Moderne Clownerie Wenn Clowns das Museum entern

Düsseldorf · Interview Der Schweizer Zirkusartist Martin Zimmermann verspottet die Verbote in modernen Kunsthäusern.

 Zirkusartist Martin Zimmermann inszeniert ein Clown-Trio, das die Verbote in einem modernen Museum auf die Schippe nimmt.

Zirkusartist Martin Zimmermann inszeniert ein Clown-Trio, das die Verbote in einem modernen Museum auf die Schippe nimmt.

Foto: Augustin Rebetez

Martin Zimmermann ist Clown. Und zählt damit zu einer aussterbenden Spezies. Doch was der vielfach ausgezeichnete Schweizer auf die Beine stellt, bewegt sich zwischen Theater, Tanz und Zirkus. So lässt er seine Artisten nicht nur die Beine hinters Ohr klemmen. Sie spotten in seinem neuen Stück „Eins Zwei Drei“ über Machenschaften des sogenannten Museumsbetriebs. Der Direktor als Lackaffe und Schampus schlürfende Kunst-Tussi inklusive. Dazu eine Mischung aus Ballett, Hip-Hop und Breakdance. Klingt spannend und passt irgendwie zu Düsseldorf, denkt man. Tatsächlich: Zimmermann präsentiert sein neues Opus vom 12. bis 15. September beim „Düsseldorf Festival“ im Tanzhaus NRW. Unsere Zeitung sprach mit dem Allrounder.

Herr Zimmermann, „Eins Zwei Drei“  nennen Sie Ihre neue Inszenierung Worum geht’s?

Martin Zimmermann: Darin inszeniere ich ein Clowntrio in einem ultramodernen Museum. Dabei interessiert mich seit Jahren die Frage, wie ein Clown heutzutage verstanden und im zeitgenössischen Theater inszeniert werden kann. Ich setze mich mit dem vertrackten Verhältnis zwischen dem eitlen, gebildeten, besserwisserischen Weißclown und dem warmherzigen naiven August auseinander und dem verrückten Dritten, dem „contre-pitre“, der immer alles durcheinander bringt. Durch dieses Dreieck versuche ich, die Poesie, Gewalt und Komplexität von Beziehungen und Machtkämpfen der heutigen Zeit zu skizzieren. Für jeden der drei geht es um die Existenz und das nackte Überleben.

Wie kamen Sie darauf, die Kunstszene auf die Schippe zu nehmen?

Zimmermann: Ich bekam eine tolle Anfrage von der Fondation Beyeler, in Basel eine Woche Performances zu machen im Rahmen der Ausstellung von „Alexander Calder & Fischli/ Weiss“. An diesem Uperclass-Ort kam mir die Idee, einen Besucher zu spielen, der noch nie im Museum war und alles anders macht als erwartet und verlangt. Ich wollte viele Ideen umsetzten, doch sagte mir die Direktion häufig, es tut uns leid, aber das ist verboten in einem Museum.

Wie reagierten Sie?

Zimmermann: Ich fand das verrückt, da ein Museum für mich der Freiraum für die Kunst sein sollte. Ich bekam eine Liste mit dem, was ich alles nicht machen darf. Ich fand das inspirierend und lernte alle kennen, um die absurden Regeln zu umgehen: von der Aufsicht über das Putzpersonal bis zur Kuratorin und dem Direktor. Am meisten war ich mit den Putzleuten zusammen. Die hatten auch ein absurdes Protokoll, wie man ein  Mobile von Calder abstauben soll und hatten viel Humor. Mit dieser Museums-Hierarchie machte ich einen geheimen Plan und drehte an nur einem Tag meinen Film  „Der Besucher“ mit meiner Clown-Figur, die alles anders macht, als man es verlangt. Das ganze Museum kam, um die Performance zu sehen, da sie ja alle im Film waren und alle lachten über sich selbst. Da merkte ich, dass dieses Material Potenzial für ein Theaterstück hat. Das Museum als Metapher der heutigen Zeit mit so vielen Regeln, dass man nur alles falsch machen kann.

Welche Rolle spielt für Sie der Humor?

Zimmermann: Humor ist für mich das Wichtigste im Leben. Wenn du über dich selber lachen kannst, bist du fähig, den Kontakt aufzunehmen mit deinem Gegenüber und gleichzeitig kannst du du selber bleiben. Das ist aber das Schwierigste im Leben.

Wie komponieren Sie Ihre Stücke?

Zimmermann: Ich kreiere Stücke für Tänzer, Physische Schauspieler und Akrobaten, die mich berühren und inspirieren. Ich habe keine Methode, sondern experimentiere mit dem Körper im Raum. Mein erster Beruf ist Dekorations-Gestalter. Ich habe in der Zirkusschule in Paris herausgefunden, dass ich alle Zirkusobjekte mit einem beweglichen Bühnenbild ersetzen kann. In all meinen Stücken erfinde ich zuerst den Bühnenraum, bevor ich mit den darstellenden Künstlern arbeite. Diese Suche und das Skizzieren der Figuren ist harte Knochenarbeit und ein langer Weg – von Basteln, Komponieren und Erfinden.

Sie stammen aus einer Familie von Käsern, aus dem Zürcher Oberland, aus dem „Tal der Erfinder“. Bezeichnen Sie sich als Erfinder?

Zimmermann: Wenn man etwas nicht versteht, ist das für mich viel spannender als wenn man es versteht. Ich finde es spannender, etwas zu kreieren, zu hinterfragen, zu grübeln. Mein Vater hat mir gesagt: Lerne zuerst einen richtigen Beruf. Danach, wenn du wirklich Clown werden willst, mach es einfach anders als alle anderen.

Wie erklären Sie einem Deutschen den „Niedergar-Humor“?

Zimmermann: Es ist der tragikomische, zähneknirschende – also der Schweizer Hinterwäldler-Humor. Es ist der Humor eines Käsersohns, der in der Scheune einen eigenen absurden Kosmos erfunden hat, weil es ihm langweilig war und er die große Welt entdecken wollte.

Sind Donald Trump oder Boris Johnson moderne Clowns?

Zimmermann: Es gibt nichts Gefährlicheres als politische Clowns. Hätte man die Figur Trump erfinden wollen, wäre das unmöglich gewesen. Es gibt nichts Gefährlicheres als populistische Clowns.

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