Kunst im öffentlichen Raum : Vadim Sidur mahnt für den Weltfrieden
Düsseldorf Die Skulptur des Moskauer Bildhauers ist ein Geschenk Udo van Meeterens an die Stadt.
Der Hofgarten wird gern als Idylle bezeichnet. Das ist er schon lange nicht mehr. Mit dem Sturm Ela verschwanden viele Baumriesen. Im Zuge der Sanierung wurden sandige Wege in Radfahrer-Rennpisten verwandelt. Lauschige Orte gibt es nur noch an drei Anhöhen. Eine davon ist der Ananasberg. An dessen Abhang steht Vadim Sidurs Riesenskulptur „Der Mahner“.
Diese fast fünf Meter hohe überlebensgroße Figur erschrickt und erstaunt. Man erwartet sie nicht im verspielten Rheinland. Sie stammt von einem Künstler, dessen Biographie untrennbar mit dem Zweiten Weltkrieg verknüpft ist. Als junger Soldat der russischen Armee erlitt Sidur so schwere Verletzungen, dass er für sein Leben gezeichnet war. Seine jüdische Familie väterlicherseits wurde 1944 von den deutschen Besatzern erschossen. 25 Millionen Menschen fielen in der Sowjetunion den Nazis zum Opfer. So ein Künstler versteht die Kunst nicht als abstrakte Formensprache. Sein „Mahner“ ist ein Künder.
Er übermittelt seine Botschaft nicht als expressionistischen Schrei, wie es Edvard Munch auf seinen Bildern tut, sondern in einer sehr strengen Figur, die durch einen Schalltrichter ihre Botschaft in die Welt ruft. Der schlanke Rumpf wirkt wie eine emporstrebende Kraft, deren Dynamik an den Armen abgewinkelt ist und dessen Kopf so sehr nach hinten gebeugt ist, dass sich die Blicke der Passanten auf die zum Ruf geöffneten Hände konzentrieren. Damit die Spaziergänger wissen, was diese Figur mit ihrer Körperhaltung besagt, gibt es am Wiesenrand eine steinerne Inschrift. Sie stammt von dem Düsseldorfer Mäzen Udo van Meeteren. Sie wirkt wie sein Glaubensbekenntnis, das mit dem des Künstlers übereinstimmt.
„Mensch dieser Erde, wer du auch bist, woher du auch kommst, wohin du auch gehst, bedenke, Gott, der Allmächtige, hat dir dies Leben geliehen, unterscheiden zu lernen, das Gute vom Bösen. Nutze dein Leben, das Gute zu tun.“ Was für eine Mahnung! Während in 500 Meter Luftlinie ein Konsumtempel nach dem anderen errichtet wird, mit Laufstegen über dem Wasser, fordert die Figur den Menschen zum Innehalten auf. Und der Spender nimmt „Gott, den Allmächtigen“ zu Hilfe, um dieser fast schon radikalen Botschaft Nachdruck zu verleihen. Van Meeteren hatte selbst erlebt, wie sein Sohn 1979 aus dem Leben gerissen wurde. 1980 gründete er eine gemeinnützige Stiftung zum 100. Geburtstag seines Vaters, um Not zu lindern, die Natur zu erhalten und „die menschlichen Werte“ zu fördern. „Der Mahner“ ist das Sinnbild dafür.
Eher zufällig war Udo van Meeteren auf den Künstler aufmerksam geworden, mitten im Kalten Krieg. Den Tipp gab ihm Andrea von Knoop, eine gute Freundin, heute Ehrenpräsidentin der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer und Grande Dame der deutschen Wirtschaft in Moskau. Es war die „finsterste Sowjetzeit“, Ende der 1970er Jahre, wie van Meeteren erzählt. Mit seiner Frau landete er 1980 in Moskau. Andrea von Knoop musste ihr Auto auf der Fahrt zum Künstler drei Wohnblöcke entfernt abstellen, denn Vadim Sidur entsprach nicht der offiziellen sowjetischen Kunstdoktrin. Ein Auto vor seiner Wohnung wäre verräterisch gewesen.