Ballett : Wenn sich die Künste rauschhaft vereinen
Düsseldorf Schrille Kostüme, Skulptur als Tanz, gemalte Bewegung: Das Theater der Klänge inszeniert Oskar Schlemmers „Lackballett“ im FFT als multimediales Stück.
Die Bühne ist nur ein schwarzer Raum mit einer großen Leinwand. Nach und nach treten sechs schwarz gekleidete Tänzerinnen und Tänzer hervor. Alle tragen sie bunte Tücher in ihren Händen, in Weiß, Blau, Gelb oder Rot, etwa so groß wie Bettlaken. Sie entfalten sie langsam, strecken sie auseinander, wirbeln sie durch die Luft, werfen sie hoch und fangen sie wieder auf oder schlagen mit ihnen auf den Boden. Die Tänzer formen die Stoffe laufend zu neuen flüchtigen Skulpturen und erzeugen damit die einzigen Geräusche: Flattern, Knistern, Ziehen oder Schlagen. So beginnt das Theater der Klänge sein „Lackballett“ im Forum Freies Theater (FFT) Juta. Der „letzte Farb-Klang-Rausch von Oskar Schlemmer“, wie das Stück im Untertitel heißt, feierte am Donnerstagabend Premiere in der Kasernenstraße 6.
Die Aufführung hat die Düsseldorfer Theatergruppe zum Bauhaus-Jubiläum kreiert. Die legendäre Kunstschule wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Eines ihrer großen Ziele bestand darin, alle Künste miteinander zu verbinden. So geriet auch das Theater ins Visier der Bauhäusler. Das Theater der Klänge hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1987 mit der Bühnenkunst der Avantgarde-Schule beschäftigt, sie rekonstruiert und auf die Gegenwart hin aktualisiert. Im Mittelpunkt standen dabei immer wieder die Theaterkonzepte des Malers, Bildhauers und Bühnenbildners Oskar Schlemmer (1888-1943). In seinem sogenannten „Triadischen Ballett“ verwandelten sich die Tänzer zu Figurinen: Sie schlüpften in Kostüme, die aus geometrischen Formen bestanden. Schlemmer weitete damit die Bildhauerei aus: Tänzer mutierten nun zu Skulpturen, die sich durch den Raum bewegten. Skulpturen waren nun nicht mehr statisch, sondern veränderbar, fließend und flüchtig. Und damit auch zeitlich, auf den Augenblick beschränkt. Oskar Schlemmer machte Bildhauerei nun bühnenreif. Das war bahnbrechend. Ähnlich verhielt es sich mit Schlemmers Lackballett. Der Künstler hat es nur ein einziges Mal aufgeführt: Am 6. Dezember 1941 beim Betriebsfest der Wuppertaler Lackfabrik Herberts. Schlemmer war von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert worden. Daraufhin bot der Lackfabrikant Kurt Herberts ihm - aber auch anderen verfemten Künstlern - ein kreatives Refugium. Er gründete den sogenannten „Wuppertaler Arbeitskreis“, wo Schlemmer die künstlerische Verwendung von Lackfarben erforschen sollte. Der Allround-Künstler experimentierte mit lackierten Pappen, Bällchen oder Stäben. Und kreierte dann jenes Lackballett, das er bei dem Firmenfest uraufführte. Sechs Damen in Kostümen aus Glaskugeln, Stäben, Dreiecken oder Bierdeckeln führten zu einer Sarabande von Georg Friedrich Händel ein Tänzchen auf. Mangels geeigneter Tänzerinnen mussten Büroangestellte einspringen. Manche Gäste zeigten sich angetan, manche verwundert. Nach drei Minuten endete der Tanz.
Das Theater der Klänge hat das Mini-Stück auf eine Stunde ausgeweitet. Als Quellen dienten Regisseur Jörg Udo Lensing vierfarbige Aquarellentwürfe und Schlemmers Aussagen in Briefen. Mit seinem Team hat er eine multimediale Performance geschaffen. Kaum ein Genre, das nicht berücksichtigt wird: Tanz, Skulptur, Musik, Mode, Malerei und Videokunst.