Düsseldorf Videokunst: Stoschek expandiert jetzt in Berlin

Julia Stoschek baut ihr Museum aus, und zwar in Berlin. Sie sammelt unermüdlich Videokunst — und sie freut sich auf ihr Baby.

Düsseldorf: Videokunst: Stoschek expandiert jetzt in Berlin
Foto: dpa

Düsseldorf. Für die Paparazzi ist Julia Stoschek die Idealfigur: Sie ist 40 Jahre alt, bestens gekleidet und geschminkt, reich und schön. Als Gesellschafterin der Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. gehört sie zu einem Familienunternehmen, das mit knapp 20 000 Mitarbeitern die Fahrzeugteile für die Automobilindustrie weltweit herstellt. Doch die studierte Betriebswirtin wurde vom Kunstvirus befallen, und das ist für Düsseldorf ein Glück, von dem man nur hoffen kann, dass es noch lange währt. Wäre da nicht der 2. Juli, wo sie in Berlin-Mitte eine Dependance eröffnet. Zuvor wird sie im April Mutter, vermutlich ebenfalls in Berlin. Jetzt erhielt sie einen Brief von Künstlern, die sie bitten, der Düsseldorfer Kunstszene auch weiterhin treu bleiben.

„Düsseldorf braucht dich“, heißt es darin. Berlin sei schön und gut, aber sie dürfe auf keinen Fall hier die Flamme herunterdrehen. Diese „Flamme“ ist die Sammlung Stoschek, sind die neuen Ausstellungen, die Führungen und das Beiprogramm.

Ihre Vernissagen haben längst Kult-Charakter. Das wurde am letzten Freitag deutlich, als sie die Video-Schau „Hello Boys“ eröffnete. Da konnten sich die Galerien in der Innenstadt und in Flingern noch so viel Mühe geben, die Kunstfans liefen im Gänsemarsch nach Oberkassel zur Schanzenstraße 54 in ihr Privatmuseum. Dort pflegt sie am ersten Tag einer Ausstellung das Haus für jedermann zu öffnen, Freibier zu kredenzen, im Winter die Heizstrahler im Hof einzuschalten und die Gäste zu empfangen. Und das diesmal, obwohl sie im siebenten Monat schwanger ist. Sie ist eine perfekte Gastgeberin.

Ohne ihren Namen öffentlich preiszugeben, behaupten viele Kunstkenner, die Musik spiele bei ihr. Kein Museum der Stadt biete so viel internationale Avantgarde wie sie. Deshalb pilgern denn auch die Musiker der Toten Hosen, Akademieprofessoren, Künstler aus der Umgebung und insgesamt Alte und Junge, Nachbarn und Zugereiste zu ihr. Die Eröffnungen sind Treffpunkte, Ideen- und Info-Börsen.

Julia Stoschek nimmt ihren Job als Gesellschafterin im Familienbetrieb ernst, aber sie pflegt auch ihre Leidenschaft. Nur einen Unterschied gibt es zwischen der Wirtschaftlerin und der Sammlerin: Die eine ist an die Bedingungen des Verkaufs und mithin des Marktes gebunden, die andere will das, was sie hat, auch behalten.

Julia Stoschek, Sammlerin

Stoschek ist besessen von der internationalen Medienkunst. Wie eine Botschafterin trägt sie ihre Sammlung durch die Welt. Die Firma, der sie entstammt, gehört zu den reichsten Familien Deutschlands. Man würde der Urenkelin nicht übelnehmen, wenn sie mit Kunst spekulieren würde. Doch das tut sie nicht. Im Gegenteil, sie kauft von ihren Favoriten immer noch Arbeiten hinzu. „Kunst erfüllt mein Herz mit Energie“, sagt sie.

Mehr als 600 Hauptwerke der Medienkunst hat sie in Kürze erstanden. Ihre Schätze gehören zu den wichtigsten ihrer Art in Europa und Amerika. Doch sie engagiert sich nicht nur für ihre eigenen Dinge, sondern auch für öffentliche Häuser. Sie sitzt in Düsseldorf im Vorstand des Kunstvereins, in der Ankaufkommission der Kunstsammlung und im Aufsichtsrat der Kunsthalle. Sie gehört zum Tate Council in London, zum Board des MoMa PS1 in New York, zum Performance Comitee am Whitney Museum und unterstützt die Kunstvereine in Köln und Düsseldorf.

Monika Kerkmann, Direktorin

Wollte man sie mit einem anderen Wahnsinnigen der Kunst vergleichen, so wäre es Harald Falckenberg. Der Hamburger kann selbst mit Herzproblemen die Treppe hinaufrennen, wenn es darum geht, ein tolles Bild dem Besucher zu präsentieren. Auch Stoschek bleibt nicht cool, wenn es darum geht, ein starkes Werk zu präsentieren. Beide, Falckenberg und sie bauen ihr jeweiliges Fabrikgelände immer wieder um, setzten Wände neu und sorgen für den guten Auftritt ihrer Werke. Sie will den Menschen beweisen, wie wichtig Film, Video und Fotografie als Ausdrucksmittel für die Menschen sind.

2004 erwachte ihr Interesse an der Medienkunst mit einem Elefanten, der seinen eigenen Tod spielt. Sie sah das Video von Douglas Gordon in New York und war begeistert. Inzwischen kauft sie mit Methode, erweitert die Highlights und beschäftigt fachlich gebildete Künstler zur Lagerung und Handhabung hochsensibler Filmrollen, Beta-Bänder und Videos.

Das Haus in Düsseldorf-Oberkassel, ein ehemaliges Fabrikgebäude, ließ sie 2005 bis 2007 von den längst zu Stars gewordenen Architekten Kuehn Malvezzi umbauen, zum Wohle feministischer Kunst der 60er Jahre oder der Trash-Ästhetik der 80er Jahre. Sie zog doppelte Wände ein, damit man im Zwischenraum den Sternenhimmel des Dänen Olafur Eliasson sehen kann. 2011 eröffnete sie das Gebäude als Ausstellungshaus und zog selbst ein.

Wo sie derzeit ihre privaten Zelte in Berlin aufschlägt, bleibt bislang geheim. die Adresse ihres Berliner Instituts will sie in Kürze bekannt geben. Monika Kerkmann, ihre Ausstellungschefin in Düsseldorf, lässt verlautbaren: „Düsseldorf bleibt die Basis. Wir werden unser Programm und unsere Ausstellungen weiterhin machen. Nur haben wir daneben auch eine Außenstelle in Berlin, vorerst als temporären Standort.“

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