Theater: Eine Primadonna der falschen Töne

Johanna von Koczian glänzt in der Komödie als wahnhaft musikalische „Königin der Nacht“.

Düsseldorf. Man kugelt sich vor Lachen in der Komödie an der Steinstraße, als eine skurrile Königin der Nacht auftritt. Blaues Paillettenkleid, Diadem und weiße Engelsflügel — in ähnlichem Aufzug stand die berühmt-berüchtigte Hobby-Sopranistin und Millionenerbin Florence Foster Jenkins 1944 in der New Yorker Carnegie Hall vor 3000 johlenden Zuschauern auf dem Konzertpodium.

Nun betritt die sängerisch begabte Schauspielerin Johanna von Koczian die Bühne, die im Stil der 30er/40er Jahre dekoriert ist (Ausstattung: Julia Hattstein). Zu Gehör kommt „Der Hölle Rache“ aus Mozarts Zauberflöte: pompös, falsch, glorios.

Bei den Spitzentönen der zackigen Koloraturen schlägt sich die Primadonna, wohl um der Stimme einen kleinen Kick nach oben zu geben, mit dem Handrücken vor die Stirn und landet dann doch deutlich unter der Zielmarke. Frau von Koczian singt die heiklen Stellen auf so virtuose Weise falsch, dass es eine wahre Freude ist.

Das 2005 in London uraufgeführte Lustspiel „Glorious!“ von Peter Quilter, das unter dem Titel „Königin der Nacht“ von Horst Johanning ins Deutsche übersetzt wurde, handelt vom letzten Lebensjahr der Florence Foster Jenkins, die sich womöglich nie ihrer sängerischen Ausfälle bewusst war. Dass sie zunächst nur vor geladenen Gästen im mondänen Ritz-Carlton sang und die Gäste in den Pausen mit Krabbenspießchen und einer Flasche Sherry mit ihrem Konterfei auf dem Etikett verwöhnte, lässt den Schluss auf geheimen Restzweifel zu.

In ihrem gediegen nussbraunen Salon in Düsseldorf verkehren nur eilfertige Schleppenträger, die jeden Ton der spendablen Diva beklatschen. Ihr Liebhaber St. Clair (dick auftragend: Anton Rattinger) ist ein erfolgloser englischer Schauspieler, der sich wie ein Gockel spreizt. Und die überkandidelte beste Freundin Dorothy (quirlig: Ute Willing) tut alles, um Jenkins in ihrem Künstlertum zu bestärken.

Frech ist nur die mexikanische Haushälterin Maria (temperamentvoll: Vanessa Pérez Martínez), die ausschließlich Spanisch spricht und alles schimpfend vorträgt. Mit musikalischem Gehör gesegnet ist einzig der soeben angeheuerte Pianist Cosme McMoon (zugleich Schauspieler und Pianist: Horst Maria Merz), der beim ersten Ton der Jenkins fast vom Klavierhocker springt.

Die Produktion lebt von Ironie und Situationskomik, die Regisseur Martin Woelffer flüssig, wenn auch nicht spritzig in Szene setzt. Hauptattraktion ist Johanna von Koczian, die nicht nur herrlich daneben singt, sondern auch der Hauptfigur ein Gesicht verleiht, das vor wahnhaft musikalischer Glückseligkeit strahlt.

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