Themenschwerpunkt Gründonnerstag Tita Giese: „Ich will durch Pflanzen Exotik erzeugen“

Düsseldorf · Tita Giese realisiert exotische Inseln mitten im Straßenverkehr der Stadt. Mit "Begrünung" jedoch hat sie nichts zu tun.

 Yuccas in Autoreifen: Die Verkehrsinseln am Stresemannplatz von Tita Giese verströmen Dschungel-Flair.

Yuccas in Autoreifen: Die Verkehrsinseln am Stresemannplatz von Tita Giese verströmen Dschungel-Flair.

Foto: Nic Tenwiggenhorn

Palmen, Bambus, Farne und Schilf wachsen auf Verkehrsinseln oder Straßenzungen. Tita Giese verwandelt sogenannte Restflächen in kleine Dschungel. Die Yuccas in Autoreifen auf dem Stresemannplatz oder der Mini-Urwald auf dem Ernst-Reuter-Platz sind aus Düsseldorf nicht mehr wegzudenken. Giese möchte nicht als Grünkünstlerin, Pflanzengestalterin oder Landschaftsarchitektin bezeichnet werden. Sie arbeite mit Pflanzen, sagt sie. Wir sprachen mit Giese darüber, warum urbane Restflächen für sie interessant sind, über Begrünungs-Kitsch und die „Palmenstadt“ Düsseldorf.

 Tita Giese in ihrem riesigen Testgarten in Düsseltal, fotografiert von Künstlerfreund Thomas Ruff.

Tita Giese in ihrem riesigen Testgarten in Düsseltal, fotografiert von Künstlerfreund Thomas Ruff.

Foto: Thomas Ruff

Frau Giese, Ihr erstes Pflanzenprojekt realisierten Sie 1978 auf einer Straßenzunge im Industriegebiet in Flingern. Seitdem bepflanzen Sie immer wieder urbane Restflächen, Lücken in der asphaltierten Stadt, Verkehrsinseln. Was reizt Sie an diesen randständigen und unwirtlichen Orten?

Tita Giese: Was mich so interessiert, ist diese Vorstellung von exotischen Inseln im extremen Großstadtverkehr. Die Restflächen, die sich beim Bau von Straßen ergeben, sind ja Inseln – die Form ist vorgegeben und nicht irgendwie „gestaltet“. Normalerweise werden diese Restflächen mit sogenanntem Straßenbegleitgrün bepflanzt, heutzutage etwa mit Kirschlorbeer. Mit diesem standardisierten Begrünungen der normalen Gärtner und sogenannten Landschaftsarchitekten habe ich nichts zu tun. Ich will eine Assoziation von wilder Natur rein bringen. Aber natürlich ist das, was ich mache, auch sehr künstlich.

Wenn Sie von Exotik sprechen, wollen Sie dann auch Illusionsräume schaffen?

Giese: Nein, mit Illusionsräumen habe ich überhaupt nichts zu tun. Das ist unheimlicher Kitsch.

Und geht es Ihnen um Wohlgefühl? Viele Studien haben ja gezeigt, dass Pflanzengrün sich positiv auf die menschliche Psyche auswirkt.

Giese: Nein, das interessiert mich nicht, auch nicht, ob das den Leuten gefällt. Ich will auch nicht die Umwelt verschönern, wie sich das die Politiker vorstellen, die dauernd von begrünen reden, weil bei den Menschen eine große Sehnsucht nach Pflanzen und Natur besteht. Das Geschäft mit Balkonpflanzen, überhaupt die ganze Branche boomt deshalb.

Aber wenn Sie Verkehrsinseln mit Palmen, Bambus und Farnen bepflanzen, rufen Sie doch auch altbekannte Bilder von Mittelmeer, Urwald, Tropen, Exotik und Fernweh hervor...

Giese: Ja, ganz bewusst! Interessant finde ich auch, mit Pflanzen zu arbeiten, die schon jeder kennt, und diese plötzlich in einen neuen Kontext zu stellen. Rhabarber zum Beispiel kennt man ja aus Schrebergärten, ursprünglich kommt er aber aus China, Marco Polo hat ihn angeblich nach Europa mitgebracht. In Düsseldorf habe ich auf der Berliner Allee eine kleine Verkehrsinsel mit Rhabarber bepflanzt, zusammen mit Iris sibirica, Gräsern und Bambus. Da überschneiden sich dann die Assoziationen, die man mit solchen Pflanzen verbindet. Und die Pflanzen werden plötzlich auf ihren Ursprung zurückgeführt. Man sieht, dass sie anfangs ganz wild und exotisch gewesen sind.

Sie haben als Erste in Deutschland mit Palmen experimentiert – das war in den 1970er Jahren in Düsseldorf. Seitdem haben Sie in der NRW-Landeshauptstadt etliche Pflanzenprojekte mit Palmen verwirklicht. Bietet Düsseldorf besonders gute Bedingungen für Palmen?

Giese: Düsseldorf ist fantastisch, der wärmste Punkt überhaupt am Rhein. Die Stadt ist vom Klima her ideal, hier wächst vieles, was woanders nicht funktioniert. Hier kriegen die Palmen keine braunen Spitzen. Die Chinesische Hanfpalme, die ich seinerzeit bei meinem Bambuslieferanten in Südfrankreich entdeckt hatte, hält es bis minus 17,5 Grad aus. In Berlin allerdings hätte ich aufgrund des Kontinentalklimas vor zehn Jahren noch nicht mit Palmen arbeiten können. Durch den Klimawandel hat sich das inzwischen geändert.

Mittlerweile haben Sie sich mit Ihren Pflanzenprojekten in Düsseldorf etabliert, trotzdem trifft Ihre Arbeit bis heute auf Widerstände. Die Grünen werfen Ihnen vor, dass Sie keine heimischen, sondern exotische Pflanzen verwenden würden. Was sagen Sie dazu?

Giese: Es gibt keine heimischen Pflanzen – ob Sie Flieder nehmen, Kastanien oder Kirschlorbeer. Neulich habe ich Begrünungsentwürfe für den Hauptbahnhof gesehen, da will die Stadt mal wieder alles mit japanischen Kirschen voll stellen – das sind exotische Bäume, die es mittlerweile in jedem Baumarkt gibt und in jedem zweiten Vorgarten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort