Eifersucht, Mordversuch und
ein beauftragter Killer

Aufsehen erregte auch ein Fall, der 1972 vor dem Landgericht verhandelt wurde. Ein Mann, Ende 20, hatte sich in eine sechs Jahre ältere Frau aus der feinen Düsseldorfer Gesellschaft verliebt. Die lebte mit ihrem Mann in offener Beziehung. Diesen Ehemann wollte der Liebhaber aus dem Wege räumen. Versuche mit Stromschlag und Gift scheiterten. Schließlich beauftragte er einen Killer. Doch dieser verletzte das Opfer nur. Das Urteil: sechs Jahre Haft für den Liebhaber, 34 Monate für die Ehefrau. Der gescheiterte Killer bekam lebenslang.

In der Festschrift des Landgerichts zum 200. Geburtstag (das 200-Seiten-Buch gibt es für 5 Euro am Info-Point im Landgericht)  werden noch andere spektakuläre Kriminalfälle erzählt, die schließlich im Gerichtssaal endeten. Wie der Armbrust-Fall, in dem eine 21-jährige Frau ihren 58-jährigen Geliebten mit eben dieser Waffe erschoss. Oder der als „Mord ohne Leiche“ bekannt gewordene Fall um einen verschwundenen Kö-Millionär.

 Hartwig Ollerdißen, Vorsitzender Richter am Landgericht, im Mai dieses Jahres bei einem von ihm per Videokonferenz geführten Prozess.

Hartwig Ollerdißen, Vorsitzender Richter am Landgericht, im Mai dieses Jahres bei einem von ihm per Videokonferenz geführten Prozess.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Die Festschrift erzählt noch viel mehr aus dem Alltag und der Historie des Gerichts, in das kürzlich die Zukunft Einzug hielt. Gerichtsverhandlung per Videokonferenz. Im Mai zum Beispiel, als Richter Hartwig Ollerdißen die so aus Frankfurt und Berlin zugeschalteten Anwälte ihre Argumente austauschen ließ. Das banale Thema: unlautere Matratzenwerbung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort