Tocotronic: Unnahbar und charmant

Die Hamburger Band überzeugte im ausverkauften Zakk mit wahrhaftigem Krach und großer Spielfreude.

Düsseldorf. Seit den 1990er Jahren sind sie die Stilikonen des deutschen Diskursrocks, und am Mittwoch kamen sie erstmals seit 2007 wieder ins Zakk: Die Hamburger Band Tocotronic um Frontmann Dirk von Lowtzow. Dabei standen neben vielen älteren Songs auch einige vom neuen Album "Schall und Wahn" auf der Setliste.

Und alle wollten dabei sein: Wo man sonst auf der Straße noch Restkarten angeboten bekommt, liefen diesmal Menschen mit Schildern herum, auf denen "Suche eine Karte" stand. Eine Abendkasse gab es nicht, das Konzert war Wochen im Voraus ausverkauft.

Das scheint berechtigt. Tocotronic, die wie keine zweite Band in Deutschland den Zwiespalt zwischen Mainstream, innerer Zerrissenheit und Verweigerungshaltung verkörpern, machten vom ersten Takt an vor allem eins: sehr veritablen Krach.

Und der Funke sprang über: von Lowtzow und Kollegen waren gut drauf, witzelten mit dem Publikum und bewiesen große Spielfreude. Ein Umstand, der auf vergangenen Konzerten durchaus nicht immer gegeben war. Den Auftakt machten Tocotronic mit "Eure Liebe tötet mich", das laut und dröhnend bereits erahnen ließ, wohin die Reise bei Tocotronic musikalisch geht. Sie haben sich über die inzwischen 17 Jahre ihrer Bandgeschichte weiterentwickelt und sind längst aus den synthetischen Trainigsjacken herausgewachsen.

Obwohl Tocotronic die ganz großen Hits zum Mitsingen ausließen: Spätestens bei "Die Grenzen des guten Geschmacks II" aus dem Jahr 1999 gab es zumindest bei den Fans der ersten Stunde kein Halten mehr.

"Viele von euch haben das Jahr vielleicht noch gar nicht bewusst erlebt", sagte von Lowtzow zum jüngeren Teil des Publikums und streichelte damit frotzelnd all jenen die Seele, die jede seit 1993 geschriebene Zeile mitsingen können und Tocotronic als musikalischen Wegbegleiter empfinden, der für sie stilprägend war und ist.

Einer der nächsten musikalischen Höhepunkte nach "Verschwör’ dich gegen dich" und "Schall und Wahn" war dann das subversive "Aber hier leben, nein danke" vom Album "Pure Vernunft darf niemals siegen". Da streckte der ein oder andere dann auch mal zustimmend die linke Faust in die Luft.

Am Ende war das Konzert vor allem eins: eine gelungene Melange aus alten und neuen Songs. Perfekt eingesetzt war auch der Schlusspunkt: eine zehnminütige, nicht enden wollende Version von "Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit". Besser können Tocotronic kaum von der Bühne gehen, um - darauf hoffen wohl viele - möglichst bald wiederzukommen.

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