Wie man einen Roman schreibt? Keine Ahnung!

Sarah Kuttner stellte ihr Debüt „Mängelexemplar“ vor.

Düsseldorf. Sie trinken Latte Macchiato aus Pappbechern, gestikulieren wild und sprechen ungewöhnlich laut. Die Mädels im Zuschauerraum im vierten Stock der Mayerschen Buchhandlung an der Kö tragen schmal geschnittene T-Shirts, Jeans und flache Turnschuhe.

Einige von ihnen haben Jungs im Schlepptau - auch sie sind lässig gekleidet, wirken teilnahmslos, desinteressiert. Dann geht das Licht aus, die Gespräche werden leiser, bis schließlich sie den Gang zwischen den Stuhlreihen entlang schreitet: Sarah Kuttner, Moderatorin und nun auch noch Romanautorin.

Kolumnen schreiben, das liegt ihr. Für die Süddeutsche Zeitung und für den Musikexpress hat sie etliche geschrieben - und sie schließlich in zwei Büchern zusammengefasst. "Aber wie man einen Roman schreibt - keine Ahnung."

Und dann war er da, der erste Satz. Der Satz, mit dem Sarah Kuttner auf jeden Fall ihren Roman beginnen wollte. "Eine Depression ist ein Fucking Event", hatte ein Psychiater zu einem Freund gesagt. Der Anfang war gemacht. "Nun musste ich nur noch eben schnell das Buch zum Satz schreiben."

Das hat geklappt - und nun sitzt sie in Düsseldorf und soll daraus vorlesen. Nervös ist sie. "Aber ich kann von hier aus den H&M sehen. Das beruhigt mich." Dann macht sie noch schnell ein paar Fotos vom Publikum und los geht es. Sie fängt an zu lesen, unterbricht sich aber sofort wieder selbst.

"Wer ist schon mal auf einer Lesung von mir gewesen?" Ein paar Hände schnellen nach oben. Nicht viele. "Das ist gut so", sagt Sarah. Schließlich möchte sie keine Erwartungen enttäuschen. Ihre Lesungen zu den beiden ersten Büchern seien laut, schrill und eine Party gewesen. Das funktioniere bei "Mängelexemplar" nicht. Zu ernst sei das Thema: Depressionen. "Also werde ich nur tun, wofür ich eingeladen wurde, nämlich lesen."

Ihre Protagonistin, das "Mängelexemplar", ist Karo. Eine überdrehte junge Frau aus der Großstadt - überlegen in jeder Situation, immer gut drauf und auf der Überholspur unterwegs. Bis sie schließlich vom Leben überholt wird: Erst verliert sie ihren Job, dann ihren Freund - und schließlich hat sie das Gefühl, völlig allein dazustehen. Eine Therapie soll helfen. Doch ist sie überhaupt genug vom Leben gebeutelt für eine Therapie?

Sarah Kuttner liest schnell, jedoch ohne Hast, macht den Zuhörern mit ihrer Stimme das Leiden der jungen Karo erlebbar. Zwischendurch streut sie Anekdoten ein. Erzählt von niederländischen Übersetzerinnen, verwirrenden, gelben Balken in Düsseldorfs Fußgänger-Ampeln und Mails von Personen, die in ihrem Buch nicht gut weggekommen sind.

Ganz ernst zu bleiben - das klappt selbst während der zweistündigen Lesung nicht. Und trotzdem: Die Fans sind begeistert. Vielleicht gerade weil Sarah Kuttner so locker mit dem Thema umgeht.

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