Uraufführung im Schauspielhaus: Mit 60 den großen Aufbruch wagen

Das Schauspielhaus zeigt „Herzschritt“ von Jan Neumann.

Düsseldorf. Krach! Durch die Tür bricht die Mutter buchstäblich in Ursulas Leben herein. Wie so oft. Denn Ursula (60) wohnt seit 20 Jahren allein. Die Mutter ist die einzige, mit der sie ihren Feierabend verbringt. Jan Neumanns Stück "Herzschritt" erlebte nun seine Uraufführung im Kleinen Haus des Schauspielhauses. Regie führt (erstmals in Düsseldorf) Hermann Schmidt-Rahmer.

Mit zwei Besetzungsclous wartet die Uraufführung dieses Auftragswerks auf. Der eine ist Katja Paryla, Grande Dame des DDR-Theaters, als Gast in der Rolle der Ursula. Ihre mimischen Fähigkeiten sind bewundernswert: Mal reißt sie verzweifelt die Augen auf, dann wieder verzieht sie resigniert den Mund zu einem Strich. Trotz aller Komik verleiht sie dieser Einzelgängerin anrührende Würde.

Als überaus gelungene Besetzungsidee erweist sich Michael Schütz in der Rolle der Mutter: Mit Perücke, dicker Brille und Pantoffeln schlappt er/sie durch Ursulas Leben und nervt sie mit einem Rezept für indisches Hochzeitshuhn.

So ist die Stimmung dieses Theaterabends schnell vorgegeben. Die eher tragikomische Geschichte einer Frau an einem Wendepunkt hätte durchaus düsterer ausfallen können. Doch die Regie lässt keine der grotesken Pointe ungenutzt, die der Text bietet.

Autor Neumann erzählt in lakonischem Ton, gespickt mit Kalauern, vom Tod der Mutter. Danach verliert Ursula ihren Job und muss sich überlegen, wo es noch hingeht in ihrem Leben. Erotik erlebt sie nur in der Fantasie mit Harald (Matthias Fuhrmeister), der in dieser Inszenierung durch eine Gummimaske eher alptraumhafte Züge erhält.

Mit ihrer Kollegin und Rauchpausenbegleitung Susanne (mit herrlich kölschem Singsang: Anne Knaak) plant sie, wie es weitergehen soll. Eine Kontaktanzeige macht’s möglich: Sie trifft den verknöcherten Schering (ebenfalls Fuhrmeister), der ihr zwar nicht den Weg in eine sonnige Zukunft weist, dafür aber als One-Night-Stand (köstlich als Hörspiel im Dunkeln inszeniert) zeigt, was sie eigentlich nicht will.

Auch wenn nicht alle szenischen Lösungen überzeugen, bietet der Abend doch gute Unterhaltung mit der richtigen Menge Ernsthaftigkeit, die das Thema erfordert.

1,5 Std., keine Pause, Auff.: 30.9., 7., 15., 24. und 25. 10., Karten unter Tel. 0211/369911.

WZ-Wertung:

Regie: 3 von 5 Punkten

Stück: 3 von 5 Punkten

Ensemble: 4 von 5 Punkten

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