Konzert Der junge „Einspringer“ lässt die Düsseldorfer Symphoniker glänzen

Düsseldorf · Tonhalle Der „Ersatzdirigent“ Adrien Perruchon übernahm das Programm mit Schostakowitsch, Schubert und Ravel souverän. Bei der „Unvollendeten“ allerdings stimmte nicht alles.

 Der Geiger  Vadim Gluzmann und Dirigent Adrien Perruchon beim Konzert mit den Düsseldorfer Symphonikern in der Tonhalle.

Der Geiger  Vadim Gluzmann und Dirigent Adrien Perruchon beim Konzert mit den Düsseldorfer Symphonikern in der Tonhalle.

Foto: Tonhalle /Diesner/Susanne Diesner

Wie knapp die Nummer war – lässt sich daran ablesen, wessen Konterfei auf dem Programmheft des jüngsten Sternzeichenkonzerts in der Tonhalle abgebildet ist. Dort sieht man nicht Adrien Perruchon, sondern noch Dirigentin Joana Mallwitz. Sie sollte eigentlich das Schubert-Ravel-Schostakowitsch-Programm des ersten Abo-Konzerts dieses Jahres in der Tonhalle dirigieren. Aber sie musste absagen – kurzfristig, wegen einer Erkrankung.

In Windeseile setzte sich die organisatorische Maschinerie – großer Dank an Orchesterdirektorin Barbara Fasching – der Tonhalle in Gang und, welch Glück, flott war Ersatz gefunden. Perruchon, geboren 1983, von Hause aus Schlagzeuger, war Solo-Pauker beim Orchestre Philharmonique de Radio France und beim Seoul Philharmonic Orchestra, als Dirigent gerade im Wandel vom Newcomer zum Etablierten, ein noch unverbraucht-frisch wirkender Orchesterleiter.

Und nun übernahm er, das ist schon eine bemerkenswerte Leistung, genau das von Mallwitz vorgesehene Programm. Darunter das zweite Konzert für Violine und Orchester von Schostakowitsch cis-Moll op. 129, das Perruchon, wie er uns im Interview verriet, noch nie zuvor dirigiert hatte. Durch dessen grüblerisch innensichtige, zugleich lyrisch-wehmutsvolle und feurig-expressive Seelenlandschaft er nun die Düsseldorfer Symphoniker und den Solisten Vadim Gluzman führen sollte.

Perruchon merkt man in jeder Sekunde seines Dirigats an, dass er als Pauker mitten aus der Welt eines Orchesters erwachsen ist, gleichsam berufsbedingt über ein tüchtiges Gespür für Puls, Rhythmus und Schlag verfügt. Perruchon hat eine mühelos, gesammelt und fast schon schwerelos wirkende Schlagtechnik. Und wählt zudem den Weg, sein Dirigat aus der Musik selbst heraus, weniger hermeneutisch aufgeladen mit viel Beiwerk, sondern puristisch und zeitgleich klangschön ausdrucksstark zu gestalten.

Wenngleich sich gerade aus der Musik selbst das Sentiment, das Gefühl von Natur aus entfaltet; vielleicht etwas weniger konturiert gezeichnet als man gerade von einem jungen Dirigenten mit Feuer und Pfeffer erwartet hätte. Was aber nicht heißt, dass der Franzose nicht gerne schnelle und drängende Tempo wählen würde. Keine Spur von Unsicherheiten eines Einspringers.

Auf die Basis der Symphoniker, mit teilweise betörend schön gespielten Soli der Bläser (großes Lob diesmal auch an das Horn), legte sich Gluzmans kultiviert emotionales GeigensSpiel. Das Haltung hat und nur wenige Kompromisse kennt. Durch ihn spricht nahezu immer mehr Schostakowitsch, mit beseelt gespieltem Violin-Ton zu uns, als ein übersteigertes Ego. Bravo!

Ohnehin scheinen Ego-Spielchen auch Perruchon fremd. Bei Schuberts Sinfonie h-Moll, der „Unvollendeten“, wirkt es wie so oft bei Schubert, als ob man nicht viel falsch machen könne. Diese Musik beeindruckt immer. Doch kann man gerade bei Schubert so viel verkehrt machen. Perruchon liefert mit den Symphonikern einen wunderschönen Klang; übergeht aber so manches für Schuberts Tonfall unerlässliche Detail. Mehr Kontraste, mehr Kraft im Aufschrei, mehr Textur im Klangteppich und mehr Auskosten von Schuberts Melodik wäre schön. Viel mehr Wert legen auf Pianissimo, wenn es denn so oft in der Partitur steht und Flüstern verlangt ist. Unverständlich flott wirkt alles in diesem Allegro moderato. Wieso er bei dem schnellen Tempo sich verführt sieht, überwiegend die Viertel auszuschlagen und so die Musik mit sehr hektischen Bewegungen zu lenken, bleibt sein Geheimnis. Dennoch: seine in sich schlüssige Interpretation vermittelte er gekonnt an das Orchester – dafür gebührt Respekt. Flotten Reiz hatte das geisterhafte Durchhuschen ja.

Ravels Orchestersuite Nr. 2 zu „Daphnis et Chloé“ ist ein von Süd-Sonne aufgewärmter Fluss, der gewebt ist wie ein leicht verblasster, aber zauberschöner Gobelin, aus einer Zeit, die man gar nicht so genau bestimmen kann und will. Etwas erotisch, etwas mystisch, etwas exotisch und sehr warm und weich umfließt es den Hörer wie ein Opium-Traum – nicht, dass der Autor dieser Zeilen wüsste, wie sich das anfühlt.

Perruchon ist bei Ravel – ist das ein Klischee? – als Franzose nun wirklich zu Hause. Und seine Art zu dirigieren, scheint gerade bei  perfekt aufzugehen. Was das Publikum mit großem Applaus goutierte.

Montag nochmals um 20 Uhr in der Tonhalle.

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