Theater So ist Friedrich Schillers „Don Karlos“ in Düsseldorf

Düsseldorf · Intensiv und stark gespielt: Alexander Eisenach hat in Düsseldorf Friedrich Schillers „Don Karlos“ inszeniert.

Die Schauspieler André Kaczmarczyk und Jonas Friedrich Leonhardi in Eisenachs Inszenierung „Don Karlos“.

Die Schauspieler André Kaczmarczyk und Jonas Friedrich Leonhardi in Eisenachs Inszenierung „Don Karlos“.

Foto: Thomas Rabsch

Ein grausamer Machtmensch des 16. Jahrhunderts – das war Philipp II., König von Spanien, der sein Riesenreich mit eiserner Hand regierte und jeden Anflug von politischer und geistiger Freiheit gnadenlos unterdrückte. Auch in den spanischen Niederlanden. So deutet ihn die Geschichte, so schildert ihn auch Friedrich Schiller in seinem Königs-Drama „Don Karlos“. In seinem Jugendwerk voller Glut, politischer und privater Leidenschaft stellt Schiller dem König gleich mehrere Gegenfiguren gegenüber: seine kluge Frau Elisabeth, den aufgeklärten Kopf Marquis Posa und seinen ungeliebten, rebellischen Sohn Don Karlos. In dem düsteren Werk fordert Schiller 1787 – zwei Jahre vor der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Düsseldorfs Schauspieler
glänzen mal wieder

Damals visionär, heute ein Volksspruch – das Schiller-Wort „Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire“ aus dem Munde des schwärmerischen Posa. In Richtung des eisigen Potentaten, der den Freigeist Posa (gleichzeitig Freund und Vertrauter seines Sohnes Karlos) nah an sich heranlässt, ihn zum Kammerherren macht. Zu erleben ist dieses vielschichtige und politische Königsdrama im Düsseldorfer Schauspielhaus – in einer streckenweise spannenden Neu-Inszenierung von Alexander Eisenach.

Der junge Ost-Berliner (Mitte 30) verbeugt sich voller Ehrfurcht vor der Sprache Schillers, kürzt kaum eine Silbe, fügt stattdessen Einschübe und Gimmicks hinzu. Das Ergebnis: Ein Vierstunden-Abend, der im ersten Teil die Stärken der Darsteller ausreizt und große Theater-Momente bietet, im zweiten Teil aber ganz schön bleiern wirkt.

Mal wieder glänzen Düsseldorfs herausragende Schauspieler, die sich mit Wucht in ihre Rollen werfen – bis zum bitteren Blut-Ende. Der Marquis (André Kaczmarczyk) verendet wie ein erlegtes Stück Wild in literweise Theaterblut, das er aus einem Flakon herauspresst. Und liegt in den Armen seines Freundes Karlos, der seinen Vater verachtet und Posa seine Geheimnisse anvertraut hatte, u.a. die verbotene Liebe zu seiner Stiefmutter Elisabeth. Doch wird der offen revoltierende Karlos (kraftvoll, jung und ungestüm: Jonas F. Leonhardi) von dem gefährlich biegsamen Einflüsterer Posa für seinen Freiheitskampf in Flandern benutzt und im entscheidenden Augenblick an Philipp II. (Wolfgang Michalek) verraten.

Der Abend wird von einem starken Bühnenbild getragen

In erster Linie aber wird dieser Theaterabend, der fast so lange dauert wie Wagners „Walküre“-Oper, von einem starken Bühnenbild getragen. Daniel Wollenzin deutet das Düstere und Unheimliche am spanischen Königshof durch eine mobile Metallkonstruktion an. Ein Turm, ein durchsichtiger Metallkäfig mit Glasplatten, in dem die Figuren verschwinden und aus dem sie wieder hervorkriechen. Auf der angeschrägten Oberfläche halten die Darsteller nur schwer die Balance, manchmal rutschen sie aus, oder sie gleiten, auf einem roten Königssessel sitzend, hinunter. Das Bild erinnert an eine Höllenmaschine, die Menschen verschlingt und wieder ausspuckt.

Traditionell entflechtet die Regie das Drama. Posa, der zum Sprachrohr von Schillers demokratischem Staatsentwurf wird, macht sich die freundschaftliche Liebe Karlos’ zu nutze, macht ihn zum Verbündeten. Kaczmarczyk ist nicht der selbstbewusste Adelige, sondern betont die schmiegsame, geschmeidige Seite des Marquis Posa, der mit beschwörender Stimme sein Ziel erreichen will. Koste es, was es wolle, selbst sein eigenes Leben. So mutiert er beinah zum Vorbild eines modernen Terroristen. Posas Gegenspieler ist weniger der König als der Herzog von Alba (Sebastian Tressenow), der das Misstrauen König Philipps schürt. Tressenow gibt den stolzen, aber auch manchmal verspielten Alba. Furchterregend und kaltherzig ist er jedoch nicht. Zumindest nur schwer vorstellbar, dass dieser Mann über Leichen geht.

Lea Ruckpaul als Elisabeth ist anfangs eine Kindfrau, verwandelt sich erst im Laufe des Abends zu einer beschwichtigenden Königin, die ebenfalls ihre politischen Ziele nicht aus dem Auge verliert. In der Konfrontation mit ihrem Mann Philipp II. ist sie ihm nur scheinbar unterlegen. Eine Intrigantin und vor Liebeshunger winselnde Frau indes gibt Lou Strenger in der Rolle der Fürstin Eboli. Sie verfolgt weniger politische als private Ziele und geht so weit, dass sie alle verrät, die ihrer Liebe zu Don Karlos im Wege stehen. Eine schillernde Figur, die, ähnlich wie in den Bravurarien der gleichnamigen Verdi-Oper, die effektvollsten Auftritte hat. Sie ist furchtbar und großartig.

Fazit: Trotz Überlänge ein streckenweise packender Theaterabend mit exzellenten Darstellern in historisierendem Renaissance-Look (Kostüme: Lena Schmid) und einem Bühnenbild, das dem Abend Tempo verleiht.

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